Auf dem Heimweg [RDH]

Notfallszenarien für Ersthelfer bis Rettungsdienstmitarbeiter.

Foren-Übersicht Erste Hilfe, Rettung und Medizin Fallbeispiele

26.05.2017, 18:16
Wie genau stopfst du die Wunde denn aus? Wenn du mir sagst, wie du den Druckverband machst, kann ich dir sagen, ob er hält ;)

Dein Patient reagiert erst nach lauter Ansprache und ist im allgemeinen sehr ruhig geworden. Du siehst allerdings, dass seine Lippen bläulich sind.
26.05.2017, 19:20
Ok, mit Kompressen könnte das etwas schwierig werden...ich nehme eine Mullbinde und führe "Wound Packing" durch. Dazu mache ich am einen Ende der Binde einen kleinen Ball und stopfe ihn dorthin, wo das Blut rauskommt (also zum verletzten Gefäß). Dann kommt nach und nach immer mehr Mull in die Wunde und so wird sie praktisch komplett ausgefüllt. Das die Mullbinde aus dem EH-Kasten nicht steril ist, ist jetzt in Anbetracht der starken Blutung eher das kleinere Übel.

Wenn die Wunde da liegt wo ich sie mir vorstelle :D, würde ich die Binde, die das Druckpolster fixiert, unter der Achsel durch und über die Schulter führen.

Nachdem die starke Blutung gestillt ist, geht es weiter: Ich schätze den Patienten aufgrund seiner zunehmenden Bewusstseinsstörung als kritisch ein -> Crashrettung. Dazu würde ich vorschlagen, dass Adisch schonmal die Rettungsdecke auf dem Boden ausbreitet und wir den Fahrer dann (so schonend es eben geht) mit dem Rautek-Griff aus dem Auto retten.

@Adisch: Findest du meinen Plan akzeptabel oder hast du eine Idee für eine schonendere Rettung?
27.05.2017, 06:55
Kleine Anmerkung: Adisch ist raus, ist laut eigenen Angaben bis Sonntag nicht mehr da.

Ok, die Wunde ist nun ausgepackt.
So wird der Verband wohl rutschen, aber ich gehe davon aus, dass du im Realeinsatz einmal um den Thorax wickelst (also von Achsel zu Achsel), damit nichts verrutscht ;)

Adisch ist mit dem Halten des Kopfes beschäftigt und sein Handy klingelt immer noch. Da er ja nun nicht mehr verfügbar ist, kannst du ihn dir als gebundenen Kopfhalter vorstellen.
27.05.2017, 09:19
Wenn Adischs Handy immer noch klingelt, schaue ich mal ganz kurz auf das Display: Ist es die Leitstelle? Wenn ja, gehe ich ran.

Dann breite ich die Rettungsdecke auf dem Boden aus und dann wird der Patient aus dem Auto gerettet und auf die Decke abgelegt. Adisch geht jetzt wieder an den Kopf und hält ihn.

Wie ist die Bewusstseinslage jetzt? Ich taste den Radialispuls. Tastbar? Wenn ja, gut oder schlecht? Rhythmisch? Frequenz? Wenn nicht tastbar, wird der Carotispuls getastet.
27.05.2017, 10:40
Auf dem Display siehst du eine unbekannte Rufnummer, aber ja Korrekt, die Leitstelle.
Der Disponent fragt, ob der Patient denn bei Bewusstsein ist. Durch das Schnelle Auflegen deines Kollegen hatte er gar keine Chance zu Wort zu kommen.

Ihr rettet den Patienten via Rautek-Griff aus dem Fahrzeug und legt ihn auf eine Rettungsdecke.
Radialispuls schwach tastbar und rhythmisch bei einer Frequenz von 100/min.
27.05.2017, 11:27
"Der Patient trübt zunehmend ein. Er hat eine stark blutende Wunde. Noch Fragen?"

Reagiert der Patient noch auf Ansprache und Schulterrütteln bzw. Schmerzreiz?

Ist der Mundraum des Patienten frei? Wenn nicht, wird er mit dem Finger ausgeräumt. Hört man schnarchende oder gurgelnde Atemgeräusche? Der Kopf wird überstreckt.

Hat sich die Zyanose verstärkt? Die Atmung wird überprüft (Hören, Sehen, Fühlen). AF? Atemzüge tief genug? Paradoxe Atmung? Trachea mittig? Die Lunge wird beidseitg auskultiert.

