Wunddesinfektion(-smittel)

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15.06.2010, 17:57
...und dennoch wage ich die Behauptung, dass das Desinfizieren von (Bagatell-)Wunden weiterhin fast überall durchgeführt wird.

15.06.2010, 18:14
Auch bei uns ist das Desinfizieren von Wunden auf Sanitätsdiensten üblich. Grade auf größeren Diensten wie dem an diesem Wochenende anstehenden Kleinfeldhandballturnier werden die meisten Wunden von den Sanitätern aller Ausbildungsstufen auch ohne anwesenden Arzt desinfiziert.

Das Mittel der Wahl ist dafür bei uns Octenisept, das keine nennenswerten Nebenwirkungen und Gegenanzeichen hat.

Bislang hat es damit keinerlei Probleme gegeben.

15.06.2010, 18:19
Mh... wage ich zu bezweifeln. Vielleicht im häuslichen Umfeld (ganz andere Situation) oder auf manchen Sanitätsdiensten; im Rettungsdienst aber habe ich noch nie eine Wunde desinfiziert. Wie denn auch wenn man kein richtiges Wunddesinfektionsmittel hat - und auch keine Notwendigkeit.
Vielleicht sollten sich Sanitätsdienste daran auch mal orientieren. Der normal-gesunde Organismus wird problemlos mit den erwähnten Bagatell-Wunden und den eingedrungenen Keimen fertig werden (wobei "normal-gesund" auch den vollen Impfschutz bedeutet). Sollte die Wunde von einer Art, Form oder Größe sein, dass man nicht mehr davon ausgehen kann, dass der Organismus und dessen Immunsystem damit fertig wird, dann muss der Patient zu einem Arzt.

Das ist zumindest meine Meinung. Ich halte generell nicht viel von zuviel Wunddesinfektion. Wir haben ein tolles Immunsystem und wenn man nicht gerade eine Immunschwäche hat, gerade andere Infekte auskuriert oder sich gegen Impfungen verweigert, dann sollte eigentlich nicht viel passieren. Ich habe meist nur meine Wunden (und ich hatte früher viele *lach*) nur ausgespühlt und verbunden bekommen und ich lebe ja immernoch...
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Alex
"Wer für alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein!"

15.06.2010, 18:31
Ich rede ja auch vom Sanitäts- nicht vom Rettungsdienst ;)

15.06.2010, 18:34
Trotzdem stelle ich die Notwendigkeit in Frage. Ich weiß, dass grad mit Produkten wie Octenisept das Risiko gen Null tendiert, aber ich mag es trotzdem nicht. Wir haben es auch auf unseren Rucksäcken im Sanitätsdienst, aber ich geb es nie raus *lach* Ich muss nicht jede Miniwunde desinfizieren...
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Alex
"Wer für alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein!"

15.06.2010, 18:36
Und wenn sich jetzt gerade diese Wunde entzündet?
Mit einmal sprühen kann man das Risiko zumindest verringern...

15.06.2010, 18:43
Wenn die Wunde sich entzündet habe ich ein deutlich geringeres Risiko Ärger zu bekommen, weil ich ihm Rahmen meiner Maßnahmen gehandelt habe und jedem Patienten sage, dass bei bestimmten Veränderungen er zum Arzt gehen soll. Sprühe ich aber und erwische eben genau den einen Patienten der allergisch reagiert, dann hab ich ein Problem.
Ich behaupte mal, dass es einen Grund gibt, warum auch im RD keine Wunddesinfektion gemacht wird - zumindest in den 6 mir bekannten Rettungsdienstkreisen.
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Alex
"Wer für alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein!"

15.06.2010, 18:51
Zwischen RD und SanDienst (egal ob SSD bzw. SWD) gibt es einen sehr großen Unterschied. Die Kunden des RD werden normalerweise nochmals Kontakt zu einem Arzt haben. Bei vielen Kleinwunden, die man im SanDienst hat ist das nicht der Fall.
Marc, 36 Jahre
Leiter SSD, EH-Ausb.
Ausbildungsstand: Genug um eine recht lange Liste zu produzieren.

15.06.2010, 18:56
Jain... man kann doch jeden Patienten aufklären, dass er einen Arzt aufsuchen soll? Wenn er es nicht macht, ist es sein Problem. Aber nur weil der Patient vermutlich nicht zum Arzt gehen wird, sich selbst zum Arzt befördern? Fraglich, oder? Ansonsten bleib ich dabei: Ich komme besser weg wenn es sich entzündet und ich ne normale Wundversorgung mit Aufklärung und Verweis an den Hausarzt gemacht habe, als wie wenn ich ne Wunddesinfektion durchführe und es gibt Komplikationen.
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Alex
"Wer für alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein!"

