Einsatztaktik bei MANV - ersteintreffendes Rettungsmittel

Hier kann über alle Maßnahmen von der Ersten Hilfe bis zur klinischen Behandlung diskutiert werden.

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24.01.2010, 14:08
So, wie versprochen hier mal ein kurzer Abriss zum Vorgehen der ersten Kräfte vor Ort.
Es ist weitestgehend aus RD-Sicht geschrieben, da ich das ganze als RD-Fortbildung ausgearbeitet habe und jetzt aus meinem Vortrag versuchen werde, die Quintessenz heraus zu arbeiten.
Ich hab eine abgespeckte Version des Vortrags als PDF hochgeladen (halt ohne die praktischen Übungen und die Gegebenheiten des Landkreises Güstrow), bitte aber zu beachten, das die Folien NICHT darauf ausgelegt sind, ohne Moderator umfassend zu informieren.

(Im Einzelfall kann ich auf Anfrage auch die vollständige Präsentation dem ein oder anderen zukommen lassen.)

Präsentation hier: Rechtsklick --> Speichern unter...


Ein Großschadensereignis oder ein Unglücksfall mit mehreren Verletzten/Betroffenen ist in der ersten Phase des Einsatzes immer dadurch gekennzeichnet, das einer sehr kleinen Helfer- und Materialanzahl eine enorm hohe Zahl Hilfsbedürftiger gegenüber steht. Um hier nicht in kopfloses Handeln zu verfallen, ist eine strikte, konsequente Strukturierung des Einsatzgeschehens unerlässlich.
Die ersten Helfer vor Ort haben daher einzig die Funktion, sich ein Bild von der genauen Lage zu machen und dies entsprechend an die alarmierende Stelle zu übermitteln.

Was gehört nun also zu einer Lageerkundung dazu?

Zuerst einmal gilt es, wie immer, den Eigenschutz zu beachten. Man stellt sich die Frage, was da für ein Ereignis statt gefunden hat, ob es abgeschlossen ist oder sich in der Folge weiter entwickeln kann (Brandausbreitung, fliessender Verkehr --> Folgeunfälle, Austritt von Stoffen, ...) und welche Gefahren mir als Helfer jeweils drohen. (siehe dazu auch "Gefahren an der Einsatzstelle" in der Präsentation)

Dann erfasst man in einem groben Gesamtüberblick das Ereignis und gibt eine erste "Meldung auf Sicht" ab. Für unseren Fall also: ersten Notruf absetzen. Diese Meldung muss den Ort des Geschehens, die Art des Ereignisses und eine ungefähre Anzahl an Betroffenen (!, nicht "Verletzte") enthalten, damit die Leitstelle erste Alarmierungen tätigen kann.

Im Anschluß schaut man sich, soweit die Lage/Eigengefährdung es zulässt, die Patienten kurz an. Dazu reicht eine Abchätzung nach dem Muster --> alles was steht oder gehen kann ist leichtverletzt, alles was sitzt/liegt schwer verletzt.
Optimalerweise fordert man einfach alle auf die selbst oder gestützt durch andere gehen können, sich zu einem Sammelpunkt zu begeben und dort gegenseitig auf sich aufzupassen, bis weitere Helfer da sind. Damit hat man einen Überblick über alle, die als "leichtverletzt" gelten und hat diese schon einer Art "strukturierten Patientenablage" zugeführt. (Vergleiche wieder Präsentation) Zudem kann man dann einfacher schauen, wer als schwerverletzt zu klassifizieren ist.

Im Anschluß daran erfolgt eine zweite Lagemeldung an die Leitstelle, die jetzt die Anzahl der Schwer- und Leichtverletzten enthält und zudem noch Hinweise auf örtliche Besonderheiten (Anfahrtswege, große Plätze in der Nähe, etc. ...), soweit einem dies bekannt ist oder man das überblickt.

