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Hier könnt ihr erlebte Einsätze schildern und sie können von uns gemeinsam besprochen werden.
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Gefühlloses Bein

15.06.2010, 14:00

So, ich schildere jetzt hier auch mal einen Fall, den ich heute hatte. Ich wüsste gerne, was die Rettungsdienstler und Druiden des Forums davon halten und was man hätte besser machen können.

Heute kam in der Pause die Meldung rein, dass ein Mädchen auf dem Sportplatz liegt und ihr Bein nichtmehr spürt. Wir haben uns daraufhin mit dem Notfallrucksack zum Einsatzort begeben.
Dort haben wir ein weinendes Mädchen sitzend vorgefunden. Sie klagte über fehlendes Gefühl (in der Art, dass das Bein "eingeschlafen" ist) und Bewegungsunfähigkeit im gesamten rechten Bein und hatte an eben diesem auch starke Schmerzen geäußert. Ein Unfallhergang lag jedoch keiner vor, die Beschwerden traten scheinbar ohne Ursache plötzlich auf, als die Patientin Umlauf-Tischtennis gespielt hat. Das Bein war weiterhin durchblutet und hat sich warm angefühlt. Ein Nageldrucktest konnte nicht durchgeführt werden, da die Patientin lackierte Fußnägel hatte.
Der Blutdruck lag bei etwa 120 zu 80 und der Puls lag bei 108 und war gut tastbar und regelmäßig.
Wir haben die Patientin betreut, den Rettungsdienst informiert, das Bein ruhiggestellt und hoch gelagert. Auf einen Wärmeerhalt haben wir aufgrund der hohen Umgebungstemperatur verzichtet.
Wir hatten als Verdachtsdiagnose ein nicht näher definiertes neurologisches Problem. Differentialdiagnostisch haben wir auch über einen venösen Gefäßverschluss im Bein nachgedacht, deshalb auch die Lagerung.
Nun meine Frage an euch: Was könnte es gewesen sein und was hätte man besser machen können?

15.06.2010, 14:49

Also spontan würde ich mal noch schauen, ob das Bein den gleichen Umfang hat wie das andere und ob es evtl. einen Kraftunterschied gibt zwischen beiden Beinen.

Ursachen könnten z.B. solche modernen Hosen sein, in die man nur mim Schuhlöffel reinkommt und deren Bund ziemlich direkt am Beckenknochen verläuft. Dadurch kann scheinbar ein Nerv gereizt/ abgedrückt werden, was dann zu Gefühlsstörungen führt.

15.06.2010, 16:22

Ich tippe auch auf Thrombose.

Dagegen spricht allerdings, dass sich die Patientin ja ausgiebig bewegt hat. Was hat sie denn zuvor gemacht?

Wir hatten eine nachgewiesene Thrombose einmal bei einem Schüler, der nach einer 19-stündigen Fahrt aus dem Bus ausstieg.

Kann also durchaus auch bei Jüngeren vorkommen...

15.06.2010, 16:31

Ich würde so eine Einschätzung teilen.
Die Schülerin hatte davon 6 Wochen lang das Bein in Gips und hat dann heute das erste Mal wieder wirklich Sport gemacht (Tischtennis-Umlauf).

15.06.2010, 16:33

Original von LevSani
Ich würde so eine Einschätzung teilen.
Die Schülerin hatte davon 6 Wochen lang das Bein in Gips und hat dann heute das erste Mal wieder wirklich Sport gemacht (Tischtennis-Umlauf).



Joar, dann liegt eine Thrombose wohl nahe....

15.06.2010, 19:11

Also weder Taubheitsgefühl noch Lähmungen wären typisch für eine Thrombose.

Als erstes würde ich mich fragen, ob die geschilderten Symptome denn objektivierbar waren, d.h. ob ihr getestet hättet, ob Taubheit und Lähmungen wirklich vorlagen. Wenn ja - dann wo. Eine komplette Plegie des ganzen Beins wäre nur durch einen zentralen Prozeß im Sinne eines Schlaganfalls, eines Tumors oder eine Blutung zu erklären. Eventuell noch durch einen Gefäßverschluß im Bereich des Rückenmarks.

Im Hinblick auf die Vorerkrankung könnte man nun konstruieren, dass sie doch eine Thrombose hatte und dass sich diese durch den Sport dann gelöst und über ein offenes Foramen ovale eine paradoxe Embolie ausgelöst hat. (http://www.gidf.de). Aber das wäre schon sehr konstruiert. Möglich ist auch, dass sie einen Schlganfall hatte. Der mit gigantischem Abstand größte Risikofaktor hierfür ist die Kombination von Rauchen und Einnahme der Pille. Also abhängig vom Alter durchaus möglich.

