Bei uns erlebt der Notfallkoffer zur Zeit wieder eine Renaissance.
Prinzipiell sollte man unterscheiden, wofür man ein Tragebehältnis braucht. Hier gibt es mehrere Möglichkeiten:
--> Streifendienst bei Sanitätswachdiensten
Hier stehen ein hoher Tragekomfort, leichtes Gewicht und eine gewisse Robustheit / Umempfindlichkeit gegen Verschmutzungen und mechanischen Verschleiß im Vordergrund.
Zu empfehlen sind hier Rucksäcke, Hüfttaschen (hier aber geringes Platzangebot!) oder Notfalltaschen (für den schmalen Etat).
Diese sollten möglichst wasserunduchlässig sein, den die Ausrüstung wird ggf. über längere Zeit Regen ausgesetzt sein.
Ferner steht hier eine leichte Reinigung im Vordergrund (staubige Dienste, spritzende Flüssigkeiten...). Zu empfehlen sind hier Produkte aus Planenmaterial. Ein Nachteil ist allerdings, dass man gerade bei höheren Temperaturen stark unter Planenmaterial schwitzt und ein längeres "auf dem Rücken tragen" garantiert zu einem nassen Rücken führen wird.
--> Einsatzdienst (nur Benutzung bei tatsächlichen Notfällen) / Sanitätswachdienste ohne Streifendienst und mit kurzen Laufwegen
In diesen Bereich fallen auch Schulsanitätsdienste, da diese ihr Equipment meist nur im Einsatzfall und über relativ kurze Strecken transportieren.
Im Vordergrund steht hier eine Übersichtlichkeit des Materials, eine robuste Unterbringung und eine gute Reinigungs- und Desinfektionsfähigkeit. Auf Komfortaspekte kann aufgrund der kurzen Tragedauer weitestgehend verzichtet werden, jedoch muss zwingend die köperliche Konstitution der Träger beachtet werden: Einen 11-jährigen kann man schlecht einseitig belastet mit einen 25 kg schweren Ulmer Koffer III (R) losschicken!
Hier sind qualitativ hochwertige Notfallkoffer (ich rede hier nicht von "Baumarktkoffern"!) einfach in Punkto Übersichtlichkeit, Robustheit und Hygiene unschlagbar.
Auch Notfallrucksäcke aus dem höheren Preissegment eigenen sich, wenn sie eine gute Übersichtlichkeit (z.B. Trennstege oder hochqualitative Modultaschen) bieten. Jedoch sollte hier besonderes Augenmerk auf eine einfache Reinigung gelegt werden. Viele günstige Rucksäcke lassen sich nicht ausreichend gut reinigen und desinfizieren. Ich will gar nicht wissen, wie viele Keime sich in den Rettungsdienst-Rucksäcken häuslich niedergelassen haben (gerade, wenn z.B. die Modultaschen nie aufbereitet werden)...
Werden Koffer verwendet, sollte man die Helfer in richtiger Hebe- und Tragetechnik schulen und ggf. ein Zwei-Koffer-System (Atmung/Kreislauf) ins Auge fassen, da dies eine gleichmäßige Belastung beider Körperhälten gewährleistet, sofern es von einer Person getragen wird.
Diese Ausrüstung sollte alles beinhalten, was zur Versorgung von akut vital bedrohten Patienten notwendig ist (ggf. auch Sauerstoff). Daher muss ein ausreichend großes Behältnis beschafft werden, damit es nicht zu Lasten der Übersichtlichkeit geht.
Die Ausrüstung sollte stückzahlmäßig nur auf das Notwendigste beschränkt werden, gerade was Verbandstoffe angeht (vier Verbandpäckchen reichen wirklich!). Ansonsten wird es auch hier wieder unübersichtlich. Die Innen-Einteilung sollte nach Funktionsbereichen erfolgen (z.B. Modultasche Diagnostik, Modulfach Beatmung etc.). Die einzelnen Module nicht überfrachten! Mit einem Griff sollte man alles in der Hand haben, ohne lange wühlen zu müssen.
Die Ausrüstung (Füllung) sollte hochwertig (und damit meist wiederaufbereitbar) sein. Das ist in meinen Augen umso wichtiger, je seltener Ehrenamtliche mit dem Material arbeiten. Eine Atemwegsverlegung wird man mit einem Ambu-Beutel der Mark (R)-Serie eher erkennen als mit einem Einmalbeutel aus PVC (dies ist aber meine persönliche Meinung, wahrscheinlich gibt es hier keine Studien zu).
--> Private Vorhaltung
Hier kommt es meist auf einen güstigen Anschaffungspreis an.
Die Ausrüstung wird (wenn sie überhaupt notwendig ist...) wahrscheinlich nur sehr selten benutzt werden. Daher sind hier Qualität und Reinigungsfähigkeit zweitrangig. Zu empfehlen sind möglichst viele Einmalprodukte, um die Kosten zu senken.
Günstige (leere) Notfalltaschen gibt es schon ab ca. 30 Euro, tw. im Sonderangebot noch günstiger.
Auch ausgestattet sollte der Preis 80-100 Euro nicht überschreiten. Ggf. tut es hier auch der "Baumarktkoffer".
Man kann also nicht pauschal sagen: Rucksack gut, Koffer schlecht. Man muss immer den individuellen Verwendungszweck im Auge haben und mehrere Optionen vergleichen.
Wir nutzen im Einsatzdienst an den Schulen Notfallrucksäcke (Helbig Profi L (R)), und halten in der zentralen Vorhaltung noch einige Reservekoffer (Ulmer Koffer II (R), DIN 13155 bzw. III, DIN 13232) vor, die für Sanitätsdienste oder kurzfristig als Ersatzmaterial bei Defekten leihweise ausgegeben werden.
Für bestimmte Dienst kann auch auf Rucksackkombinationen zurückgegriffen werden, die ich sonst in der Ausbildung nutze (PAX Wasserkuppe III-T und O²-akut).
Wenn ich z.B. einen Sanitätsdienst bei einem Judo-Turnier mache (und im Bedarfsfall nur auf die Matte muss), nutze ich am liebsten einen Koffer.
Auch im Rettungsdienst wehren sich gerade einige Kollegen mit Händen und Füssen dagegen, dass der Notfallkoffer gegen einen PAX-Rucksack (R) ersetzt werden soll. In meinen Augen je nach Einsatzschwerpunkt der Wache auch berechtigt...
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Hajo Behrendt am 14.05.2012, 12:38, insgesamt 3-mal geändert.