Auf dem Nachhauseweg (EH/SAN + RD)

Notfallszenarien für Ersthelfer bis Rettungsdienstmitarbeiter.

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05.01.2017, 19:20
Da es meiner Meinung nach, wie oben schon gesagt keine akute Gefährdung zu geben scheint, halte ich es für das Beste, dass der Mann seine Frau zu einem Arzt bzw. ins Krankenhaus bringt, um das Ganze mal zu überprüfen.
05.01.2017, 19:21
Okay - dann beenden wir hier Teil 1 des Fallbeispiels mit einer Manöverkritik:)
05.01.2017, 19:29
Okay, naja, ich hatte nicht wirklich eine Ahnung was dahinter zu vermuten ist und weiß es immernoch nicht.. Da in der Beschreibung ein möglicher RD schon angedacht war dachte ich, dass dieser wohl auch zum Einsatz kommen solle, jedoch habe ich keinen Grund gefunden, der diesen erforderlich gemacht hätte...

[EDIT]Vielen Dank übrigens für dieses FB, ich hoffe ich habe nicht all zu viel falsch gemacht...
05.01.2017, 19:33
Da wir vielleicht doch gleich noch den RD antanzen lassen möchte ich jetzt mal noch nicht allzu viel verraten.

Ich fand das Fallbeispiel bisher an sich solide abgearbeitet. Du hast einige Sachen erfahren und warst nett zu den beiden:) Allerdings habe ich das Gefühl, dass es aus medizinischer Sicht hier doch einen Grund für eine Alarmierung des RD geben könnte...will denn jemand...?

Edit: Gerne doch - noch lebt die Patientin ja. Schauen wir mal, was im weiteren Verlauf noch so passiert =@
05.01.2017, 19:56
Okay, dann würde ich mal den RD-Part übernehmen.

Ich nehme Accuvac, EKG, Kreislaufkoffer und Atmungsrucksack mit und schaue mir das Ganze mal an.

Handschuhe trage ich, PSA natürlich auch. Ist die Umgebung soweit sicher?

"Grüß Gott, der Sebi vom Rettungsdienst. Was ist denn passiert?"
WASB?

Nachdem uns das geschildert wurde, geht es weiter mit dem ABCDE-Schema.

A - sind die Atemwege soweit frei? Wie sieht die Mundschleimhaut aus? Unterzungenvenen gestaut?

B - Wie ist die Atemfrequenz? AZV? Ich auskultiere die Lunge. Besondere Atemgeräusche? Das Pulsoxy klemmen wir mal an einen Finger.

C - Wie ist der Hautbefund? Radialispuls tastbar? Rhythmisch? Frequenz? Rekapillarisierungszeit? Blutdruck?

D - Wie reagieren die Pupillen? Kreuzgriff - Auffälligkeiten? GCS?

E - Wärmeerhalt, sonst irgendwelche Auffälligkeiten?
05.01.2017, 20:05
SebiG hat geschrieben: Ist die Umgebung soweit sicher?


außer der überwärmten Wohnung drohen keine Gefahren.

SebiG hat geschrieben:WASB?


Wach - den Rest sparst du dir dann ja wohl:) Auf dem Nachhauseweg wurde es plötzlich schwindlig, dazu Atemnot,Enge im Brustkorb, schwarz vor Augen, und umgekippt....


SebiG hat geschrieben:A - sind die Atemwege soweit frei? Wie sieht die Mundschleimhaut aus? Unterzungenvenen gestaut?


Atemwege frei, Schleimhaut unauffällig, Unterzungenvenen (C-Problem, nicht A-Problem, oder..?) unauffällig.

SebiG hat geschrieben:B - Wie ist die Atemfrequenz? AZV? Ich auskultiere die Lunge. Besondere Atemgeräusche? Das Pulsoxy klemmen wir mal an einen Finger.


Die AF ist 16/min bei einem ausreichenden Atemzugvolumen - das wirkt "normal", ebenso wie das Abhören der Lunge. Die Sättigung beträgt 94%.