Zusammenfassend würde ich bezweifeln, dass eine Thrombose diesen Zustand erklärt. Eine genauere neurologische Untersuchung wäre interessant gewesen.
Zuletzt geändert von Don Spekulatius am 15.06.2010, 19:21, insgesamt 2-mal geändert.

15.06.2010, 22:10

ABgesehen von den wenig passenden Symptomen sollte man auch noch bedenken, dass bei Kindern (bis zum Auftreten von Pubertätszeichen - also nicht am Alter festmachen) i.d.R. keine Thrombosen vorkommen - selbst bei Immobilisationsmaßnahmen wie der genannte Gips.

Kinder erkranken eigentlich nur an Thrombosen, wenn sie an einer Thrombophilie - also einer Erkrankung mit einer gesteigerten Gerinnbarkeit des Blutes - leiden.

Dort haben wir ein weinendes Mädchen sitzend vorgefunden. Sie klagte über fehlendes Gefühl (in der Art, dass das Bein "eingeschlafen" ist) und Bewegungsunfähigkeit im gesamten rechten Bein und hatte an eben diesem auch starke Schmerzen geäußert

Also sowohl kein Gefühl, als auch starke Schmerzen und Bewegungsunfähigkeit? Wobei die Punkte hier noch etwas besser herausgearbeitet werden sollten - wo Schmerz, wo Gefühlsstörungen, Bewegungsunfähigkeit in welchen Gelenken.....
Ansich nichts, was an eine Thrombose denken lässt. Gibt es denn noch andere Hinweise darauf? Rötung, Ödem (einseitig), Schwellung/Umfangszunahme im Seitenvergleich, Überwärmung, Sichtbarwerden von oberflächlichen Venen, Familiäre Neigung zu Thrombosen, bereits eine Thrombose gehabt, ... ?

16.06.2010, 07:51

Dass sie einerseits über starke Schmerzen und andererseits über fehlendes Gefühl geklagt hat, kam mir auch spanisch vor.
Wir haben zwar immer wieder nachgehakt, wo genau es denn weh tut und wo genau sie nichts mehr spürt, aber wir haben immer die gleiche Antwort bekommen: "Das ganze Bein"

Den Bereich des Beines, den ich eingesehen habe (Mitte Oberschenkel bis Fuß) wies keine äußerlichen Besonderheiten auf. Den Rest des Beines (Obere Hälfte des Oberschenkels) habe ich mir nicht angeguckt, da das Mädchen mitten auf dem Schulhof lag und gerade Pause war...Es wäre aber natürlich denkbar, dass genau in diesem Bereich Auffälligkeiten aufgetreten sind.

Auch die Bewegungsunfähigkeit war zwischenzeitlich fraglich. Sie hat das Bein die ganze Zeit nicht bewegt. Nur als wir den Fuß abgetastet haben, hat sie das Bein faszinierenderweise zurück gezogen und anschließend wieder ausgestreckt. Danach konnte sie das Bein nichtmehr bewegen. Ob sie es wirklich nicht konnte oder einfach nur nicht wollte, weil es ihr zu starke Schmerzen bereitet hätte, da möchte ich mich hier nicht festlegen.

Eine Überwärmung konnte nicht festgestellt werden, auch, weil es gestern ohnehin recht warm war und beide Seiten schon recht weit erwärmt waren.

16.06.2010, 09:12

Das naheliegenste für mich wäre das von dir schon genannte "eingeschlafene Bein" - mit einer gewissen psychischen Überlagerung und Dramatisierung.
Da das aber nun leider nicht irgendwelche unwahrscheinlichen, aber dafür u.U. gefährlichen Differentialdiagnosen ausschließt habt ihr denke ich richtig gehandelt.
Fragt die Schülerin doch einfach mal, wenn sie wieder in die Schule kommt :-)

16.06.2010, 09:41

Auch wenn es vielleicht weit hergeholt ist, aber was halten unsere Mediziner denn von ner Schenkelhernie?
Kann plötzlich auftreten, kann, wenn durch die Lokalisation der Hernie ein Nerv oder ein Blutgefäß eingekleppt wird auch Gefühlsstöhrungen und Schmerzen machen.
Is in dem Alter aber relativ unwahrscheinlich.

Zur Erklärung für die, die nicht wissen, was eine Hernie ("Leistenbruch") ist:
Es kann zu Lücken in der Bauchwand kommen, in die dann Bauchorgane (meist Darmschlingen) reinruschen. Diese Hernien können auch an Stellen auftreten, an denen es eben nicht nur eine Beule an der Bauchdecke gibt und ggf. der Darm abgequetscht wird, sondern eben auch an Stellen, an denen Blutgefäße in Richtung Bein beeinträchtigt werden oder die Darmschlingen in den Hodensack oder die Schamlippen rutschen.

