MUSTERLÖSUNG:
BITTE BEACHTEN: Die Bearbeitung/Weiterentwicklung dieses Fallbeispiels erfolgte individuell. Hier sind die wichtigsten Eckpunkte der gewünschten Versorgung wiedergegeben. Bei der individuellen Beantwortung der Lösungsvorschläge gestellten Fragen der Teilnehmer im Rahmen eines „Frage-Antwort-Spiels“ wurde natürlich auf die entsprechende Qualifikation Rücksicht genommen. Ggf. können im Dialog mit dem Teilnehmer weitere Inhalte angesprochen worden sein, die sich hier nicht wiederfinden.
START…
Aufgrund des gemeldeten Notfallbildes müsst ihr von mindestens einer schwerer verletzten Person ausgehen. Daher ist es ratsam, die komplette Ausrüstung mitzunehmen.
Während ihr euch auf den Weg zum Einsatzort macht, achtet ihr in jedem Fall auf euren Eigenschutz. Hierzu gehört in jedem Fall das Anziehen der Schutzhandschuhe. Auch mögliche Gefahren an der Einsatzstelle, die insbesondere im Werkbereich auftreten können, müssen beachtet und möglichst ausgeschlossen werden. Hier sind insbesondere Elektrizität, Feuer/Explosion und Gase zu nennen.
Natürlich kann man die Zeit auch bereits nutzen, um einen Notruf abzusetzen. Dies wurde von einigen Bearbeitern auch schon getan („Mind. eine verletzte Person, noch unklare Lage, melden uns wieder…“). Genau so legitim wäre es, sich aber zunächst einen Überblick über die Situation vor Ort zu verschaffen. So entscheidet sich auch unser Team.
Bei Eintreffen am Notfallort können sämtliche Gefahren für das Team jedoch ausgeschlossen werden.
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VOR ORT…
fällt dir sofort ein Vitrinenschrank mit zerbrochener Glastür auf.
Hinter dem Vitrinenschrank steht, an die Wand, gelehnt die Lehrkraft, die Hand und Unterarm in ein Geschirrhandtuch eingewickelt hat.
Sie ist blass, bedingt ansprechbar und macht ein schmerzverzerrtes Gesicht.
Das Handtuch ist komplett durchblutet, auch auf dem Boden befindet sich eine größere Blutlache. Es ist momentan von einem Blutverlust von ca. einem Liter auszugehen.
Eine Gefährdung durch Strom, Geräte, Gewalt etc. kann ausgeschlossen werden.
WIE SIND DEINE ERSTEN MASSNAHMEN?
Lösung:
Indiziert wären hier nach einer orientieren Erstuntersuchung (Person ansprechbar, Atemwege frei, Atmung vorhanden, auf den ersten Blick keine weiten Verletzungen) zunächst ein Hochhalten der betroffenen Extremität und ein Abdrücken der A. brachialis zwischen den Oberarmmuskeln.
Während dies durch eine Person des Helferteams durchgeführt wird, bereitet die andere einen Druckverband vor. Dieser kann entweder mittels zwei Verbandpäckchen hergestellt werden, alternativ auch mit Wundauflage, Druckpolster und Dreiecktuchkrawatte.
Die Lehrkraft berichtet sinngemäß, immer wieder unterbrochen von Schmerzen, gegen die Glastür der Vitrine geprallt zu sein, als sich diese (vorher nur angelehnte) plötzlich geöffnet habe. Kurz vor dem Anprall habe er instinktiv die Arme hochgerissen und damit die Scheibe durchbrochen.
Bei der Inspektion der Verletzung wird eine ca. 14 cm lange, mehrere cm tiefe Schnittwunde sichtbar, die zwischen Daumen und Zeigefinger beginnt und sich halbkreisförmig bis zum Unterarm (Arteria radialis) fortsetzt.
Sehnen, Muskeln und Blutgefäße liegen tw. frei und sind beschädigt/durchtrennt.
Fremdkörper (Scherben) befinden sich glücklicherweise nicht in der Wunde.
Wenn die Abdrückung gelöst wird, tritt hellrotes Blut schwallartig pulsierend aus.