....und ich denke, das ist der Punkt, an dem jeder Ersthelfer spätestens aussteigt. Zumal spätestens jetzt das erste professionelle Rettungsmittel da ist. Und sollten die Euch noch weiterhin mit einbinden (was sie vermutlich machen werden), bekommt ihr schon konkret gesagt, was ihr zu tun und zu lassen habt.

Fragen und ähnliches (auch weiterführende durch RD-Personal, falls es Fragen an mich gibt) können wir hier jetzt gerne abhandeln. Für einen Überblick, was man als Ersthelfer überhaupt nur machen kann, ist das IMHO ausreichend. Wenn ihr das alles vernünftig auf die Reihe bekommt, habt ihr schon mehr geschafft als manch Profi! (Leider...)
Gerrit (RettAss)
"Wir sind längst im Paradies, haben die Hölle draus gemacht!" --- ASP, Ich bin ein wahrer Satan
ASP - Sage Nein!

24.01.2010, 17:36
Sehr gute Darstellung Gerrit.

Ich durfte neulich einen Vortrag eines israelischen Notfallmediziners hören, der aufgrund der ständigen Bombenanschläge anscheinend eine sehr große Erfahrung mit dem Thema hatte. Die dortige Herangehensweise war extrem professionell und effizient. In Israel ist es sogar ein fester Befehl, dass die ersteintreffende RD-Besatzung im Fahrzeug verbleibt und NUR aus sicherer Distanz eine Lagemeldung abgibt. Würde sie aussteigen, wäre die Gefahr gegeben, dass die Helfer gebunden werden. So bleiben sie im Fahrzeug und geben nur Infos an die Leitstelle weiter.
Die Israelis haben bei einer Lage mit 50-80 Verletzten im Durchschnitt nach 50 Minuten den letzten Patienten im Krankenhaus. Da fängt in D vielleicht die SEG mit dem Aufbau der Zelte für die Dokumentation an. ;) ;)

P.S.: Das Bild mit den Fahrgestellen Luftrettung/Bestatter ist aus der Diakonie in Bad Kreuznach - oder?
Zuletzt geändert von Don Spekulatius am 24.01.2010, 17:38, insgesamt 1-mal geändert.
Es ist Dein Recht, Waffen abzulehnen. Es ist Deine Freiheit, nicht an Gott zu glauben. Aber wenn jemand in Dein Haus einbricht, sind die ersten beiden Dinge, die Du tun wirst: Jemanden mit einer Waffe rufen und beten, dass er rechtzeitig da ist.

24.01.2010, 17:48
Bleibt die Besetzung nur deshalb im Fahrzeug um nicht gebunden zu werden, oder bezieht sich das auch auf ggf. erfolgende weitere Anschläge auf die Helfer?

24.01.2010, 17:52
Ersteres. Die Gefahr des "Second-Hit" besteht ja ohnehin während des kompletten Einsatzes.
Es ist Dein Recht, Waffen abzulehnen. Es ist Deine Freiheit, nicht an Gott zu glauben. Aber wenn jemand in Dein Haus einbricht, sind die ersten beiden Dinge, die Du tun wirst: Jemanden mit einer Waffe rufen und beten, dass er rechtzeitig da ist.

24.01.2010, 18:18
Hallo Don!

Erstmal danke.

Ich habe auf einer "Fortbildung für Führungskräfte im Rettungs- und Sanitätsdienst" an der AKNZ in Ahrweiler auch einen Vortrag hören dürfen, zum Thema MANV in Israel, insbesondere natürlich durch die Bombenattentate. Das Konzept, das die dort fahre, ist sehr beeindruckend und das Outcome gibt ihnen recht. Allerdings haben sie es ja leider auch durch ständiges "Training" im scharfen Einsatz perfektionieren können.

Das Szenario eines Terroranschlages in Deutschland hat uns dann am Folgetag im Simulationstraining beschäftigt. (Wir haben insgesamt 3 Szenarios abgearbeitet und eines davon hatte halt einen Terroranschlag mit Second-Hit-Option als Lage...)

