Schocklage; Kreislaufprobleme

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05.01.2015, 13:05
Hallo zusammen !

Heute morgen habe ich einen Einsatz miterlebt, der mich etwas verunsichert hat.

Und zwar kam ein Nachbar und hat bei uns mehr oder weniger sturm geklingelt. Er meinte dann, ob ich da sei, und ich solle schnell mitkommen; auf dem Gehweg liege ein bleiches Mädchen. Sie wolle nicht, dass man den Rettungsdienst rufe, und er wüsste nicht, was er jetzt tun soll. Dann habe ich mir meine Jacke geschnappt und bin ihm gefolgt. Er hat mir im Treppenhaus erzählt, er wollte doch nur die Zeitung holen, und dann hat er sie gesehen. Tatsächlich lag dann eine (wie ich später erfahren habe 23-Jährige) flach auf dem Gehweg. Sie hatte Sportkleidung an. Sie war wirklich richtig richtig bleich - hatte trotz der Kälte ein weißes Gesicht und ganz weiße Lippen. Hatte ich zuvor noch nicht gesehen. Dann habe ich mir erst einmal ihre Beine geschnappt und habe sie hochgelagert. Ich habe den Nachbarn nochmal hoch geschickt, er soll mal Decken holen.
Im Gespräch mit ihr habe ich dann erfahren, dass sie Joggen war - etwas dass sie seit ihren Ferien regelmäßig jeden morgen macht. Ihr ging es heute morgen schon nicht so gut, sie war etwas zittrig, hätte aber gut gefrühstückt und hat dann beschlossen, dennoch Joggen zu gehen. Jetzt war sie schon seit 20 min unterwegs.
Sie war orientiert als sie mir das erzählte, klagte anschließend über allgemeines Unwohlsein, sie war zittrig (lag vielleicht auch an der Kälte...), und meinte, ihr war plötzlich ganz schwindelig, weshalb sie sich kurzerhand einfach hingelegt hatte. Sie lag nicht lange alleine rum, meinte, sie hätte Glück gehabt, weil mein Nachbar ein paar Sekunden später die Türe geöffnet habe. Ich habe sie gefragt, ob das schon einmal vorkam, und ob sie irgendeine Erkrankung hat, aber sie hat beides verneint.
Dann kam auch schon mein Nachbar (mit 5 Decken :D ), und dann haben wir sie gedreht, 2 unterlegt, und haben sie danach mit den 3 anderen zugedeckt. Meinen Nachbarn habe ich beauftragt, sich mal hinzuknien und ihre Beine erhöht zu lagern, sodass ich mal ihren Puls tasten konnte. Der war bei 66, sie hatte kalte Hände, und ich habe gesehen, dass sie kaltscheißig war. Sie war weiterhin orientiert, hatte aber eine leise Stimme, und so gut wie keine Kraft (konnte meine Hand kaum drücken). Sie wollte nicht, dass ich den RD rufe, meinte, ihr wird es bestimmt bald besser gehen.
Nach ungefähr 10min ging es ihr aber immer noch nicht besser. Sie hatte immer noch weiße Lippen und war kaltschweißig und zittrig, trotz der Decken. Sie meinte oft, ihr sei nicht schwindelig oder so, aber sie "fühlt sich irgendwie nicht so gut" / "fühlt sich seltsam". Dann habe ich beschlossen, dass wir jetzt den RD rufen.

Den Rest lasse ich mal weg, meine Überlegungen sind nämlich bei der ersten rettungsdienstlichen Maßnahme entstanden:

Sie haben ihr die Beine in einem 90°-Winkel hochgehoben, und nach 5-10 Sekunden habe ich schon gesehen, wie ihre Lippen plötzlich an Farbe gewonnen haben und wie letztendlich ihr Gesicht auch wieder eine Hautfarbe angenommen hat. Ich war richtig platt, dass das plötzlich so schnell ging - und ich hatte so eine "Lagerung" zuvor noch nicht gesehen, geschweige denn irgendwie gelernt.

