Tourniquet

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28.02.2012, 17:29
Was haltet ihr von Tourniquets im Sanitätsdienst/ Rettungsdienst?

Habt ihr damit schon mal gearbeitet oder Erfahrungen gemacht?

Unsere Ortgruppe will sich nämlich welche anschaffen, nachdem wir in der letzten Gruppenstunde auf das Thema Abbinden kamen.

28.02.2012, 17:33
DRK Kreisverband Kunduz e.V?

Sonst: Nein.
Zuletzt geändert von gorld am 28.02.2012, 17:33, insgesamt 1-mal geändert.
Endlich EH! 04.05.2008!

28.02.2012, 17:45
Doch gorld!

Auch in Mazar-e-Sharif und Kabul wird noch damit gearbeitet, aber müsste das nicht das ARK sein?

Afghanisches Rotes Kreuz...

JUH und MHD lassen wir mal lieber außen vor.
Rettungsassistent in München, 23 Jahre

28.02.2012, 17:48
Original von Choleos
Doch gorld!

Auch in Mazar-e-Sharif und Kabul wird noch damit gearbeitet, aber müsste das nicht das ARK sein?

Afghanisches Rotes Kreuz...

JUH und MHD lassen wir mal lieber außen vor.

Lies dir das oben nochmal durch ;)
Endlich EH! 04.05.2008!
28.02.2012, 17:57
Original von Dennis
Habt ihr damit schon mal gearbeitet oder Erfahrungen gemacht?


Ja, zumindest bei Übungen. Es ist sehr schnell, effektiv und auch mit einer Hand zu bedienen, es ist ja für die Selbsthilfe konzipiert. Ob das mit der Selbsthilfe im Ernstfall damit dann so problemlos klappt, kann ich nichts zu sagen.

Original von Dennis
Unsere Ortgruppe will sich nämlich welche anschaffen, nachdem wir in der letzten Gruppenstunde auf das Thema Abbinden kamen.


Bei welchen Verletzungen wollt ihr das denn anwenden?
Ich wage zu bezweifeln, dass sich die Anschaffung und das Üben damit tatsächlich rentiert in Bezug auf die Häufigkeit, mit der man mit entsprechenden Verletzungen auf normalen SanDiensten hierzulande rechnen muss.
Zuletzt geändert von Wie am 28.02.2012, 18:12, insgesamt 2-mal geändert.
LSM 199?, EHK 2002 ... ;-)

28.02.2012, 18:07
Warum die OG das anschaffen will bzw. für welche Verletzungen? Keine Ahnung, vielleicht worst case.

Auch in Mazar-e-Sharif und Kabul wird noch damit gearbeitet, aber müsste das nicht das ARK sein?

In Afg. ist das der Rote Halbmond.

28.02.2012, 18:08
Original von gorld
DRK Kreisverband Kunduz e.V?

Sonst: Nein.



Unfug.

Im Sanitätsdienst darf man gerne darüber diskutieren, wenn man eine Gefahrenanalyse gemacht hat.
OV´s die öfters Jongleure sanitätsdienstlich betreuen, die mit laufenden Kettensägen werfen, sollten sie mitführen.

Im Rettungsdienst finden sie berechtigterweise immer mehr Anwender.

28.02.2012, 18:19
Da das Abbinden offiziell in keiner Sanitätsausbildung in Deutschland (Bundeswehr mal ausgenommen) gelehrt oder empfohlen wird, würde ich euch eher davon abraten, da in Deutschland ein Anwender eines Medizinproduktes die nötige Sach- und Fachkunde besitzen muss.

Außerdem wird es hier höchst selten dazu kommen, dass man ein Tourniquet anlegen muss. Ob man dafür extra eins vorhalten muss, darüber kann man streiten. Ich finde es überflüssig.