SebiG hat geschrieben:C - Wie ist der Hautbefund? Radialispuls tastbar? Rhythmisch? Frequenz? Rekapillarisierungszeit? Blutdruck?


Die Finger sind noch etwas kühl, aber langsam wird es ihr angenehmer. Die Haut wirkt unauffällig, am rechten Handrücken klebt noch ein Pflaster. Der Radialispuls ist rhythmisch mit einer Frequenz um die 85/min tastbar, die Rekapzeit bei 3 Sekunden, der Blutdruck 110/90 mmHg.

SebiG hat geschrieben:D - Wie reagieren die Pupillen? Kreuzgriff - Auffälligkeiten? GCS?


Die Pupillen sind bds weit, seitengleich und lichtreagibel. Sensomototische Auffälligkeiten bestehen bei einer GCS von 15 nicht.

SebiG hat geschrieben:E - Wärmeerhalt, sonst irgendwelche Auffälligkeiten?


Wird durch die Heizung auf Stufe 5 bereits bewirkt - sonst nix.
05.01.2017, 20:30
Verstehe.

Umgekippt - stürzte die Patienten zu Boden oder wurde sie aufgefangen? War sie bewusstlos? Wenn ja, wie lange? Krampfgeschehen?

Ist die Symptomatik nun rückläufig oder noch bestehend? Spürte sie Palpitationen? Kamen zu der Brustenge Schmerzen dazu? Wie lange hielt die Brustenge an? Konnte sie die irgendwie provozieren (bspw. durch tiefe Inspiration)? Eventuell kann sie die Brustenge näher beschreiben. Wirklich, als säße ein Elefant auf ihrem Thorax?

Wie schaut das Plethysmogramm der Sättigung aus? Hat sie immer noch Dyspnoe?

Ein Pflaster klebt auf dem Handrücken weshalb? Krankenhausaufenthalt vor kurzem? Wir komplementieren unser Monitoring um ein 12 Kanal EKG.

Wie ist es mit dem Schwindel momentan? Eher wie auf einem Schiff (Schwank-) oder in einem Karussell (Drehschwindel)? BZ bitte und eine tympanale Temperatur.

S - Schwindel, Brustenge, Dyspnoe
A - Hat die gute Frau irgendwelche Allergien?
M - Nimmt sie regelmäßig Medikamente? Wenn ja, welche? Medikamentenplan?
P - Hatte sie so einen Anfall schon einmal? Bspw. bei körperlicher Belastung?
L - Letzter Krankenhausaufenthalt? Wann hat sie das letzte mal etwas getrunken?
E - Was hat sie gemacht, bevor diese Beschwerden auftraten? Spaziert?

So long...
05.01.2017, 20:49
SebiG hat geschrieben:Verstehe.
:good:

SebiG hat geschrieben:stürzte die Patienten zu Boden oder wurde sie aufgefangen? War sie bewusstlos? Wenn ja, wie lange? Krampfgeschehen?


Sie wurde vom Ehemann halbsanft aufgefangen und ging zu Boden, das weiß sie aber nicht mehr - nur der Ehemann. Verletzt hat sie sich scheinbar nicht, und war für ca 15 Sekunden bewusstlos. "Krampfen" hat er nicht beobachtet, eingenässt hat sie.

SebiG hat geschrieben:st die Symptomatik nun rückläufig oder noch bestehend? Spürte sie Palpitationen? Kamen zu der Brustenge Schmerzen dazu? Wie lange hielt die Brustenge an? Konnte sie die irgendwie provozieren (bspw. durch tiefe Inspiration)? Eventuell kann sie die Brustenge näher beschreiben. Wirklich, als säße ein Elefant auf ihrem Thorax?