15.06.2010, 19:05
Original von SunshineSani
Jain... man kann doch jeden Patienten aufklären, dass er einen Arzt aufsuchen soll?


Kann man machen. Ob diese Aufklärung im SSD irgendeine sinnvolle Wirkung hat mag ich bezweifeln. Zudem dürfte das Gesundheitssystem recht schnell kollabieren wenn jede Kleinstverletzung beim Arzt vorgestellt wird.


Original von SunshineSani
Ansonsten bleib ich dabei: Ich komme besser weg wenn es sich entzündet und ich ne normale Wundversorgung mit Aufklärung und Verweis an den Hausarzt gemacht habe, als wie wenn ich ne Wunddesinfektion durchführe und es gibt Komplikationen.


Man könnte jetzt ersteinmal behaupten man wäre damit auf der rechtssicheren Seite. Dennoch wäre ich da mittelfristig nicht mehr so sicher. Wenn nämlich die HiOrg das als Basismaßnahme für Ersthelfer im Programm haben dürfte es den gleichen HiOrg schwer fallen gegen diese Maßnahme zu votieren, wenn sie als Dienstleister (=SWD) auftreten.
Marc, 36 Jahre
Leiter SSD, EH-Ausb.
Ausbildungsstand: Genug um eine recht lange Liste zu produzieren.

15.06.2010, 22:31
Man könnte sogar noch einen Schritt weiter als SunshineSani gehen:
Wenn ich desinfiziere und die Wunde sich trotzdem entzündet (warum auch immer), dann wird u.U. hinterher der Patient darauf hinweisen, dass die Wunde ja schon vom Sani desinfiziert wurde und er deshalb auch nicht mehr zum Arzt gegangen ist...

Mein persönliches Fazit: Wunddesinfektion im SanDienst bringt keinen Vorteil. Sie wird mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nie zu irgendwelchen ernsthaften Komplikationen führen. Jede rechtliche Rechtfertigung ist juristisch unhaltbarer Quatsch.
Wenn man also desinfiziert, sollte man dann auch zu diesen drei Punkten stehen: Ich mache es, weil der Patient es von mir erwartet und ich nicht doof dastehen will. Rechtlich ist es nicht legal, aber ich gehe einfach davon aus, dass schon nix passieren wird - getreu dem Motto: Wo kein Kläger, da keine Klage...

15.06.2010, 22:36
Original von peit
Rechtlich ist es nicht legal, aber ich gehe einfach davon aus, dass schon nix passieren wird - getreu dem Motto: Wo kein Kläger, da keine Klage...


Was natürlich impliziert, daß die Lehraussagen mindestens zweier deutscher Hilfsorganisationen illegale Maßnahmen beinhalten.

Ist zwar nicht so, daß ich das gänzlich ausschließe, aber....
Marc, 36 Jahre
Leiter SSD, EH-Ausb.
Ausbildungsstand: Genug um eine recht lange Liste zu produzieren.

15.06.2010, 22:44
Ok, dann schränke ich meine Aussage in soweit ein, dass die juristischen Rechtfertigungen die ich bisher gelesen habe, meiner Auffassung nach Blödsinn sind. Mag ja sein, dass die HiOrgs sich auf irgendwelche anderen Gesetzeslücken stützen.
Für wahrscheinlicher halte ich allerdings deinen Schluss - zusammen mit der von mir vorgetragenen Überlegung, dass ziemlich sicher eh nie etwas passieren wird.

16.06.2010, 09:08
Also zumindest die Malteser haben in ihrer Ausbildungsvorschrift einen expliziten Vermerk, dass es sich bei einem Desinfektionsmittel um ein Arzneimittel handelt. Damit ist es rechtlich betrachtet einem Ersthelfer nicht erlaubt eine Wunde zu desinfizieren.
Octenisept(R) sowie Wasserstoffperoxid (3%) werden als Beispiele genannt, die im privaten Gebrauch relativ gefahrlos genutzt werden können, da das Risiko einer allergischen Reaktion absolut minimal ist und diese Mittel den Wundbereich nicht verfärben.

Ich finde es gut, dass den Leuten hier für den Privatgebraucht sinnvolle Alternativen genannt werden. Was die Leute daheim machen, is ihre Sache. Genauso, wie ich nem Freund ja auch ne Kopfschmerztablette abgeben würde, auch wenn ich das nicht darf.