Sollte es wirklich mal zu einer wahnsinnig stark blutenden Wunde kommen, sodass bis zum Eintreffen in einem entsprechenden Krankenhaus ein Verbluten des Patienten nicht auszuschließen ist (und nur dann) kann man immernoch eine Blutdruckmanschette nutzen, diese anlegen und je nach dem wo es blutet auf etwa 250-300mmHg (Arm) oder auf 350-400mmHg (Bein) aufpumpen. Das wären so die Werte, mit der man beispielsweise im OP eine Blutsperre für die Extremitäten anlegt.
Falls jetzt jemand der Meinung ist, solche Drücke würde der Klettverschluss der Manschette nicht aushalten: Kann sein, aber wofür habt ihr Tape auf dem Auto?
Allerdings wird jeder, der schonmal ausprobiert hat, wo beim Blutdruckmessen die Schmerzgrenze ist (und das werden hier wohl schon einige gemacht haben), festgestellt haben, dass solche Drücke enorm schmerzhaft sind. Also sollte man bei solchen Patienten dringend auf den Eigenschutz achten...

Allerdings:
Das oben beschriebene Vorgehen stellt ein Off-Label-Use dar, da der Hersteller der Blutdruckmanschette dieses Medizinprodukt nicht für diesen Zweck vorsieht. Man sollte sich seiner Sache also sicher sein und es bei Bedarf gut rechtfertigen können.
Ich bin als Rettungsschwimmer geboren, mit Wasser gestillt und aufgezogen! Hurra!:P

leverkusen.dlrg.de
www.drk-lev.de

28.02.2012, 18:50
Wir haben seit ca. einem dreiviertel Jahr die Tourniquets auf einigen Rucksäcken im Einsatz.

Prinzipiell sollte bei einer stark blutenden Wunde zunächst ein herkömmlicher Druckverband angelegt werden.

Nur, wenn die Verletzung nicht adäquat versorgt werden kann (die Blutung durch einen Druckverband nicht ausreichend kontrolliert werden kann), sollte das Tourniquet durch entsprechend geschulte Helfer verwendet werden.

Denkbar wäre ein Einsatz z.B. bei Amputationsverletzungen, nicht zugängliche Wunden (Einklemmung) oder großflächige, stark blutenden Wunden.

Wenn kein Tourniquet vorhanden ist, kann wie bereits genannt die Blutdruckmanschette verwendet werden.

Jedoch würde ich den Aufpumpdruck nur so hoch ansetzten, dass die Blutung sistiert. Fest vorgegebene, dermaßen hohe, Werte erscheinen mir fragwürdig. Wenn der systolische Druck überschritten wird, kommt es doch bereits zu einer Abbindung. Bei so hohen Drücken wie oben geschildert kommt es doch (zumindest längerfristig) zu Gewebsschäden durch den starken Druck...

Wer kennt da entsprechende Leitlinien?

Eine andere Möglichkeit zur Abbindung ist die klassische Dreiecktuchkrawatte, die mit einem Knebel so lange "aufgezwirbelt" wird, bis die Blutung steht.

Gerade beim MANV sind Abbindungen eine zeitsparende Sache, weshalb sie mit Sicherheit ihre Berechtigung haben. Einige "Ewiggestrige" werden nur wieder Probleme haben, sich an Veränderungen in der Traumaversorgung zu gewöhnen...
Zuletzt geändert von Hajo Behrendt am 28.02.2012, 18:56, insgesamt 1-mal geändert.
35 Jahre, Im-RTW-beim-Patienten-Sitzer, hauptamtlicher "Zivi"-in-den-Hintern-Treter, ehrenamtl. Löschknecht, Obermufti von einigen SSDs -- im schönsten Bundesland der Welt: Schleswig-Holstein!

28.02.2012, 19:06
Es gibt nicht nur deutsche Leitlinien. In den TCCC-Guidelines werden Tourniquets ausdrücklich erwähnt. :)

Mal im Ernst: Man wird ein Tourniquet wahrscheinlich niemals brauchen. Genauso wenig, wie den ganzen anderen Kram, den ihr hier regelmäßig zur Anschaffung empfehlt. Wenn man aber von einem Worst Case ausgeht, dann hat dies doch durchaus eine Berechtigung.

