Klamotten aufschneiden?

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03.12.2013, 21:36
Hallo, ist es erlaubt, zB bei einer Schürfwunde unter der Hose. ein loch in die Hose zu schneiden um die wunde Adäquat zu versorgen? Selbstverständlich mit Einwilligung des Pat.. Aber ich mein Grundsätzlich ..?

03.12.2013, 21:49
Wenn du die Einwilligung des Patienten hast und dieser 18 ist, darfst du ihm auch die klamotten in Fetzen schneiden, sie gehören ihm ja schließlich.

Außerdem wird bei den meisten Verletzungen die Hose an der betreffenen Stelle sowieso kaputt sein, sodass es auch bei Patienten unter 18 (selbstverständlich wieder mit Einverständnis) nicht so schlimm sein sollte.

MfG Knallroter Partybus

03.12.2013, 23:58
Man sollte die Verhältnismäßigkeit wahren.

Bei 'ner Schürfwunde kann er auch die Hose runter ziehen, da muss doch keiner schneiden. Manchmal muss ich mich echt wundern.
Gerrit (RettAss)
"Wir sind längst im Paradies, haben die Hölle draus gemacht!" --- ASP, Ich bin ein wahrer Satan
ASP - Sage Nein!

04.12.2013, 20:17
GeKue hats ganz gut ausgedrückt.
Klar wenn der Patient sagt, dass es ok ist kann man es machen.
Ich hatte schon mal so einen Fall gehabt und da war es die beste Lösung die Hose auszuziehen. Die Patientin hatte auch nix dagegen. Außerdem reicht es normalerweise nicht nur ein Loch in die Hose zuschneiden. Wenn schon muss das ganze Hosenbein aufgeschnitten werden.

05.12.2013, 22:39
"Man kann ja auch zum Äußersten schreiten und den Patienten fragen." Zitat einer Krankenschwester.

06.12.2013, 11:39
Ach Gott, Max, ey. Das ist ja wohl eklig. Nachher schlägst Du noch vor, man sollte den Patienten auch noch untersuchen und anfassen (!) - igitt. Sowas fangen wir besser garnicht erst an, wenn das erstmal einreisst, werden wir das nicht wieder los. :(

Da schüttelt's mich ja schon beim Gedanken daran.
Gerrit (RettAss)
"Wir sind längst im Paradies, haben die Hölle draus gemacht!" --- ASP, Ich bin ein wahrer Satan
ASP - Sage Nein!

06.12.2013, 11:52
Was sind Patienten?

Ich kenne nur Stinket und Hohlbirnen.
" Die jungen Leute von heute sind wesentlich angenehmer als in den 60er, 70er und 80er Jahren. Sie sind toleranter und respektvoller, auch älteren Leuten gegenüber. "
- Heino

31.01.2014, 14:04
Um das mal etwas allgemeiner zu beantworten, relevant ist das ganze unter zwei Gesichtspunkten:

1) Zivilrecht, Schadensersatz
Macht man jemandem widerrechtlich etwas kaputt, kann das Schadensersatzansprüche auslösen (siehe § 823 BGB).

2) Strafrecht, Sachbeschädigung
Macht man jemandem rechtswidrig etwas kaputt, kann das strafbar sein (siehe § 303 StGB).

In beiden Fällen ist ein Recht eines anderen verletzt, hier das Eigentum. Die Betonung liegt jeweils bei der Rechtswidrigkeit/Widerrechtlichkeit. Beides ist letztendlich dasselbe.

BGB und StGB sehen jeweils aber Rechtfertigungsgründe vor, § 34 StGB und § 228 BGB.

Vereinfacht gesagt steht da -wenn auch jeweils in etwas anderen Worten- drin, daß so eine Handlung (Zerschneiden von Klamotten) dann nicht rechtswidrig ist, wenn sie

1.) notwendig ist, um eine Gefahr von jemandem abzuwenden

UND

2.) der Schaden nicht grob außer Verhältnis zum erzielten Erfolg steht.

Und beides kann einem keiner vorher genau sagen, man muß im Einzelfall entsprechend abwägen. Dazu muß man weder Jura noch Medizin studiert haben, sondern man wendet einfach den (hoffentlich vorhandenen) gesunden Menschenverstand an. Wie so oft im Leben eine ausgezeichnete Maßnahme.

