Original von Don Spekulatius
Es sind aber immer noch die großen Fachgesellschaften, die Guidelines erstellen und weder regionale Gruppen, noch einzelne Mitarbeiter. In den aktuellen Guidelines ist Nitro immer noch unabhängig von Herzvitien enthalten, also sollte nicht der einzelne daran herumdoktern - und schon grade nicht, weil ein Sani der Meinung ist, was auch immer über dem Herzen zu hören.
Genau andersherum wird ein Schuh daraus. Ein pathologischer Auskultationsbefund kann alles oder nichts bedeuten und selbst wenn eine Stenose vorliegt, ist die Korrelation zwischen Ausmaß des Befundes und hämodynamischer Relevanz ja nun mal kaum gegeben. Daher halte ich es für viel gefährlicher, dass aufgrund eines völlig vagen Verdachts dem Patienten eine in den Leitlinien vorgesehene Therapie vorenthalten wird.
Das Problem liegt eher darin, dass sich selbst diese ja nicht einig sind/lange nicht einig waren.
Es gibt schlichtweg keine Studie, die den Nutzen, insbesondere beim vermuteten Klappengeschehen nur ansatzweise feststellt.
siehe hierzu auch die aktuelle Leitlinie der ESC:
The use of nitrates in unstable angina is largely based on
pathophysiological considerations and clinical experience.(...)
(..)
Studies of nitrates in unstable angina have been small and
observational.128–130 There are no randomized placebocontrolled
trials to confirm the benefits of this class of
drugs either in relieving symptoms or in reducing major
adverse cardiac events. Only very scarce data exist about
the best route for administrating nitrates (intravenous,
oral, sublingual, or topical) and about the optimal dose
and duration of therapy.131,132
Es gibt schlichtweg keine (aktuelle)Studienlage für den Spezialfall, nur eine Menge Fallberichte (siehe hierzu z.B. Kataoka 2002, usw.) die für ein Risiko sprechen sowie einige Studien die das Problem nur am Rand betrachten (Elkayam 2007, Howlett 2008, usw.).
Die geltenden Leitlinien sind schlichtweg nicht auf das Problem eingegangen.
Was das Vorenthalten angeht hast du insofern Recht, dass das Risiko mit Sicherheit besteht, aber: Das muss denke ich jeweils auch nach regionalen Möglichkeiten entschieden werden. Ich kann jetzt nur für meinen (schweizer) Bereich sprechen, hier wird bei Vd. auf Aorten/Mitralklappenstenose durchaus unterschieden, ggf. wird anstatt sublingualem Nitro die Verzögerung in Kauf genommen die durch die Antitrieriung mittels Perfusor entsteht.
Welche Konsequenz ziehe ich denn aus dieser Diagnose? Wenn ich den Verdacht auf einen Pneumothorax habe, dann wird der Patient einer Klinik zugeführt. Dort kann der Ausschluß erfolgen. Habe ich einen großen Pneu, dann muss ich keinen differenzierten Befund erheben, sondern ich habe ein deutlich abgeschwächtes Atemgeräusch.
Betrachtest du Notfallmedizin nur isoliert ist das soweit richtig. Grade in Zeiten des "Kliniksterbens" und begrenzter Ressourcen ist dieser Ansatz aber eigentlich fragwürdig.
Um es am konkreten Szenario festzumachen: Ich habe zu Anfang meiner Zeit in der Schweiz bei einem kleinen RD hospitiert.
Du hattest dein Wachgebiet 20 Minuten von einem kleinen Spital entfernt, dieses hätte den fraglichen Pneu zwar radiologisch erkennen können, aber keines Falls eine Intervention durchgeführt hätten sondern den Patienten in das Zentrumsspital verlegt hätten.
Vom Wachgebiet aus wäre dieses Zentrumsspital 45 Minuten entfernt gewesen, vom Regionalspital 60 Minuten.
Bei einem entsprechenden sich aus Unfallmechanik und restlicher Klinik ergebenden "fraglichen Pneu" kann ich entweder jeden Patienten gleich ins Zentrum fahren, sicherlich wünschenswert, aber eben bei 8 von 10 Patienten unnötig, von der Tatsache, dass dann ggf. das Wachgebiet sehr lange unbesetzt bleibt ganz zu schweigen.
Oder ich fahre alle Patienten in's kleine Spital, sicherlich billiger, aber 2 von 10 werden dann eben weiterverlegt, Versorgungsdefizit, Versorgungslücke und höhere Kosten für den Patienten inklusive.
Oder ich versuche wenigstens 50% der Fälle zu erkennen und fahre wenigstens den einen Patienten direkt in's Zentrumsspital. Selbst wenn ich eine geringere Trefferquote habe, ist hiermit die Nährung an die optimale Versorgungssituation für alle Patienten mehr gegeben als wenn ich nur "schwarz-weiß" entscheide.
Wie gesagt - die Verarbeitung findet zwischen den Ohren statt.
Na danke;)