Dass eine Abbindung in D so verteufelt wird, hat doch mehr etwas damit zu tun, dass immer nur einer vom anderen abschreibt. Im OP machen wir das regelmäßig für mehrere Stunden (hier nennt man es nur Blutsperre) und nein - das Bein oder der Arm sterben nicht ab.

Eine RR-Manschette ist eine Alternative, aber nur, wenn ihr entweder alle möglichen Größen verfügbar habt, oder nur schwindsüchtige Anorektiker auf Eurer Schule habt. Versucht doch mal, mit einer handelsüblichen Blutdruckmanschette den Oberschenkel des Stars eures Schwimmer- oder Fußballteams abzubinden. Da wird er eher nur ein kurzes Mitempfinden haben. :)

Schmerzhaft ist das ganze schon - darüber machen wir uns keine Illusionen. Aber im Worst-Case sind Schmerzen doch besser als Ausbluten.

Gruß aus Las Vegas !
Es ist Dein Recht, Waffen abzulehnen. Es ist Deine Freiheit, nicht an Gott zu glauben. Aber wenn jemand in Dein Haus einbricht, sind die ersten beiden Dinge, die Du tun wirst: Jemanden mit einer Waffe rufen und beten, dass er rechtzeitig da ist.

28.02.2012, 19:22
Ich habe gerade noch einmal im PHTLS-Handbuch nachgeschlagen*. Auch hier wird eine Anwendung empfohlen, sofern die Blutung nicht durch einen herkömmlichen Druckverband kontrolliert werden kann.

Die Lehrmeinungen der deutschen HiOrgs können hier wohl als veraltet gelten.

Das Tourniquet sollte so lange festgezogen werden, bis der distale Puls (am Hand-/Fußgelenk) nicht mehr tastbar ist.

Daher sollte bei einer Abbindung mittels Blutdruckmanschette (meinem Verständnis nach) auch ein moderater Aufblasdruck reichen (ca. 40-60 mmHg über Systole). Wichtig wäre aber (neben einer ausreichend großen Manschette) auch die regelmäßige Kontrolle des Drucks in der Manschette. Durch kleine Undichtigkeiten entweicht über die Zeit immer etwas Druck aus der Manschette, ggf. muss nachgepumpt werden.

* NAEMT: Präklinisches Traumamanagement; ElSevier Urban/Fischer 2009
Zuletzt geändert von Hajo Behrendt am 28.02.2012, 19:23, insgesamt 1-mal geändert.
35 Jahre, Im-RTW-beim-Patienten-Sitzer, hauptamtlicher "Zivi"-in-den-Hintern-Treter, ehrenamtl. Löschknecht, Obermufti von einigen SSDs -- im schönsten Bundesland der Welt: Schleswig-Holstein!

28.02.2012, 19:28
Original von Hajo Behrendt
Wenn der systolische Druck überschritten wird, kommt es doch bereits zu einer Abbindung. Bei so hohen Drücken wie oben geschildert kommt es doch (zumindest längerfristig) zu Gewebsschäden durch den starken Druck...


Hajo, du widersprichst dir ein wenig...

Ein Tourniquet hat den Sinn und Zweck abzubinden und das entsprechend der Stärke der Blutung. Und wenn wir eine arterielle Blutung haben, dann müssen wir auch mehr Druck aufbauen als die Blutung aus dem Gefäß austritt - und dann kommt es nunmal zu Nekrosen des nachfolgenden Gewebes. Weshalb man ja auch so distal wie möglich stauen soll! (Wenn überhaupt!)

Auch mit einer Blutdruckmanschette sollte man einen entsprechenden Druck aufbauen, bis die Blutung gestoppt ist. Je nach Lage des Körperteils kann der Druck an den Extremitäten drastisch vom Oberarmdruck abweichen. Man sollte sich also wie immer nicht an Werte krallen, sondern es situationsabhängig regeln.