Jetzt frage ich mich, warum eigentlich. Das war doch viiiiiiiel effizienter als das normale Beine-Hochlagern, das einfach mal nichts gebracht hat. (~40 cm, wie ich es gelernt hatte, Beine waren gestreckt).
Dass man nicht gleich bei jedem Kreislaufproblem die Beine kerzengerade hochheben muss, ist mir klar. Aber die Maßnahme ist doch eigentlich richtig gut, wenn man einen Pat. mit einem anhaltenden Kreislaufproblem hat. Der Frau ging es danach gleich viel besser. Hat man richtig gemerkt.

Und ich frage mich auch, warum man das denn bei den Schockarten nicht macht. Insbesondere bei dem hypovolämischen Schock, wenn schon zu wenig Blut im Körper zirkuliert.
Damit könnte man doch wirksam dafür sorgen, dass das Blut welches man noch hat, die lebenswichtigen Organe versorgt. (Je nach Dauer könnte man bis zum Eintreffen des NAs dann mit der Schocklage alternieren, damit die Beine auch noch durchblutet werden).
Ich finde generell diese "Lagerung" irgendwie sinnvoller, gerade wenn es um Leben und Tod geht...
Und ich verstehe nicht ganz, warum aber überall immer nur was von der Schocklage steht.

Danke schonmal ! :)
LG
05.01.2015, 13:12
Offensichtlich ist bei der erhöhten Beinlagerung durch den RD mehr Blut zurück geflossen als bei der halb-hohen Lagerung durch dich. Vielleicht spielt der Placebo-Effekt auch noch eine Rolle. Viel mehr gibts da eigentlich nicht zu zu sagen.
Ob man - wenn es um Leben und Tod geht - damit Leben rettet, lasse ich mal dahin gestellt. Aber grundsätzlich spricht nichts dagegen die Beine ausreichend hoch zu halten...
05.01.2015, 14:53
Unabhängig davon, dass ich die Beine auch nicht 90° hochlagere, würde ich hier eher auf Zufall und Rettungsdienst-Präsenz tippen. Den Verweis zu den "Schockarten" verstehe ich nicht ganz; auch bei manchen Schockformen kann man die Beine hochhalten, und bei nahezu allen zumindest achsengerecht "kopftief" lagern (Trendelenburg...).

Warum bist du mit der Patientin denn eigentlich nicht ins warme? Jung, kein Trauma, tastbarer peripherer Puls, draußen arschkalt...? Das wäre mir zehnmal eher eingefallen, als draußen eine Deckenburg zu bauen. Davon wird es einem wenn man da einmal gelegen ist auch nicht mehr warm...
05.01.2015, 15:52
Vielen Dank für Eure Antworten. (:

@leuchtreklamefahrer:
Ich meinte, dass man bei den Schockarten (Ausnahme: kardiogener Schock) die Schocklagerung machen soll, bei dieser aber die Beine noch lange nicht kerzengerade hochgehalten werden. :) Wir haben gelernt, dass wir die Beine je nach Körpergröße um ~ 40/45° erhöht lagern sollen. Und das ist dann unsere Schocklage.
Bei der "90°-Lagerung" des RD heute morgen ist mir aber bewusst geworden, dass der Oberkörper so doch eigentlich viel besser durchblutet wird / bzw dass sich das Blut in diesem Bereich "staut". Deshalb habe ich auch den Bezug zu den Schockarten hergestellt - weil ich finde, dass diese Lagerung (insbesondere) bei einem hypovolämischen Schock besser wäre, da man schon wenig(er) Blut hat. Die Lagerung würde doch eigentlich den lebenswichtigen Organen dann mehr Blut zur Verfügung stellen, als sie durch die normale Schocklage zur Verfügung gestellt bekommen.