Aber peit hat das grade schon schön geschrieben: Die Kunden erwarten, dass wir das desinfizieren, wenn sie eine Wunde haben!
Ich persönlich schau mir halt die Wunde an und hör mal kurz dem Patienten zu. Dann weiß ich ja, ob der das unbedingt "braucht" oder ob ggf die Wunde sogar stark veschmutzt is (auf Schotter das Knie aufgeschlagen), dann mach ich das auch und wenn beides nicht zutrifft, dann gibts halt so ein Pflaster.
Vor allem, weil wir im SanDienst oftmals nicht die Möglichkeit haben, eine Wunde unter fließendem Wasser zu reinigen. Das ist nämlich auch eine gute alternative.
...meint die Bine
RS, Ausbilderin EH, SanKurs, AED und Praxisanleiterin
Studentin (Bio und Chemie auf Lehramt)

16.06.2010, 09:55
Natürlich gibt es auch Empfehlungen für Arzneimittelgaben durch Nicht-Ärzte, aber halt auch immer auf rein privater Ebene, was halt bei einem (Schul)-Sanitätsdienst nicht der Fall ist. Typisches Beispiel ist z.b. Paracetamol- oder Ibuprofengabe bei einem hoch fiebernden Kind innerhalb von Kinder-EH-Kursen.

Hieraus abzuleiten, dass diese Empfehlungen dann generell gelten, d.h. auch für nicht-Ärztliche Hilfsstellen, ist so nicht umbedingt haltbar.

@ Madhef:
Was natürlich impliziert, daß die Lehraussagen mindestens zweier deutscher Hilfsorganisationen illegale Maßnahmen beinhalten.

In welchem Rahmen bewegt sich diese Aussage? Hilfeleistung durch Laien innerhalb der Familie oder für den Sanitätsdienst? Du schiebst im nächsten Absatz:
Wenn nämlich die HiOrg das als Basismaßnahme für Ersthelfer im Programm haben dürfte es den gleichen HiOrg schwer fallen gegen diese Maßnahme zu votieren, wenn sie als Dienstleister (=SWD) auftreten.

nach und leitest daraus ab, dass eine Maßnahme, die z.B. im EH-kurs für den privaten Rahmen empfohlen wurde, dann auch zwangsläufig und umso mehr für den professionellen Bereich (Sanitätswachdienst) gelten muss. Das ist eben NICHT der Fall - Es wird bei sehr vielen Gesetzen zwischen privat / gewerblich unterschieden - einfach, weil diese beiden Dinge auf völlig unterschiedliche Rechtsgrundlagen geschehen und daher auch andere Ansprüche ect. bestehen.

Daher beantworte doch bitte, in welchem Zusammenhang die erste Aussage getroffen wurde. Ich nehme an, dass es eher so ist, wie Bine geschrieben hat - für private Hilfeleistungen (z.B. innerhalb der Familie) kann man Präparate nennen, häufig wird ja auch danach gefragt und auch eine Aussage erwartet, dieses gilt aber nicht für den Sanitätsdienst.
Denn in diesem Fall (Präparateempfehlung für privaten Gebrauch) wird das Arzneimittel durch eine Apotheke abgegeben, der Anwender muss sich das Mittel ja selbst in der Apotheke besorgen. Im Gegensatz dazu würde die Desinfektion im Sanitätsdienst ja auch eine Abgabe des Arzneimittels durch hierfür nicht berechtigte Personen erfolgen - das Arzneimittelgesetz (AMG § 43) sagt:

(1) Arzneimittel [...] dürfen [...] berufs- oder gewerbsmäßig für den Endverbrauch nur in Apotheken [...]in den Verkehr gebracht werden.

(in den eckigen Klammern habe ich einige Ausnahmen, z.B. Versandapotheken, frei verkäufliche Präparate wie Hustentee im Supermarkt ... entfernt, damit es lesbar bleibt).

Ansosnten kann irgendwer mal Zahlen / Studien ect. nennen, welchen Benefit überhaupt von einer Wunddesinfektion durch einfaches Einsprühen ausgeht?
Ich habe leider nicht wirklich was gefunden - und ich denke, dass die Desinfektion einfach überschätzt wird. wichitger ist sicher die Reinigung von verschmutzten Wunden (fließendes Leitungswasser, ggfl. sterile Infusionslösungen, sofern man nicht über sauberes Leitungswasser verfügt) und im Zweifelsfall die Vorstellung bei einem entsprechenden (D-)Arzt.

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