Ich warte erstmal diese Antworten ab und dann geht es weiter.
27.05.2017, 12:42
Ok, passt der Disponent sagt dir, dass die Fahrzeuge in etwa zwei Minuten eintreffen.

Der Patient reagiert auf laute Ansprache, wirkt aber eher abwesend und trübt immer mehr ein.

Der Mundraum ist frei und du hörst kein abnormalen Geräusche.

Die Zyanose hat sich verstärkt. Die Atemfrequenz des Patienten beträgt 9/min und das AZV ist soweit
Du stellst keine Paradoxe Atmung fest und auch die Trachea ist mittig.
Bei der Auskultation stellst du rechts ein abgeschwächtes Atemgeräusch fest.
Als du im Bereich des rechten unteren Rippenbogens dein Stethoskop ansetzt wird der Patient kurz wach und äußert ein starkes Schmerzempfinden.
27.05.2017, 13:07
Streng nach Lehrbuch müsste ich bei der AF assistiert beatmen, aber da ich das Mund-zu-Mund machen müsste und der RD in 2 Minuten eintrifft, verzichte ich darauf.

Dann taste ich nacheinander Thorax, Abdomen, Becken und Oberschenkel ab. Thorax stabil? Abdomen hart? Offene Wunden? Danach wird der Patient achsengerecht in die Seitenlage gedreht.

Rekap-Zeit? Pupillen isokor und normalweit? Dann werden Kopf, HWS, Arme und Beine (so gut es in der SSL) geht abgetastet und offene Wunden abgedeckt.

Jetzt wird der Patient noch mit der Rettungsdecke zugedeckt, Bewusstsein, Atmung und Kreislauf bis zum Eintreffen des RDs regelmäßig überprüft und der RR gemessen (hab ja sonst nichts mehr zu tun :))
27.05.2017, 17:36
Bodycheck unauffällig, ein paar Schnittwunden über den Körper verteilt.

Der Patient wurde erfolgreich in die Seitenlage gebracht. Hast du ihn nach links oder nach rechts gedreht?

Rekap >2sec, Pupillen soweit ohne Diagnostiklampe beurteilbar isokor und normalweit.

Während des Bodychecks trifft bereits das Rettungsteam ein. Bevor wir zur Nachbesprechung übergehen, doch noch kurz eine Übergabe bitte, dann sind wir fertig :)
27.05.2017, 18:02
Ich habe ihn nach rechts gedreht, da ich aufgrund der abgeschwächten Atemgeräusche und Schmerzen auf der rechten Seite von einem Thoraxtrauma ausgehe -> Lagerung auf der verletzten Seite.

"Hallo, der Herr ist mit seinem PKW gegen den Baum geprallt und war von Anfang an eingetrübt. An der starke Schulter ist eine stark blutende Wunde, die wir tamponiert und mit einem Druckverband versorgt haben. Sonst keine dramatischen Wunde, nur kleinere Schnittwunden. Wir haben ihn dann wegen seiner zunehmenden Bewusstseinsstörung mit dem Rautek-Griff aus dem Auto geholt und in der SSL gelagert. Puls bei 100 und schwach tastbar, Rekap-Zeit >2 sec, wahrscheinlich Schock. Abgeschwächte Atemgeräusche und Schmerzempfindlichkeit an der rechten Thoraxhälfte, V.a. Pneumothorax. Noch Fragen?
27.05.2017, 18:27
Das hört sich doch gut an :D

Ich würde sagen wir gehen dann hier zur Diskussion über.
Zuerst deine/eure Sicht, dann melde ich mich wieder zu Wort ;)
27.05.2017, 19:17
Aaaalso:
Eventuell hätte ich den Notruf schon vom meinem Auto aus machen lassen können, aber ich wollte trotzdem zuerst mal sehen, ob es denn überhaupt dramatische Verletzungen gab. Als ich dann den Patienten gesehen habe, hab ich den Notruf fast vergessen, zum Glück hat Adisch da eingegriffen :;.

