Leider grad keine Zeit für was auführliches, aber:
Im Jahr 2002 wurde in einem britischen HSE-Report nach Analyse einer recht umfangreichen Datenmenge durch Paul Seddon empfohlen, Patienten mit Hängetrauma in einer Hochstellung (im deutschen mit "Kauerstellung" oder "Sitzstellung" übersetzt) zu lagern, auch wenn diese bewusstlos sind. Rein pathophysiologisch gibt es jedoch praktisch keinen Beweiß, dass das sinnvoll ist, und wurde durch zwei peer-reviews ebenfalls durch das HSE wieder aufgehoben (ca 2010). Sämtliche deutschen Hilfsorganisationen, Autoren mehrerer Traumabücher etc haben als einzige Quelle ungeschickterweise die von Seddon 2002 publizierte Empfehlung und hauen sich das wild um die Ohren. Es gibt keinerlei Grund, einen Patienten mit Z.n. Hängetrauma aufrecht zu lagern - beim ansprechbaren Patienten spricht natürlich nix dagegen, Bewusstlose und Reanimationspflichtige Patienten gehören in die SSL / Flachlagerung.
Vielleicht noch ein wenig Input zum Hängetrauma:
Das "Hängetrauma" ist als Krankheitsbild relativ jung und erstmals als solches 1972 erwähnt. Der Begriff an sich scheint unglücklich gewählt, da in aller Regel keine Verletzungen bei den Patienten gefunden werden. Im angloamerikanischen Raum spricht man gerne von "harness-induced Pathology" oder einem "harness-hang-Syndrom".
Vor 20-30 Jahren waren die Sicherungseinrichtungen bei weitem nicht so ausgereift wie heute - ein heftiger Sturz führte oft einfach durch die Folgen des Fangstoßes zum Tod (kein Patient mit "Hängetrauma für den RD...). Heute kann man bei Verwendung entsprechender Technik gut und gerne 10-15m frei fallen, um im Anschluss eine Schlüsselstelle erneut zu klettern. Aus diesem Grund wird die Zahl der Patienten mit "Hängetrauma" in Zukunft ansteigen - eine Zunahme von Kletteraktivitäten, Verwendung von Gurtzeug im Bereich der Arbeitssicherheit in exponierten Höhen etc spielen da natürlich zusätzlich mit hinein.
Man geht davon aus, dass die Mechanismen des venösen Rückstroms durch das aufrechte Hängen gestört sind (ggf. die Atmung zudem durch einen getragenen Brustgurt beeinträchtigt wird); Der wohl wichtigste Pathomechanismus ist in der fehlenden Muskelpumpe zu finden, da den Patienten in aller Regel der "Gegendruck" für die Füße fehlt. Hier kann die Verwendung einer Trittschlinge wertvolle Dienste leisten; Zudem wird in Studien der positive Effekt einer "Hochlagerung" der Beine durch Verwendung einer kurzen Schlinge in den Kniekehlen erwähnt. Je nach verwendetem Gurt und Anschlagpunkt ist es durchaus wahrscheinlich, auch Bewusstlose in einer "aufrechten" Position vorzufinden - was für die Entwicklung eines Hängetraumas natürlich fatal ist.
Ob die Kompression venöser Gefäße im Bereich des Hüftgurts (Gurtzeug an Becken und Oberschenkeln) bei der Entstehung eines Hängetraumas relevant ist wird als sehr fraglich angesehen. In aller Regel findet sich lediglich eine geringe Kompression im Bereich der Gefäße - ein falsch angelegter oder falsch dimensionierter Gurt können hier natürlich fatale Folgen haben.
Umwelteinflüsse (Schmerz, Angst, Kälte,etc) spielen erwartungsgemäß eine große Rolle. In aller Regel klagen Patienten vor Eintritt der Bewusstlosigkeit über Übelkeit, Schwindel, Kraftlosigkeit etc (präsynkopale Symptome:)). Der Eintritt der Bewusstlosigkeit kann durch Bewegung, Verwendung der oben genannten Trittschlinge o.ä. maßgeblich verzögert werden - eine rasche Rettung ist anzustreben.
Als Folge der schwerkraft-induzierten Volumenzunahme in den unteren Extremitäten sind ein Abfall des Schlagvolumens und ein Abfall des MAP zu finden. Durch Zunahme des kapillären Drucks in den Beinen kommt es zu einem hydrostatisch-induzierten Austritt intravasaler Flüssigkeit ins Interstitium - Der Patient befindet sich im ausgeprägten Volumenmangelschock.
Nach der Rettung führt die bisher gefürchtete rasche Zunahme der Vorlast in aller Regel nicht zu Problemen - oftmals handelt es sich um kardial gesunde Patienten, welche die Volumenzunahme gut verkraften. (flache Lagerung)
Wenn Patienten mit Hängetrauma nach der Rettung versterben, so geschieht dies in aller Regel nicht innerhalb kürzester Zeit, sondern vielmehr Stunden nach der Rettung, evtl. im Rahmen einer klinischen Abklärung/Behandlung.
Präklinisch sollte die Therapie neben den üblichen Standards (Atemwegssicherung beim Bewusstlosen, Herz-Lungen-Wiederbelebung bei Herz-Kreislauf-Stillstand) die Gabe eines Flüssigkeitsbolus beinhalten, andauernde Störungen der Hämodynamik können mit Katecholaminen behandelt werden (Cave: Patienten oft sauer).
Mit hoher Wahrscheinlichkeit profitieren Patienten von der Gabe eines Schleifendiuretikums.
Bei allen Patienten mit dem Verdacht auf ein Hängetrauma ist ein Crush-Syndrom zu unterstellen - neben Labor und Monitoring sollte das aufnehmende Haus die Möglichkeit zur Dialyse bieten.
Reicht das als Antwort?