Man sieht sich einfach die drohende Gefahr an (den entsprechenden Sachverstand habt Ihr ja, sonst wärt Ihr keine Sanitäter), wenn die Klamotten nicht zerschnitten werden, und den drohenden Schaden durch zerschneiden der Klamotten.

Ganz einfaches Hilfsmittel: wäre ich selbst verletzt, was würde ich in dem Moment denken, wenn mir einer die Hose zerschneidet, um mir zu helfen? Wäre ich froh drum, zum Teufel mit der Hose, Hauptsache mein Bein wird sofort versorgt, oder würde ich mich ärgern, wenn mir einer wegen so einem Kinkerlitzchen die schöne Hose zerschneidet? Dann wird man fast nie verkehrt liegen, und mehr wird auch ein Richter nicht von einem Sanitäter erwarten. Also keine Angst vor der zu treffenden Entscheidung.

Zur Verdeutlichung noch zwei Extrem-Beispiele:

- Finger aus Versehen in einer Schublade eingeklemmt, Handschuh zerschnitten, den man genausogut einfach hätte ausziehen können -> rechtswidrig

- Bewußtloser Rollerfahrer nach Sturz, Verdacht auf Pneumothorax, Jeansjacke zerschnitten -> nicht rechtswidrig

Was übrigens bereits von vorneherein die Rechtswidrigkeit ausschließt, ist -wie bereits genannt- die Erlaubnis des Verletzten ("Darf ich?" - "Ja."). Dann kommt es auf die obigen Überlegungen gar nicht mehr an.
Bevor man darum bittet, sollte man trotzdem kurz über die beiden obigen Punkte nachdenken. Der Verletzte könnte ja schließlich unter Schock oder Alkoholeinfluß stehen und gar nicht zu klarem Denken fähig sein. Dann kann er auch nicht wirksam eine Erlaubnis erteilen, und es kommt unter Umständen auf seinen mutmaßlichen Willen an (was würde er wohl entscheiden, wenn er alles klar überblicken könnte?).
Einfaches Hilfsmittel, gesunder Menschenverstand: Wie wollte ich selbst es haben, wenn ich verletzt wäre? - siehe oben.

Vorsichtig aber sollte man sein, wenn der Verletzte selbst ablehnt oder sich widersetzt - das sollte man außer in ganz extremen Fällen nicht übergehen oder gar Gewalt anwenden. Im Zweifel (Ihr könnt es Euch sicher schon denken... gesunder Menschenverstand, siehe oben) überlaßt Ihr die Entscheidung dann eben den Profis, dem Rettungsdienst.

Man sehe mir die sehr vereinfachte rechtliche Darstellung zwecks Veranschaulichung nach.
04.08.2015, 12:43
Mir wurde es so bei gebracht wenns nötig ist zum Beispiel Roller Unfall.

Als 1. gibt es die Einwilligung.Der Patient ist Wach und Orientiert und willig es ein nachdem man es erklärt hat warum es nötig ist dies zu machen.Willigt er nicht ein,dann mach ich es auch nicht!

Als 2. gibt es die mutmaßlige Einwilligung.Der Patient ist Bewusstlos.Beispiel:
Ein Rollerfahrer erleidet bei einem Unfall schwere innere Verletzungen. Der Notarzt nimmt am Unfallort die erforderliche Notoperation vor, um dem Rollerfahrer das Leben zu retten. Der Rollerfahrer kann aufgrund seiner Bewusstlosigkeit keine Einwilligung erteilen.

Als 3.gibt es den § 34 Rechtfertigender Notstand.
Wer in einer gegenwärtigen nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre und Eigentumeine Tat begeht, um
die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat einangemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden

Liebe Grüße Finn
04.08.2015, 20:28
Finn-112 hat geschrieben:Der Notarzt nimmt am Unfallort die erforderliche Notoperation vor, um dem Rollerfahrer das Leben zu retten. Der Rollerfahrer kann aufgrund seiner Bewusstlosigkeit keine Einwilligung erteilen.

Eine recht flache Antwort für einen Rettungssanitäter. In welcher Welt nimmt denn ein Notarzt eine Notoperation an der Einsatzstelle vor? Selbst eine Thoraxdrainage wird hier nicht mehr gerne präklinisch vorgenommen.