Die Lehrkraft klagt über Kribbeln, Kraftlosigkeit in der Hand und Gefühllosigkeit.
WODURCH IST DAS ZU ERKLÄREN?
WELCHE MASSNAHMEN MUSST DU JETZT SOFORT DURCHFÜHREN ?
WAS MACHST DU WEITERHIN?
Sollte die Wunde immer noch bluten, besteht die Möglichkeit, direkt über dem ersten Verband einen zweiten Druckverband anzulegen (zweites Druckpolster einbauen und noch fester umwickeln. Hilft auch das nicht, kann als „ultima ratio“ auch die Abbindung der betroffenen Extremität mittels Blutdruckmanschette (über den systolischen (oberen) Blutdruckwert hinaus aufpumpen) oder Tourniquet (z.B. Provisorium aus Dreiecktuchkrawatte und Knebel) am Oberarm erfolgen.
Sofort nach der ersten Wundversorgung sollte die Person in Schocklage gebracht werden.
Wichtig ist spätestens jetzt ein Absetzen des Notrufes. Dies kann ggf. an andere, im Raum befindliche Schüler delegiert werden.
Die Gefühlsstörungen / das Kribbeln erklärt sich durch eine Verletzung / Durchtrennung der Nervenbahnen, Muskeln und Sehnen, die im Bereich der langen Schnittwunde verlaufen.
Auch wenn es zu Störungen im Bereich der Durchblutung, Motorik und Sensibilität kommen sollte, steht eine suffiziente Blutstillung ganz klar im Vordergrund.
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NACH ERFOLGTER ERSTVERSORGUNG
kann ein ausführlicher Bodycheck und eine Vitalzeichenkontrolle erfolgen. Der BC ergibt keine weiteren Verletzungen. Der am unverletzen Arm gemessene Blutdruck liegt bei 90 / 60 mmHg, der schlecht tastbare Puls rhythmisch bei 120 / min.
Der RTW wird in ca. vier Minuten eintreffen.
Abhängig von der Qualifikationsstufe des Teams und der vorhandenen Ausrüstung kann jetzt schon einmal ein Venenzugang / eine Infusion vorbereitet (und ggf. bei vorhandenem Rettungsdienstpersonal nach Aufklärung und Einverständnis des Patienten auch gelegt) werden.
WELCHES MATERIAL WIRD HIERFÜR BENÖTIGT?
- Stauschlauch
- Hautdesinfektion
- Tupfer
- großlumige Venenverweilkanüle
- Infusionslösung
- Infusionssystem
- Fixierset
- ggf. Blutentnahmesatz mit Adapter
WELCHE MASSNAHMEN KÖNNEN SONST NOCH WEITERHIN DURCHGEFÜHRT WERDEN?
Ansonsten kann an dieser Stelle noch auf den Wärmeerhalt, die Betreuung und die kontinuierliche Kontrolle der Vitalzeichen geachtet werden.
Empfehlenswert ist auch die frühzeitige Erhebung der Anamnese nach bekanntem SAMPLE- oder S-KAMEL-Schema:
S ymptome / Schmerzen
-
K rankheiten (Grunderkrankungen)
A llergien
M edikamente (ständig und akut eingenommene)
E reignis, auslösendes (Tätigkeit bei auftreten der Beschwerden, Unfallhergang)
L etzte Mahlzeit / Flüssigkeitsaufnahme
Schüler können sich parallel auf den Weg machen, um das Rettungsmittel einzuweisen und die Schulleitung zu verständigen.
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NACH EINTREFFEN DES RTW-TEAMS
Sollte eine Übergabe an den Rettungsdienst stattfinden.
WELCHE INFORMATIONEN MUSS DIE ÜBERGABE BEINHALTEN?
- Name und Alter des Patienten
- Unfallmechanismus
- Festgestellte Verletzungen
- Durchgeführte Maßnahmen
- Erhobene Vitalparameter und deren Entwicklung
- Weitere im Rahmen des Anamnesegespräches herausgefundene relevante Informationen
So, und nun „Feuer frei“ zur Diskussion…
Zuletzt geändert von
Hajo Behrendt am 16.10.2010, 18:43, insgesamt 1-mal geändert.