Unsicherheit bei Maßnahmen etc.

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11.07.2014, 22:17
Hallo ihr!
Ich wollt mal fragen (siehe Thema), wie ihr damit umgegangen seid, dass ihr als Anfänger bei Maßnahmen und in Situationen der erwarteten Hilfeleistung unsicher wart. Ich weiß nicht, ob es euch überhaupt so ging, aber ich bin jetzt seit zwei Jahren im SSD und seit knapp nem Jahr im BRK, aber bin mir einfach extrem unsicher (v.a. in Fallbeispielen, in der "Realität" bin ich meistens nur Pflasterverteiler oder Protokollführer, etc).

Danke schon mal für eure Tipps, ich hoffe ihr versteht überhaupt, was ich von euch will...!

LG Sophia

11.07.2014, 23:19
Fallbeispiele sind was ganz anderes als die Realität, bei denen bin ich mir immer noch unsicher, vor allem, weil ich die als reines (und häufig schlechtes) Schauspiel ansehe und kein Lerneffekt bei mir sehe. Und das auch noch drei Jahre nach Beendigung meiner Ausbildung...

Mein Tipp: Nimm die Fallbeispiele nicht so ernst und lerne bei richtigen Notfällen.
Zuletzt geändert von Simon am 11.07.2014, 23:20, insgesamt 1-mal geändert.

12.07.2014, 02:58
Erstmal finde ichs top, dass du damit so selbstverständlich umgehst!

Im Ehrenamt wimmelt es leider oft vor Leuten, die schon alles gesehen haben wollen... Wie soll man da als Neuling noch Selbstvertrauen und Sicherheit herkriegen?

Ich weiß noch wie mir, damals RS-Praktikant, eine RAiP erklärt hat wie viel Angst sie vor der ersten Schicht allein als RA hat. Ich finde das verdammt ehrlich, offen und mutig, das vor dem Praktikanten zuzugeben. Ich finde es macht Mut, dass alle anderen die gleiche Unsicherheit gespürt haben und je nach Situation auch immer noch verspüren.

In Fallbeispielen kannst du so viele Fehler machen wie du willst, trau dich, mit einem erfahrenen Kollegen im Rücken, an jeden Patienten. Sammel deine Erfahrung, bis du für die Fortbildungen hältst, die dir gestern noch die Welt erklären wollten ;)
Rettungsassistent in München, 23 Jahre

12.07.2014, 08:42
Original von Simon
Fallbeispiele sind was ganz anderes als die Realität, bei denen bin ich mir immer noch unsicher, vor allem, weil ich die als reines (und häufig schlechtes) Schauspiel ansehe und kein Lerneffekt bei mir sehe. Und das auch noch drei Jahre nach Beendigung meiner Ausbildung...

Mein Tipp: Nimm die Fallbeispiele nicht so ernst und lerne bei richtigen Notfällen.



Dann waren entweder die Fallbeispiele sehr schlecht, oder dir fehlt Selbstkritik. (gute) Simulationen sind nachweislich gut für jeden im medizinischen Sektor.
" Die jungen Leute von heute sind wesentlich angenehmer als in den 60er, 70er und 80er Jahren. Sie sind toleranter und respektvoller, auch älteren Leuten gegenüber. "
- Heino

12.07.2014, 08:43
Ich muss mich Choleos anschließen. Offen damit umzugehen, ist einer der wichtigsten Schritte.

Obwohl (oder gerade weil?) mein Sankurs mitlerweile gut 11 Jahre zurück liegt und ich viele, viele Jahre im DRK/BRK aktiv war, stehe ich gerade an einem ähnlichen Punkt wie du.

Warum? Weil ich zwischen Examensvorbereitung vor drei Jahren und April diesen Jahres mal drei Jahre Zwangspause einlegen musste, weil ich meinen Wohnort häufiger gewechselt habe, als sich eine Mitgliedschaft in einem KV überhaupt rentiert hätte - vom zeitlichen Faktor einfach mal abgesehen.