Im Sitzen ist's jetzt eigentlich ganz okay, Palpitationen hatte sie nicht bemerkt. "Eng" ist es noch ein wenig, der wirkliche Schmerz ist aber nicht mehr da - die Symptomatik kam praktisch mit dem "schnell nach Hause laufen" und besserste sich ca 10 Minuten nach der Synkope. Sie hatte zwar Atemnot, diese veränderte die Brustenge jedoch nicht. Vom Gefühl her kein Elefant, aber schon ein Gefühl von Enge/Druck.

SebiG hat geschrieben:Wie schaut das Plethysmogramm der Sättigung aus? Hat sie immer noch Dyspnoe?


Das Plethysmogramm sieht eigentlich ganz okay aus, in Ruhe ist es mit dem Atmen für die Patientin okay...

SebiG hat geschrieben:Ein Pflaster klebt auf dem Handrücken weshalb? Krankenhausaufenthalt vor kurzem?


Darmspiegelung beim Dr. Hasenfuß...

SebiG hat geschrieben:Wie ist es mit dem Schwindel momentan? Eher wie auf einem Schiff (Schwank-) oder in einem Karussell (Drehschwindel)? BZ bitte und eine tympanale Temperatur.


Das kann sie nicht mehr so genau sagen - es wurde ganz komisch im Kopf, dann komische Punkte, dann schwarz - spontan würde sie eher "schwanken" sagen. Der BZ ist 156 mg/dl und die Temperatur 36,1°C.

SebiG hat geschrieben:A - Hat die gute Frau irgendwelche Allergien?


Nickel.

SebiG hat geschrieben:M - Nimmt sie regelmäßig Medikamente? Wenn ja, welche? Medikamentenplan?


Ramilich bis vor 4 Monaten, Beloc Zoc, Simvahexal, Euthyrox, Godamed, Omep, Spiriva, Budesonid, und Vit C.

SebiG hat geschrieben:P - Hatte sie so einen Anfall schon einmal? Bspw. bei körperlicher Belastung?


So schlimm war's noch nie...

SebiG hat geschrieben:L - Letzter Krankenhausaufenthalt? Wann hat sie das letzte mal etwas getrunken?


Letzter Krankenhausaufenthalt 11/15 wegen Noro-Infektion, Getrunken gestern Abend zu den heute-Nachrichten.

SebiG hat geschrieben:E - Was hat sie gemacht, bevor diese Beschwerden auftraten? Spaziert?


Sie waren auf dem Heimweg vom Dr. Hasenfuß, und sie musste doch so dringend auf die Toilette..... :oops:

Bild
05.01.2017, 21:38
Okay, dann ziehe ich mir mal einen Doc zu Rate und forder mit dem Stichwort "Ausschluss ACS" nach.

EKG-Beurteilung:
Frequenz: ~80 1/min
Rhythmus: Vor jedem QRS-Komplex ist eine P-Welle sichtbar, somit handelt es sich um einen Sinusrhythmus
Lagetyp: weiß ich nicht, für einen Indifferenztyp müsste in II der stärkste Ausschlag sichtbar sein, es ist aber I. Bin ich raus.
PQ-Zeit: 0,1s, das passt, außerdem ist vor jedem QRS-Komplex eine P-Welle sichtbar und die PQ-Zeit gleichbleibend.
QRS-Komplex: 0,08s-0,10s "lang", m.M.n keine LSB- oder RSB-Konfiguration zu sehen, dafür eine S1Q3-Konfiguration
ST-Strecke: ST-Senkungen in I, II, AVF (?), Hebungen V1, V2, V3 (?), neg. T in V6

Wie man sieht, ich rate schon mehr als es zu wissen.

So schlimm wars noch nie bedeutet, dass sie das wohl schon einmal oder mehrmals hatte. Dementsprechend also eine (stabile) Angina Pectoris, die sich jetzt verschlimmert hat (somit eine instabile AP). Aaaaaber so langsam bin ich raus. Der S1Q3-Typ spricht hingegen eher für eine Lungenembolie... Zeichen für eine Beinvenenthrombose?

Dass es für die Patienten "okay" ist, klingt jetzt nicht allzu super, also bekommt sie noch 4 l/min Sauerstoff via Nasenbrille.

