Ursachen für Hyperventilation

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28.12.2017, 18:52
Hallo,
die Hyperventilation hat ja meistens eine psychische Ursache, aber jetzt bin ich schon mehrmals auf die Aussage gestoßen, dass auch bestimmte Krankheitsbilder zu einer Hyperventilation führen können (Hyperventilation, nicht Tachypnoe!). Vor allem Intoxikationen, Lungenembolien und Dehydratationen sind oft als mögliche Ursachen angegeben. Mir ist nicht klar, warum bspw. eine LE zu einer Hyperventilation führen sollte. Wäre ein freundlicher User bereit, mir die pathophysiologischen Mechanismen zu erklären?
Ben
28.12.2017, 20:10
Diese Aussagen sind nicht korrekt. Vermutlich wird einfach mit der Nomenklatur nicht sauber getrennt.
28.12.2017, 21:09
Man kann bei den o.g. Szenarien durchaus eine Hyperventilation antreffen.
Mit der CO2-Abatmung wird ja durch die Umsetzung bzw. Lösung als "Kohlensäure" der Säuren-Basen-Haushalt mitreguliert. Kommt es also zu metabolischen Verschiebungen in die azidotische Richtung (z.B. bei der Ketoazidose beim Diabetes aber auch bei Intoxikationen je nach Stoff) versucht der Körper dies durch vermehrtes Abatmen von CO2 im Rahmen einer Hyperventilation zu kompensieren. Hier ist die Hyperventilation allerdings erstmal nicht das Primärproblem des Patienten, sondern hilft den pH-Wert im Blut in halbwegs physiologischen Bereichen zu halten.
Bei der Lungenembolie kann es durch die Hypoxämie und Dypnoe bedingte Tachypnoe ebenfalls zur vermehrten Abatmung von CO2 kommen, wobei sich das natürlich nur je nach Ausmaß der Perfusionseinschränkung in den Blutgasen widerspiegelt.
Es handelt sich also nicht nur um eine reine Tachypnoe, sondern es besteht durchaus eine Wirksamkeit hinsichtlich des Säure-Basen-Haushalt, nur halt unter anderen Vorzeichen.

Abzugrenzen davon ist das stress- oder sonstwie induzierte Hyperventilationssyndrom, wo das Gleichgewicht eben genau aus dem Grund der Fehlregulation und somit vermehrten Abatmung von "Säuren" (also CO2) zur respiratorischen Alkalose kippt.
29.12.2017, 09:27
Ich dacht, wir hatten uns darauf geeinigt, dass die Hyperventilation das schnelle Atmen (und natürlich abatmen von CO2) aufgrund einer psychogenen Reaktion beschreibt.

Jeder Patient im Hämorhagischen Schock ist azidotisch und tachypnoisch, dem attestieren wir doch auch keine Hyperventilation?
Die Kussmaul-Atmung beschreibst du doch auch nicht als Hyperventilation?
29.12.2017, 09:59
Achso, das klingt natürlich einleuchtend! Aber das heißt ja dann, dass es bei so ziemlich jeder Erkrankung, die mit einer Atemnot (und damit früher oder später auch einer Azidose) einhergeht, also auch bei einem Lungenödem o.ä., zu einer Hyperventilation kommen kann, oder?
29.12.2017, 17:03
Das hieße es, wenn wir gorlds Ausführungen folgen würden.

Ich tue das nicht.
29.12.2017, 18:54
Die Forderung, eine vertiefte und beschleunigte Atmung mit erhöhter CO2-Abatmung und den darausfolgenden Verschiebungen des Säure-Basenhaushalts nur dann als Hyperventilation bezeichnen zu dürfen, wenn diese durch eine psychische/stressbedingte Ausnahmesituation ausgelöst wurde, halte ich nicht für haltbar und deutlich zu eng gefasst.
Nicht umsonst kann man auch von primärer (psychogener) und sekundärer (somatische Ursachen) Hyperventilation lesen.
Beispiel: Beatmete Patienten können auch hyperventiliert werden. Und damit ist dann nicht nur ein - ich nenne es mal - "Mehrangebot an Luft" gemeint, sondern eben auch die vermehrte Abatmung von CO2 mit all ihren möglichen Konsequenzen.

Da ich aber auch nochmal sichergehen wollte, dass ich mich hier nicht total verrannt habe, habe ich eben nochmal den Herold als die Bibel der Internisten bemüht.
Die Ursachen des Hyperventilationssyndroms (S. 315, Ausgabe 2016) werden dort in 1. psychogen, aber 2. auch in somatogen unterteilt. Zu den dort aufgeführten somatogenen Ursachen fallen u.a. die metabolische Azidose, Lungenerkrankungen, bestimmte Elektrolytverschiebungen und (Salicylat)Intoxikationen.
Ferner heißt es unter der Differentialdiagnostik, dass solche somatogenen Ursachen einer Hyperventilation auszuschließen sind.

Ich will übrigens auch gar nicht ausschließen, dass mancherorts und Leute die Begriffsverwendung "aus Gründen" deutlich enger gefasst wird, die ich so adhoc nicht unbedingt nachvollziehen kann.
Letztendlich ist es aber so, dass "meine" Argumentation durchaus nachvollziehbar begründet und belegbar ist und die Aussagen, die Ben zur Diskussion gestellt hat, nicht einfach so als falsch abgestempelt werden dürfen.
29.12.2017, 18:59
Ich habe sie auch nicht als falsch abgestempelt. :)

Ich bin mit der Begrifflichkeit unzufrieden, und fürchte einfach, dass die Nomenklatur nicht sauber ist. Wenn man sich den Ausführungen des Herolds annimmt, dann wird wohl jede kompensatorische tachypnoe eine (somatogene) hyperventilation sein. Kann man nur hoffen, dass die Medizin sauber trennt zwischen der "psychogenen hyperventilation" und der "somatogenen Hyperventilation".


EDIT: Danke fürs Nachschauen!
30.12.2017, 11:00
Danke für eure Antworten!
30.12.2017, 14:40
Wobei ich den Herold auch nicht gerade als Standardwerk der medizinischen Nomenklatur sehen würde, sondern eher als Skriptsammlung. Als Nachschlagewerk zwar recht gut, mit Sicherheit aber nicht das Optimum.

Zur Nomenklatur würde ich eher dieses hier zu Rate ziehen:
https://www.pschyrembel.de/hyperventilation//list/
So findet es sich auch in diversen Physiologie-Büchern: gesteigerte Atmung MIT Erniedrigung des pCO2 (in der Blutgasanalyse - nicht in der Atemluft) --> Hyperventilation, sonst Tachypnoe.
30.12.2017, 21:10
Markus hat geschrieben:So findet es sich auch in diversen Physiologie-Büchern: gesteigerte Atmung MIT Erniedrigung des pCO2 (in der Blutgasanalyse - nicht in der Atemluft) --> Hyperventilation, sonst Tachypnoe.

Nicht anderes wurde hier geschrieben. :good:


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