Bei der Versorgung der Wunde war ich mir nicht ganz sicher, wie ich sie versorgen könnte und wollte sie ja Anfang mit Kompressen ausstopfen :) Dann bin ich aber noch darauf gekommen, dass das nicht wirklich gut funktioniert und habe, ungeachtet dass diese nicht steril ist, eine Mullbinde genommen. Gut, der Druckverband war auch ein bisschen komisch geschrieben :D, aber ich glaube das lag daran, dass ich andere Vorstellungen hatte wo die Wunde liegt.

Zur Crashrettung habe ich mich dann wegen der zunehmenden Bewusstseinsstörung entschieden. Hättet ihr das anders gemacht? Ich habe die Versorgung der starken Blutung noch im Auto gemacht, da dass nicht warten konnte, bis der Patient aus dem Fahrzeug gerettet wurde.

Ich denke, dass meine Maßnahmen danach korrekt waren. Ach ja, die Zyanose habe ich in der Übergabe vergessen :)

Alles in Allem fand ich meine versorgen in Ordnung. Vielleicht hätte ich eine kleine Anamnese erheben können, solange der Mann noch einigermaßen bei Bewusstsein war, aber scheinbar war da nicht mehr viel aus ihm heraus zu kriegen :)

Das Fallbeispiel war auf jeden Fall spannend und es war interessant, mal wieder ohne Pulsoxymeter, Absaugpumpe und Sauerstoff zu arbeiten.
28.05.2017, 10:37
Ich persönlich fand du hast sehr strukturiert gearbeitet und sauber angeschafft, was dein Kollege zu machen hat.
Der Notruf hätte etwas früher kommen können, aber ich hätte im Realeinsatz erst geschaut, wie schwer der Patient verletzt ist.

Dein Gedankengang war sehr gut und auch das worauf ich hinauswollte, aber wie du schon sagst, es wär zwar mit Kompressen gegangen, aber wohl eher schwieriger. Du hättest hier zum Beispiel ein Verbandpäckchen verwenden können, dieses wäre steril gewesen ;) aber im Endeffekt nicht dramatisch schlimm.
Das ist natürlich schriftlich immer etwas schwierig zu schreiben wie man eine Wunde versorgt, wenn man sie nicht wirklich sieht. Im Realfall ist das immer etwas einfacher!

Die Crashrettung hätte ich vermutlich bei der Verschlechterung auch gemacht. Hier kann man sich darüber streiten, ob das nötig war und vor allem war es ja nicht Patientenschonend. Aber wie immer gilt der Grundsatz "Treat first, what kills first" und wenn die starke Blutung gestoppt ist, kommt als nächstes die starke Zyanose. Ich hätte es auch so gemacht.

Danach fand ich alles sehr schön gelöst.

Die Zyanose war wie du sagtest auf Grund eines Pneumothorax. An sich für deine Behandlung gab es da nur eine Konsequenz, die Lagerung auf der Verletzten Seite, das Pneumothorax geschlossen. Für dich also eher als Falle o.ä. eingebaut :D

Von dem Mann hättest du nichts mehr herausgekriegt, weil er u.a. komplett apathisch war.

Vielen Dank fürs Bearbeiten, das hast du sehr schön gemacht. Respekt auch, dass du als San weiß wann und wie Woundpacking funktioniert und, dass ein abgeschwächtes Atemgeräusch auf einen Pneumothorax hindeuten kann.
Von deinem Kollegen fand ich es etwas unverständlich, warum man sich für ein FB meldet, wenn man weiß, dass man die nächsten Tage nicht da ist :baby:

Insofern, jetzt freigegeben für die allgemeine Diskussion.
29.05.2017, 20:13
Eine kurze Frage: Warum war im Beipiel die Atemfrequenz so niedrig?
30.05.2017, 11:54
Hallo Maxi, bei diesem FB war die Bradypnoe das Zusammenspiel von vielem.
Zum einen hatte der Patient auf Grund des Pneumothorax eine massive Zyanose entwickelt. Hier kann es passieren, wenn die Zyanose sehr stark ist, dass die Atmung verlangsamt wird.
Auch hatte der Patient ein Schädel-Hirn-Trauma (dieses sollte jetzt in diesem FB primär nicht die Große Rolle spielen) und als Resultat dessen auch eine verlangsamte Atmung.
Hier zu erschließen, woher die Bradxpnoe tatsächlich kommt ist sehr schwer und, das hätte/habe ich auch nicht verlangt. Aber trotzdem eine gute Frage ;)

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