Jetzt stehe ich also seit April wieder in einer Bereitschaft und gelte da, weil die anderen Mitlgieder größtenteils Studenten sind, eigentlich als gut ausgebildete Sanitäterin. Aber 3 Jahre Pause, in denen ich nur EH-Kurse gegeben habe, haben trotzdem dafür gesorgt, dass ich mich jetzt erstmal ganz langsam wieder reinfinden und Sicherheit in den Maßnahmen, die übers EH-Niveau hinaus gehen, zurückgewinnen muss. Die Theorie ist noch da, aber die Praxis ist in den meisten Fällen halt einfach ein paar Jahre her.

Ich löse die Situation für mich gerade so, dass ich zu so vielen Übungen wie möglich gehe und mir für Sandienste erfahrene Partner suche, von denen ich weiß, dass es keine Schande ist, wenn ich im Zweifel unsicher bin und ihnen den Vortritt bei einer Maßnahme lasse, während ich selbst assistiere. Ansonsten hilft viel Fragen: In den Phasen, wo mal keine Patienten da sind, geh ich offen auf die Kollegen zu und lasse mir Dinge einfach nochmal zeigen (z.B. unser Lifepack aufm RTW, mit dem ich vorher noch nie gearbeitet hatte).

Lange Rede, kurzer Sinn: Einfach ganz offen damit umgehen, dir in der Bereitschaft erfahrene Leute suchen, die du durchaus auch mal um Hilfe bitten kannst und nicht davor zurückschrecken, eine Maßnahme mal abzugeben, wenns beim eigenen Versuch nicht klappt ;)

lg Caro
Caro, 28, Lehrerin.

13.07.2014, 12:30
Danke für die Tipps!
Ich denk nur, dass es für mich wahrscheinlich bisschen schwieriger sein wird, an vielen Übungen, etc teilzunehmen, da ich noch nicht mal 16 bin und deswegen, wenn überhaupt, als Opfer mitdarf. Und auf San-Dienste darf ich ja eigentlich auch nicht mit, wobei da die Bereitschaftler auf die Jugend nen Schritt zu gehen und uns "Große" zukünftig als dritter Mann auf San-Dienste mitnehmen wollen.

Habt ihr sonst noch Ideen, wie man als EH-ler an Praxis kommt?

E: Ein Schüler in Ferienstimmung...
Zuletzt geändert von sophia.mag.kekse am 13.07.2014, 13:51, insgesamt 1-mal geändert.

13.07.2014, 18:18
Vielleicht geht es ja mehreren so wie dir. Dann könntet ihr in der Bereitschaft einfach mal anfragen, ob man eine kleinere Übung mal für euch organisieren könnte. Muss ja nicht gleich die Katschutzübung mit 50 Mimen und 30 Bewusstlosen sein. Wenn die Übung auf EH-Niveau bzw. EH+ -Niveau abgestimmt ist, ist es für die Erwachsenen kein allzu großer Aufwand und mit etwas Feedback nehmt ihr sicherlich auch was draus mit. Denkbar wäre auch, dass ihr jeweils noch erfahrenere Sanis als Helfer dabei habt, die euch währenddessen Tipps geben können.

Ansonsten sage ich meinen Schulsanis immer, dass es deutlich wichtiger ist, wenige Maßnahmen zu beherrschen, diese dafür aber dafür umso besser, als hundert Maßnahmen nur so halbwegs drauf zu haben. Such dir also gerade auf EH-Niveau Maßnahmen aus, die du schon sicher kannst und ergänze diese nach und nach mit weiteren - mit der Zeit wirst du sehen, dass es immer mehr sind. Es wäre aber ein Fehler, gleich auf einen Schlag 20 neue Maßnahmen beherrschen zu wollen.

Ich war damals auch 15, als ich in die Bereitschaft rein bin und wurde dann zu leichteren Sandiensten (Fußball in der örtlichen Sporthalle etc) mitgenommen - an sich alles Orte, wo ich im Zweifelsfall auch mal vor die Tür hätte gehen können, ohne dass mich gleich jemand geklaut oder überfahren hätte ;) Die Erfahrungen, die ich da gesammelt habe, waren vor allem die, wie so ein Einsatz abläuft, wie man Pflaster klebt, Kühlpacks verteilt etc - nix spektakuläres, aber eben die Basics.