Zu dem Bild kann ich leider keine Quellenangabe mehr machen, da ich es irgendwann mal irgendwo aufgegabelt habe und das nachträglich nicht mehr zurück verfolgen konnte. Der Großteil der anderen Fotos ist aus eigener Hand. Einzig die Fotos von den Busunfällen (von einer Ausnahme abgesehen...), Rammstein, Eschede und Co natürlich nicht.
Gerrit (RettAss)
"Wir sind längst im Paradies, haben die Hölle draus gemacht!" --- ASP, Ich bin ein wahrer Satan
ASP - Sage Nein!

26.01.2010, 13:15
Original von GeKue
Hallo Don!

Erstmal danke.

Ich habe auf einer "Fortbildung für Führungskräfte im Rettungs- und Sanitätsdienst" an der AKNZ in Ahrweiler auch einen Vortrag hören dürfen, zum Thema MANV in Israel, insbesondere natürlich durch die Bombenattentate. Das Konzept, das die dort fahre, ist sehr beeindruckend und das Outcome gibt ihnen recht. Allerdings haben sie es ja leider auch durch ständiges "Training" im scharfen Einsatz perfektionieren können.

Das Szenario eines Terroranschlages in Deutschland hat uns dann am Folgetag im Simulationstraining beschäftigt. (Wir haben insgesamt 3 Szenarios abgearbeitet und eines davon hatte halt einen Terroranschlag mit Second-Hit-Option als Lage...)

Zu dem Bild kann ich leider keine Quellenangabe mehr machen, da ich es irgendwann mal irgendwo aufgegabelt habe und das nachträglich nicht mehr zurück verfolgen konnte. Der Großteil der anderen Fotos ist aus eigener Hand. Einzig die Fotos von den Busunfällen (von einer Ausnahme abgesehen...), Rammstein, Eschede und Co natürlich nicht.


das israelische konzept würde mich echt interessieren, hast du das noch irgendwo oder kannst es so mal zusammenfassen? :)
18 Jahre, JUH Ausbilderin, Ehrenamt, Leitung RUD-Team, KatS, Ex-Leitung (im Abi-Ruhestand ^^) SSD St. Lioba

26.01.2010, 13:41
Das israelische Konzept widersprciht in vielen Teilen dem deutschen Konzept.

Dort ist es das Ziel, die Verletzten sehr schnell den Krankenhäusern zuzuführen, hierfür gibt es in den Krankenhäusern große Triageräume (bzw Bevorratung von entsprechendem Material, dass dann in der Notaufnahme aufgebaut wird). Die Vor-Ort-Zeit der Behandlung am Notfallort sollte so kurz wie möglich sein.
Dieses begründet sich vor allem darauf, dass deren MANV-Lagen überwiegend nach Terrortaten entstehen, mit dem bereits erwähnten Risiko des "Second Hits" - daher werden die Patienten so schnell wie möglich in die Klinik transferiert, dort findet dann erst Triage ect. statt.

Hier ist das Ziel, die Patienten vor Ort zu stabilisieren, dann nach Priorität geordnet in geeignete Krankenhäuser entsprechend freier Kapazitäten zu überführen, damit man den MANV nicht einfach von der Einsatzstelle in das Krankenhaus verlagert.... Allerdings sind unsere Konzepte nicht auf Terroranschläge ect. ausgelegt, somit sind "Second Hit" Szenarien nicht vorgesehen.

26.01.2010, 16:04
@ GeKue:

Schöne Präsentation.

Würde ich eigentlich die Präsentation auch zur Fortbildung unserer SSD`ler benutzen dürfen? (Wegen Urheberrecht und so).

Aber die präsentation ist wirklich gut, und vom Inahlt her auch schön umfassend.