Zugang könnten wir noch legen und joa... auf den Doc warten. :)
05.01.2017, 21:44
Gut. Das mit dem EKG kann man grob so stehen lassen, ich würde spontan in V6 noch eine ST-Senkung erkennen, und in aVR und V4 sieht die St-Strecke auch nicht ganz einwandfrei aus - aber der Rest ist soweit gut.

Zeichen einer Beinvenenthrombose gibt es keine - und das mit dem S1Q3-Typ ist ähnlich aussagekräftig wie die D-Dimere beim älteren Patienten...

Ende, und ab zur Nachbesprechung?
05.01.2017, 21:57
Okay, ich fand es anfangs noch recht strukturiert, dann wusste ich aber nicht, wie ich schriftlich meine Gedanken so sortieren soll, dass es sich noch strukturiert liest...

Dass das Begutachten der Unterzungenvenen ein C-Problem anzeigt, ist natürlich richtig, wenn der Patient allerdings schon einmal den Mund bzgl. der Mundschleimhaut offen hat, kann man auch gleich dies mitmachen. Wie seht ihr das? Achtet ihr überhaupt auf die Unterzungenvenen oder mehr auf die Jugularien?

Meine Anamnese war natürlich nicht perfekt. Ich wollte noch fragen, welche Vorerkrankungen die gute Frau nun exakt hat, hab das aufgrund der EKG-Interpretation dann aber leider vergessen. Ansonsten hätte man noch fragen können, was "so schlimm wars noch nie" bedeutet. Klar war, dass sie wohl öfters solche Anfälle hat- nicht aber, inwiefern dieser sich nun exakt unterschied. Außerdem hätte man in Erfahrung bringen können, was eigentlich genau mit ihrem Herz so abgeht (bzgl. Vorerkrankungen). Die Gabe von Sauerstoff hätte auch unterbleiben können.

Bezüglich des EKGs - im RS haben wir das eigentlich so gut wie nicht angesprochen, das ist alles selbsterlerntes Halbwissen mit eindeutigen EKGs, deshalb war es mal gut, nicht so ein eindeutiges zu sehen. Welcher Lagetyp wars denn nun eigentlich?

Hättet ihr ebenfalls ein NEF nachgefordert?
05.01.2017, 22:06
Ja - das war dank ABCDE, SAMPLE und Co recht ansehnlich und umfangreich. Die Kritik bez. der Verwirrung A-Problem/C-Problem sei geschenkt, das kann man natürlich in dem Zusammenhang mit untersuchen.

Ich hätte konkret gefragt, ob kardiovaskuläre Risikofaktoren bestehen, und vor allem,warum sie in kardiologischer Betreuung ist - vielleicht hätte das geholfen! Zudem hätte ich mich noch ein wenig um die Koloskopie gekümmert - das ist jetzt ja an sich keine Sensation, kann aber auch mal Folgen haben.

Einen Notarzt nachzufordern ist an sich immer gut, wenn man nicht weiß, wie einem geschieht - in dem Fall ist das meiner Meinung nach durchaus zu rechtfertigen. Im Rahmen der Anamnese wird allerdings präklinisch wohl nicht allzu viel laufen, sondern viel eher eine umfangreichere klinische Abklärung, und gegebenenfalls - wie in diesem Fall - die Planung des Aortenklappenersatz.
05.01.2017, 22:09
Noch eine kleine Frage von mir, wie/woran hätte ich als EH erkennen sollen dass der RD notwendig ist bzw wieso war er denn jetzt konkret nötig? Nochmal vielen Dank !
05.01.2017, 22:12
Ich würde bei einem älteren Patienten, der vor einer Synkope über "Enge in der Brust" geklagt hat, und das im weiteren Verlauf immer noch ein wenig spürt, recht großzügig zur Alarmierung des RD raten. Diese Patientin ist ja an sich schon ordentlich kränklich, und hat dann noch ein Akutereignis...
05.01.2017, 22:13
Gut werde ich mir merken danke

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