Schocklage und SHT

Hier kann über alle Maßnahmen von der Ersten Hilfe bis zur klinischen Behandlung diskutiert werden.

Foren-Übersicht Erste Hilfe, Rettung und Medizin Erste Hilfe und Notfallmedizin

12.06.2011, 12:38
Hi, habe was interessantes gefunden:

Zitat vom Feuerwehrforum:

..."Ansonsten sollte sich inzwischen herumgesprochen haben, dass bei einem Schädel-Hirn-Trauma der Blutdruck höher sein muss als der Druck im Schädel d.h. Systolisch mindestens 100mmHG erreicht werden sollen. D.h. bei Polytrauma mit SHT ist Schocklage IMHO eigentlich immer indiziert."...

Beitrag von Ingo z. vom 11.06.2011 um 18:43

..."Geschrieben von Daniel Weiss
Beim SHT, ... ist die Schocklage natürlich kontraproduktiv!


Nein !!

Steigt der Hirndruck durch ein SHT über den Blutdruck wird kein Sauerstoff mehr in das Gehirn befördert :-(
Deshalb beim SHT den Kopf in Neutralposition halten um den Druckabfluss zu ermöglichen (auch wenn er nur minimal ist) und den Blutdruck auf min. 100mmHg stabilisieren.
Eine der möglichen Maßnahmen ist die Schocklage.

Gruß
Ingo"...

Beitrag von Ingo z. vom 11.06.2011 um 22:35

Zitat ende.


http://www.feuerwehr-forum.de/f.php?m=684929#684929



Don? Markus? Könnt ihr mir dazu etwas sagen? Ist dies plausibel? Ih habe da ja mal die gängige Meinung gelehrt bekommen, dass beim SHT die Schocklage kontraindiziert ist, da zusätzliche Druck das Hirn dann komprimiert. Ich habe keine Ahnung vom Ausbildungsstand dieses Herren, aber so doof hört sich das nicht an. Wie ist das denn wirklich?

12.06.2011, 14:35
So einfach ist es eben nicht.
Wie wir alle wissen, benötigt das Gehirn Sauerstoff um seiner Funktion nachzukommen und einen Zelluntergang zu verhindern. Das Gehirn ist nun in der Lage, stark anzuschwellen, wobei aber der knöcherne Schädel eine Ausbreitung verhindert. Ergo steigt der Druck im Schädel an.

Die entscheidende Größe bei der Behandlung eines Schädel-Hirn-Traumas ist der Cerebrale Perfusionsdruck (CPP). Dieser ist nun proportional zum arteriellen Mitteldruck (MAP) und umgekehrt proportional zum intrakraniellen Druck (ICP).

Es gilt also: CPP = MAP - ICP

Der CPP soll beim SHT nicht unter 50mmHg sein, aber auch nicht über 70mmHg ansteigen (Siehe Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie). Die große Unbekannte bei der ganzen Sache ist nun der ICP, der nun einmal präklinisch nur im seltensten Fall zu messen sein wird. Der Normalwert liegt hier bei 0-10 mmHg, kann aber beim Hirndruck problemlos auf 30-40mmHg ansteigen. Nun kannst Du ja ungefähr berechnen, dass man, um einigermaßen sicher zu sein, einen MAP von etwa 80 bis 90mmHg benötigt, um sicher einen ausreichenden CPP zu bekommen.

Zu Deiner Frage:
Letztlich hat jeder ein wenig Recht, die Frage ist nur, auf welchem Stand sich Dein Patient befindet.

Bei einem hypotonen Patienten führt es zu einer Steigerung des Blutdrucks und damit des CPP, wenn man ihn in die Schocklage bringen würde. Damit steigt aber auch der ICP an. Was nun stärker ansteigt, und wie sich damit die Differenz zwischen ICP und MAP verändert, ist patientenspezifisch und wohl kaum vorherzusehen. Wahrscheinlich ist es sinnvoll, den Oberkörper hoch zu lagern und die Blutdrucksteigerung durch Volumen oder (noch besser) Vasopressoren zu erreichen. In den Leitlinien wird der Lagerung übrigens keine Bedeutung beigemessen - eine Oberkörperhochlagerung wird nicht explizit empfohlen.

Alles nachzulesen unter: http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/008-001_S2e_Schaedel-Hirn-Trauma_im_Erwachsenenalter_leitlinientext_07-2007_07-2012.pdf
Es ist Dein Recht, Waffen abzulehnen. Es ist Deine Freiheit, nicht an Gott zu glauben. Aber wenn jemand in Dein Haus einbricht, sind die ersten beiden Dinge, die Du tun wirst: Jemanden mit einer Waffe rufen und beten, dass er rechtzeitig da ist.

12.06.2011, 17:20
Ansich stellt sich die Frage für den Laienhelfer doch kaum.

Gerade als Laienhelfer ist das Leitsymptom für das SHT die Bewusstlosigkeit - und da lagert man den Patienten in die stabile Seitenlagerung. Liegt keine Bewusstseinsstörung vor, ist ein höhergradiges SHT mit Druckanstieg extrem unwahrscheinlich.

Letztendlich befindet man sich ohne genaue Diagnostik auf einem Blindflug und agiert von daher ohnehin nach dem Motto "Treat first what kills first" - und lagert daher einen bewusstlosen Patienten auf die Seite, einen ansprechbaren Patienten mit Schocksymptomen mit erhöhten Beinen.

Eine Kombination von Seitenlagerung mit Kopftieflagerung (z.B. auf einer Trage) bei einem bewusstlosen Schockpatienten würde ich nicht machen, sondern die Seitenlagerung in Flachlage durchführen.

Die Leitlinien der deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie: http://www.dgu-online.de/de/leitlinien/polytrauma.jsp gehen auf die Lagerung ein.


Foren-Übersicht Erste Hilfe, Rettung und Medizin Erste Hilfe und Notfallmedizin

Zurück zu Erste Hilfe und Notfallmedizin