Ansonsten vorher erstmal die Basics: Hochlagern, Abdrücken, Druckverband...
LSM 199?, EHK 2002 ... ;-)

28.02.2012, 19:36
Original von Wie
Und wenn wir eine arterielle Blutung haben, dann müssen wir auch mehr Druck aufbauen als die Blutung aus dem Gefäß austritt - und dann kommt es nunmal zu Nekrosen des nachfolgenden Gewebes. Weshalb man ja auch so distal wie möglich stauen soll! (Wenn überhaupt!)



Falsch! Ein Tourniquet wird immer so PROXIMAL wie möglich angelegt!
Den Stuss mit den Nekrosen sofort vergessen.

Bitte Anwendungsaussagen nur treffen, wenn man geschult ist.

28.02.2012, 19:54
Aus dem o.g. Werk:

"Anwendungsort
Ein Tourniquet sollte direkt proximal der blutenden Wunde platziert werden. Traditionell wurden Tourniquets aufgrund der Gefahr, oberflächliche Nerven zu verletzten, nicht unterhalb des Knies oder des Ellenbogens angewendet.
Das Problem bei dieser Anwendung ist, dass so mehr Gewebe ischämisch wird, vor allem, wenn die Wunde auf der Höhe des Sprung- oder Handgelenks liegt.
Einmal plaziert, sollte das Tourniquet nicht zugedeckt werden, damit eine wiedereinsetzende Blutung entdeckt werden kann."

Also in meinen Augen schon so körperfern wie möglich...

@ Wie
Wieso widerspreche ich mir? Wenn eine Abbindung der A. Brachialis mit einer höheren Kraft erfolgt als der systolische Druck (Auswurfleistung des Herzens), kann durch die Abbindung kein Blut mehr in die Oberarmarterie gelangen. Der betroffene Arm wird nicht mehr versorgt.

Natürlich sollte man hierbei in erster Linie die Wunde im Blick haben, um ein Sistieren oder Wiedereinsetzen der Blutung zu erkennen.

Deshalb muss die Manschette ja nicht spontan auf 350- 400 mmHg aufgepumpt werden (so weit reichen die meisten Skalen gar nicht...). Warum so viel, wenn auch mit einem niedrigeren Druck der selbe Effekt zu erreichen ist?
Zuletzt geändert von Hajo Behrendt am 28.02.2012, 20:01, insgesamt 2-mal geändert.
35 Jahre, Im-RTW-beim-Patienten-Sitzer, hauptamtlicher "Zivi"-in-den-Hintern-Treter, ehrenamtl. Löschknecht, Obermufti von einigen SSDs -- im schönsten Bundesland der Welt: Schleswig-Holstein!

28.02.2012, 19:58
Tabelle aus einem Fachartikel:

"Tab. 2 Beschreibung der Anlage eines Tourniquets. (Nach [28])
Anlage des Tourniquet
Abdrücken proximal der Blutung Anlage des Tourniquet so proximal der Extremität wie möglich(Mitte Oberarm/Oberschenkel) Extremität komplett freilegen Blutung muss stehen, distale Pulse dürfen nicht mehr tastbar sein; cave – eine venöse Stauung verstärkt die Blutung Bei Blutdruckanstiegen Tourniquet ggf. korrigieren, nachziehen Zeitpunkt der Anlage dokumentieren, z. B. auf dem Patienten oder einer Verwundetenkarte Sichtbare Markierung des Patienten über die Anlage eines Tourniquets Bei unzureichendem Effekt ggf. zweites Tourniquet anlegen Sobald die Zeit, die Lage und das zur Verfügung stehende Material es zulassen, wird die Verletzung mit anderen Mitteln verbunden und das Tourniquet gelöst, es verbleibt jedoch an der Extremität."


Quelle 28 ist das Traumaregister der DGU. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass eine distalere Anlage mehr Kraft erfordert und damit mögliche Nebenwirkungen verstärkt. Bei meinem "Verein" wird es so gelehrt. Und da steckt Erfahrung hinter.

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