16.06.2010, 10:14

@ Bine:
Du hast
Zur Erklärung für die, die nicht wissen, was eine Hernie ("Leistenbruch") ist: geschrieben.
Hernie ist aber nicht Leistenbruch, sondern auf gut Deutsch ist eine Hernie ein Bauchdeckenbruch (das Bauchfell stülpt sich durch eine Muskellücke ect nach außen, innerhalb dieser Ausstülpung liegt meist Dünndarm), der Leistenbruch ist eine Präzisierung der beteiligten Strukturen, genauso wie Schenkelhernie...

Zur Möglichkeit der Schenkelhernie direkt:
Schenkelhernie als Ursache für diese Symptomatik ist mehr als weit hergeholt. Meistens verlaufen Schenkelhernien stumm, bzw. manifestieren sich erst durch Komplikationen wie Darmverschluss oder Darmeinklemmung.

Selbst wenn eine Hernie neurologische Probleme macht, so ist das nur auf den Bereich des jeweils gereizten Nervs möglich - hier lag ja "ganzes Bein" vor - das ist dadurch keinesfalls erklärbar, die Probleme müssen deutlich höher liegen....

Um noch eine weitere, gefährliche Differentialdiagnose ins Rennen zu schicken:
Generell ist bei Schmerz, Gefühlsstörung und Bewegungsstörung auch an den arteriellen Verschluss zu denken. Allerdings wurde hieran schon gedacht - zumindest entnehme ich das der Äußerung "Das Bein war weiterhin durchblutet und hat sich warm angefühlt" - wobei noch interessant zu wissen wäre, wo "der Puls lag bei 108 und war gut tastbar und regelmäßig" getastet worden ist.

Für einen arteriellen Verschluss gibt es die 6 P - Regel:
Pain= Schmerz
Paleness= Blässe
Paresthesia= Gefühlsstörung
Pulslessness= Pulsverlust
Paralysis= Bewegungsunfähigkeit
Prostration= Schock

Ist hier zwar auch mehr als unwahrscheinlich, aber sollte mal genannt sein, wie ich finde.

Prinzipiell denke ich auch eher wie Peit, dass halt mehrere Komponenten zusammenkamen (erstes mal wieder sportliche Aktivität, "eingeschlafenes Bein", geringere Muskelkraft durch Atrophie durch den Gips, psychische Komponente ...)
Zuletzt geändert von Markus am 16.06.2010, 14:19, insgesamt 3-mal geändert.

16.06.2010, 12:26

Deswegen stand der "Leistenbruch" ja auch in Anführungszeichen, weil, egal wo genau er lokalisiert ist, ugs oft von einem Leistenbruch gesprochen wird.

16.06.2010, 12:46

Original von Markus
@ Bine:
wobei noch interessant zu wissen wäre, wo "der Puls lag bei 108 und war gut tastbar und regelmäßig" getastet worden ist.

Der angegebene Puls war der Radialispuls. Unter dem Fuß habe ich erst garnicht gesucht, da ich aus eigener Erfahrung weiß, dass ich die Stelle nur selten finde, an der man den Puls an der Fußsohle tastet. Von daher wäre eine Diagnose von fehlendem Puls an der Fußsohle bei mir definitiv nicht sicher gewesen.

Ich habe heute im Sekretariat nachgefragt, ob die schon etwas wissen, aber es lagen noch keine Erkenntnisse vor. Ich werde vermutlich morgen mal die Klassenlehrerin fragen.

16.06.2010, 13:10

Der angegebene Puls war der Radialispuls. Unter dem Fuß habe ich erst garnicht gesucht, da ich aus eigener Erfahrung weiß, dass ich die Stelle nur selten finde, an der man den Puls an der Fußsohle tastet. Von daher wäre eine Diagnose von fehlendem Puls an der Fußsohle bei mir definitiv nicht sicher gewesen.

Verständlich - am Fuß tastet man auf dem Fußrücken, in etwa in der Verlängerung des 1. Zehenzwischenraums die A. dorsalis pedis, oder aber in dem Bereich zwischen Innenknöchel und Achillessehne die A. tibialis posterior.
Schön zu sehen:
http://www.gla.ac.uk/ibls/US/fab/tutorial/generic/sapulse.html
Aber ich denke, das sprengt schon den Umfang des Schulsanitätsdienstes und erfordert auch regelmäßige Übung.
Daher habt ihr, bei unklarer Lage, völlig zu Recht den Rettungsdienst verständigt.

16.06.2010, 13:21

Mit der Verdachtsdiagnose kann ich auch gut leben. Wir gehen im (S)SD ja immer vom Schlimmsten aus und handeln entsprechend.

Die entgültige Diagnose zu stellen, ist Aufgabe eines Krankenhaus-Arztes.

Aus meiner Sicht habt ihr alle erforderichen Maßnahmen zügig und korrekt eingeleitet.

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