Ich hatte ihr auch angeboten, dass wir uns drinnen hinlegen, da sie ja quasi vor der Haustüre lag ^^ Aber sie meinte, sie hätte keine Kraft mehr, und könne somit nicht aufstehen... ?(
05.01.2015, 16:31
Die Lehrmeinung ist, dass mit zunehmendem Winkel zwischen Beinen und Abdomen die Iliacalgefässe komprimiert werden,sodass der Rückstrom bei 90 Grad Hochlagerung geringer ist, als bei 40 Grad.
05.01.2015, 16:36
Das mit dem Alternieren ist eine witzige Idee - so wollte man auch schon mal Menschen reanimieren.
Aber so, wie Du es Dir vorstellst, funktioniert es ja nicht. Für den Patienten ist es besser, einen gleichmäßig niedrigen Blutdruck zu haben, statt alternierend keinen und dann ein wenig mehr.
05.01.2015, 17:01
@Spekulatius:

Also ist die 90°-Lagerung nicht so gut ?
Wenn ich nicht alternieren kann, und dann mind. 10min auf den RD warte, werden die Beine nicht mehr wirklich durchblutet... Daher könnte man dann ja die normale Schocklagerung bevorzugen.

Aber ist es nicht wichtiger, auf die Versorgung von Herz/Lunge zu achten ?
05.01.2015, 18:46
Ich versuche das mit der Schocklage eh nicht. Die DIVI hat das ganze als "nette Spielerei" (meine Worte) abgetan.
05.01.2015, 21:28
Naja, Mike -wenn du einen Patientin mit invasivem Monitoring mal unter Beobachtung der Vitalparameter "kippst" sieht man meist doch eine Änderung; und die "nette Spielerei" sehe ich beispielsweise durch diesen Artikel doch etwas anders (zumal der Nebenschauplatz durchaus unterhaltsam ist:)):

https://www.mh-hannover.de/fileadmin/or ... cklage.pdf

Gerade für eine Patientin, wie sie im Post von RK hier beschrieben wurde, wäre für mich eine klare Kandidatin für eine Schocklage. Zur Technik hat Don ja bereits das wesentliche ausgeführt.
05.01.2015, 21:43
Das es praktisch ist als diagnostisches Mittel um "volume responders" zu identifizieren mag gerne sein.

Die DIVI hat sich mehrere Studien angeguckt, und kommt zu Schluss, dass man es machen kann, es aber keine anderen Maßnahmen verzögern darf.
05.01.2015, 22:00
Quellen?
05.01.2015, 23:31
Stellungnahme DIVI Sektion Schock. Gabs in diesem forum sogar mal. Ansonsten auf deren Seite. Entschuldige das es keinen Link heute von mir gibt. :)
" Die jungen Leute von heute sind wesentlich angenehmer als in den 60er, 70er und 80er Jahren. Sie sind toleranter und respektvoller, auch älteren Leuten gegenüber. "
- Heino
05.01.2015, 23:41
http://www.divi.de/images/Dokumente/Emp ... dienst.pdf

Das lese ich etwas anders. In der Stellungnahme der DIVI wird der Artikel, der behauptet, die Schocklage sei überflüssig und schädlich, komplett zerpflückt und vernichtet.
Übrig bleibt die Empfehlung, weiterhin im hypovolämen Schock eine Schocklage durchzuführen. Diese soll lediglich die anderen Maßnahmen nicht ersetzen.
06.01.2015, 14:46
Hast du recht, so drastisch wie ich es schrieb, steht es nicht da. Danke für den Link suchen.
08.01.2015, 00:44
Trendelenburg hat ja bereits kurze zeit erkannt, dass es so wirklich effektiv nicht immer ist und seine Lagerung widerrufen bzw die Effektivität eingeschränkt ( muss mal raussuchen wo es stand )..
Kommt immer halt drauf an : Brauch der Patient Volumen oder Brauch er katecholamine.

Ein massiver, fortgeschrittener Schock, mit maximaler Engstellung der Gefässe z.B.; da ist maximal eng und das Volumen schon aus den Extremitäten raus ( einfach gesagt ).

Es gibt, wie schon gesagt wurde, manchmal auch wichtigere Dinge, die man deswegen nicht aus den Augen verlieren sollte ;-)

Aber ich les mal den Link jetzt ^^

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