Viele Grüße, Thorbi
14 Jahre; Ausbildung: Notfallhelfer; Leiter SSanD von Saniseite aus; Teamführer 1. SSD Team; Materialwart; Mitglied bei der JF der Stadt Grafin bei München und der MHD Jugend Ebersberg

26.01.2010, 16:16
Ich wüsste jetzt nicht, warum sich der Durchschnittsschulsanitäter mit MANV-Taktik auskennen müsste.
Oder habt ihr bei euch schonmal mit mehr als einer Hand voll Patienten zu tun gehabt?
Ich bin als Rettungsschwimmer geboren, mit Wasser gestillt und aufgezogen! Hurra!:P

leverkusen.dlrg.de
www.drk-lev.de

26.01.2010, 16:19
Unser Rekord liegt bei einer ganzen Klasse mit Übelkeit nach verdorbenem Essen :D Aber in der Schule laufen da ganz andere Taktiken besser als die MANV Strategie. Sehe keinen Grund, dass Schulsanis sich mit sowas auskennen müssen, es sei denn sie sind zusätzlich in irgendeiner BOS engagiert.
18 Jahre, JUH Ausbilderin, Ehrenamt, Leitung RUD-Team, KatS, Ex-Leitung (im Abi-Ruhestand ^^) SSD St. Lioba

26.01.2010, 16:24
Original von saniteuse
Unser Rekord liegt bei einer ganzen Klasse mit Übelkeit nach verdorbenem Essen :D Aber in der Schule laufen da ganz andere Taktiken besser als die MANV Strategie. Sehe keinen Grund, dass Schulsanis sich mit sowas auskennen müssen, es sei denn sie sind zusätzlich in irgendeiner BOS engagiert.

Selbst dann lernt man es dort noch früh genug :rolleyes:
Endlich EH! 04.05.2008!

26.01.2010, 16:25
Selbst wenn sie in einer HiOrg engagiert ist, ist das kein Grund, das MANV-Konzept in die Ausbildung aufzunehmen.
Wenn die entsprechenden Leute das in ihrer Tätigkeit in der HiOrg brauchen, dann wird die HiOrg sie auch darin ausbilden und das hat nichts in der SSD-Ausbildung zu suchen.
Fazit: MANV-Konzept in der SSD-Ausbildung = Überflüssig
Ich bin als Rettungsschwimmer geboren, mit Wasser gestillt und aufgezogen! Hurra!:P

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26.01.2010, 16:36
Original von LevSani
Fazit: MANV-Konzept in der SSD-Ausbildung = Überflüssig


In der Ausbildung ist es überflüssig, keine Frage. Aber im Rahmen einer Fortbildung, um den jungen Helfern mal zu zeigen wie man bei Großschadenslagen handelt, kann man das Thema durchaus mal ansetzen.

Gruß Jürgen

26.01.2010, 16:42
Wenn man sonst keine Themen mehr finden, dann KANN man das sicherlich machen. Aber mir würden da spontan viel wichtigere Themen einfallen.
Ich sehe das nur als eine nice-to-have Ausbildung an, die man jedoch nicht wirklich braucht. Wenn die Schulsanis das interessiert, wie man bei einem MANV professionell vorgeht, dann können sie ja auch gerne zu einer HiOrg gehen. Aber in der Schule wird man das sowieso nie brauchen, da man für einen richtigen MANV sowieso zu wenig Material da hat und bis nach der Sichtung sowieso der RD da ist, der dann erstmal alles neu sichtet.
Ich bin als Rettungsschwimmer geboren, mit Wasser gestillt und aufgezogen! Hurra!:P

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26.01.2010, 16:59
Wenn Du die Frontseite unverändert lässt, kannst Du die Präsentation gerne nutzen. Aber ich bitte zu beachten, das die zur Verfügung gestellte Präsentation in der Form _nicht_ dafür ausgelegt ist, eigenständiges Lehrmaterial zu sein.
Ergänzend dazu ist zwangsläufig eine Moderation nötig. Ferner fehlen zusätzliche Medien (ein Film zur Schnellsichtung, 20 Patientenkarten für die Triageübung, diverse Google Earth-Bilder in Form selbst erstellter Grafiken für Übungen zur Raumordnung, usw. usf...die im Original in die Fortbildung durch mich eingebettet/erstellt wurden).
Gerrit (RettAss)
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