Der Rest kommt dann automatisch, wenn du länger dabei bist und vor allem ab 16 auch mehr miterleben kannst. Gut, ich bin damals gleich mit 16 zu Großveranstaltungen wie Rock am Ring mitgefahren - damals fand ichs toll und habe wahnsinnig viel in kurzer Zeit dazugelernt, heute sehe ich den Einsatz von Minderjährigen bei solchen Dimensionen dann doch etwas kritischer. Aber das ist ein anderes Thema ;)

liebe Grüße

Caro
Caro, 28, Lehrerin.

14.07.2014, 14:29
Danke nochmal für die Tipps und fürs Mut machen ; ) und ich finde es ist auch mal schön zu hören, dass es außer mir auch so "Quereinsteiger" gibt, die nicht von klein auf einer Bereitschaft angehören : )

Ansonsten werd ich mal beherzigen, mit den anderen einfach mal Klartext zu reden und wer weiß, vielleicht machen wir ja dann auch öfter mal praktische Sachen!

LG Sophia ( :
23.06.2015, 09:47
Hallo,

also Unsicherheit zu haben, das ist vollkommen okay. Als Sanitäter übernimmst du Verantwortung für die Gesundheit eines anderen Menschen. Da ist es wichtig, wenn man seine eigenen Fähigkeiten richtig einschätzt. Lieber einmal zu viel gefragt, als einmal zu wenig.

Im alltäglichen Dienst solltest du trotzdem versuchen, so viel wie möglich zu machen. Führe die Diagnostik durch, die dir sinnvoll erscheint, wenn du dir dann noch nicht sicher bist, was vorliegt oder wie du handeln solltest, dann frag deine Kollegen nach ihrer Meinung, und im Zweifel, holt euren Vorgesetzten (Lehrer oder höher Qualifizierten bzw. erfahrenen Kollegen) dazu. Der kann euch unterstützen und euch den Fall erklären. Beim nächsten mal wirst du dann mit einem solchen Fall besser und vor allem sicherer umgehen können.

Im Training und vor allem bei den Fallbeispielen solltest du dich trauen, mach einfach mal das was du intuitiv für richtig hälst und trau dich, auch mal einen Fehler zu machen. Hier drohen dir keine Konsequenzen, ausser, dass du konstruktive Kritik bekommst und aus deinen Fehlern lernen kannst. Du wirst dich im Ernstfall daran erinnern und wissen, was zu tun ist.
Nur Mut. Auch wenn du schon ein Jahr dabei bist, der medizinische Bereich ist riesig, und wer sich für eine Tätigkeit in diesem Bereich entscheidet, der entscheidet sich für einen ständigen und immer währenden Lernprozess.

Liebe Grüße
Lisa
06.12.2015, 18:19
Mir geht es genauso.
Im Sanitätsraum kann ich alles im Schlaf, na gut fast alles. Ich bin aber in Fallbeispielen sowas von unsicher. Das ich am liebsten im Erdboden versinken würde.
25.12.2015, 23:11
Dieser Unsicherheit kann man begegnen, zum Beispiel mit einem strukturierten Fallbeispieltraining.

Der Erfolg eines solchen Trainings ist allerdings von unterschiedlichen Faktoren abhängig:

DIE AUSBILDER/ANLEITER
mussen fachlich qualifizuert sein und die gezeigten Maßnahmen in Hinblick auf deren Wirksamkeit auch adäquat beurteilen können. Hier ist eine rettungsdienstliche Qualifikation dringend zu empfehlen. Der "Chef-Schüler" eines SSDs ist das meist nicht. Also holt euch Leute von Extern.

DIE (ausgebildeten) MIMEN
müssen professionell und angemessen spielen. Hierbei muss Material zur realistischen Notfalldarstellung verwendet werden. Die Mimen sollten den Erstversorgern nicht bekannt sein, um die Ernsthaftigkeit zu erhalten. Nicht in jedem Fallbeispiel müssen störende Passanten und aggressive oder psychiatrische Patienten auftachen, auch wenn das natürlich "lustig" ist. DIe Realität ist es aber nicht... Also nicht zu dick auftragen... Spielt hauptsächlich das, was ihr auch real versorgen werdet.

DAS MATERIAL
muss dem Stand der Technik entsprechen und das wiederspiegeln, was tatsächlich an der Schule vorhanden ist. Es muss möglichst ein identisch gepackter Notfallrucksack etc. verwendet werden, damit an das Material auch im Ernstfall dort findet, wo man es gewohnt ist. Natürlich kann auch mit abgelaufenen Verbandstoffen geübt werden, diese sollten aber nicht mehr aus Wehrmachtsbeständen kommen. Auch teures Übungsmaterial (Schiene, Beatmungsbeutel, Sauerstoff etc.) sollte vorhanden sein, sofern es an der Schule vorgehalten wird. Gute Übung kostet halt...

DIE TECHNIK
Es empfiehlt sich, das Fallbeispieltraining auf Video aufzunehmen und noch vor der Nachbesprechung kommentarlos dem erstversorgenden Team vorzuspielen. So kommt das Team in einer Art "Meta-Ebene" vielleicht selbst auf Fehler und Unzulänglichkeiten. Die Zunahme an Handlungskompetenz (so heisst das Ding, was ihr ja anstrebt) ist abhängig von einer guten und stetigen Reflexion des eigenen Handelns. Videoanalyse am Video-Daten-Projektor kann da Wunder bewirken. Strittige Szenen können in der Nachbesprechung auch noch mal gesondert ausgewählt und erläutert werden.

DIE ORGANISATION
Es muss klar geregelt werden, wer wann was sagt. Hierbei sollen positive aber auch verbesserungswürdige Elemente einer Versorgung angeprochen werden. Unser Vorgehen:
1.) Das Viseo wird kommentarlos abgespielt. Team, Mime und Zuschauer schauen sich die komplette Versorgung nochmal an und machen sich ggf. währenddessen Notizen zu positiven und negativen Auffälligkeiten
2.) Die Mime sagt, wie sie sich betreut gefühlt hat. Hierbei sind keine fachlichen Aspekte der Versorgung zu nennen.
3.) Das Erstversorgungsteam relektiert sein eigenes Handeln und benennt beliebig viele positive und negative Aspekte. Sachen, die vom Team schon erkannt wurden, müssen nicht mehr von den Zuschauern oder Ausbildern wiederholt werden. Sie sind ja schon bekannt und selbst erkannt worden.
4.) Die Zuschauer können geordnet weitere Aspekte benennen. Es sollte immer mit einem positiven Aspekt begonnen werden. Bei negativen Auffälligkeiten empfiehlt es sich, zunächst das Team zu fragen, warum sie so gehandelt haben, und dann ggf. den eigenen Lösungsvorschlag zu unterbreiten und zu diskutieren. Das Erstversorgungsteam hat jederzeit das Recht, diese Zuschauerrunde zu beenden, wenn kein weiteres Feedback mehr gewünscht wird. Evtl. muss die Zahl der maximal möglichen Anmerkungen pro Teilnehmer begrenzt werden, damit jeder zu Wort kommt, ohne bereits Genanntes zu wiederholen.
5.) Der als Moderator auftretende Ausbilder fasst die wichtigsten positiven und negativen Aspekte noch einmal zusammen und verschriftlicht diese gegebenenfalls. Anschließend kann er, wenn noch notwendig und gewünst, weitere Anmerkungen machen. Auch hier hat das Team das Recht, die Runde abzubrechen
6.) Das Team gibt Rückmeldung, welchen Erfahrungsgewinn Sie durch die Runde hatten. ggf. werden Ziele formuliert, die vom Team in Zukunft gesondert trainiert werden müssen (z.B. erkannte Unsicherheit bei Blutdruckmessung etc.)

Ein so durchgeführtes Fallbeispiel dauert locker auch mal eine Stunde. Es kommt bei diesem Training auf den Zugewinn an Handlungssicherheit, nicht auf eine hohe Anzahl von Fallbeispielen an. Auch Teams, die an dem Tag nicht mitgespielt haben, haben durch die aktibe Teilnahme als Zuschauer und Tippgeber definitiv ein enormen Zugewinn an Erfahrung.

Macht diese Art von Fallbeispietraining regelmäßig, idealerweise mind. einmal im Quartal. Fordert entsprechende Dienstleistung von eurer betreuenden Hilfsorganisation ein! Wer professionell Schulsanitätsdienste betreut, sollte das leisten können...


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