LG Andreas
05.08.2015, 09:28
andreas hat geschrieben:In welcher Welt nimmt denn ein Notarzt eine Notoperation an der Einsatzstelle vor? Selbst eine Thoraxdrainage wird hier nicht mehr gerne präklinisch vorgenommen.


Dann sind die Notärzte in NRW nicht ausreichend ausgebildet.
Ein Blick in die Polytrauma-Leitlinien zeigt doch:

"Ein klinisch vermuteter Spannungspneumothorax soll umgehend dekomprimiert werden."

"Ein durch Auskultationsbefund diagnostizierter Pneumothorax sollte bei Patienten, die mit Überdruck beatmet werden, dekomprimiert werden."

"Die Entlastung eines Spannungspneumothorax sollte durch eine Nadeldekompression, gefolgt von einer chirurgischen Eröffnung des Pleuraspaltes mit oder ohne Thoraxdrainage, erfolgen."

"Ein Pneumothorax sollte – sofern die Indikation besteht – durch eine Thoraxdrainage behandelt werden."


Wohlgemerkt unter Kapitel "Präklinik".
Somit sollte eine Thoraxdrainage kein SO seltenes Ereignis sein. Mein Rekord sind 3 in einer Woche. ;)
05.08.2015, 09:40
Nur weil das nicht gerne gemacht wird, heist es nicht, dass es nicht passiert. Und es gibt durchaus klare Indikationen dafür. Wenn ein NA das nicht kann, darf er nicht fahren.

Nr. 2: Hier greift die sog. Geschäftsführung ohne Auftrag.


EDIT: DON war schneller. :drinks:
05.08.2015, 22:29
Es ging mir mehr um die von Finn-112 genannte Notoperation. Unter "Notoperation" verstehe ich, seit meinem Klinikpraktikum, eine Operation, die von der Dringlichkeit nicht aufgeschoben werden kann, um das Leben des Patienten zu schützen. Daher fiel mir die Thoraxdrainage ein, die ja ein operativer Eingriff ist und somit noch zur genannten "Notoperation" zählen mag.
Bei meiner Ausbildung hat ein Teilnehmer nach der Assistenz beim Legen einer Thoraxdrainage gefragt. Der Dozent verwies darauf, dass dies für einen RH eher weniger wichtig ist, da, wenn es dazu kommt, genügend Personal vor Ort sein sollte, das sich damit auskennt und dem NA adäquat assistieren kann. Trotzdem gab der Dozent einen kurzen Überblick über die Maßnahme, mit der Anmerkung, dass eine Thoraxdrainage "auf der Straße" selten geworden ist und in der Regel durch den NA nur eine Entlastungspunktion mit einer großlumigen Venenverweilkanüle vorgenommen wird, nachfolgend ein möglichst rascher Transport in die Klinik.
Soweit mein Wissensstand.

Zu der Notoperation an der Einsatzstelle kann man mich gerne eines Besseren belehren!
Und vielleicht kennt ja jemand tatsächlich Notärzte, die auch vor Ort operieren.

LG Andreas
06.08.2015, 08:21
Es ist jetzt eigentlich nicht zielführend, den Begriff "Notoperation" bis ins Kleinste zu zerlegen. Es kommt schon mal vor, dass man vor Ort eine Amputation durchführen muss, und wenn sich die Daten aus London durchsetzten, werden wir vielleicht in ein paar Jahren routinemäßig eine offene Herzmassage beim Traumapatienten machen. Aber noch ist das Zukunftsmusik.

In der Tat war man mal der Meinung, dass eine Entlastungspunktion beim Spannungspneumothorax ausreichend ist. Allerdings hat sich gezeigt, dass der Pleuraraum oft nicht zu erreichen ist und dass die Venenverweilkanüle sehr oft verstopft, weil beim Traumapatienten am ehesten eine Kombination aus Pneu- und Hämatothorax vorliegt. Daher auch die Empfehlung oben. Wahrscheinlich wird in den kommenden Leitlinien die Entlastungspunktion komplett rausfallen.

Ein Problem ist nur - wenn man mal ganz ehrlich ist - dass eine echte Anlage von Thoraxdrainagen extrem schwer zu schulen ist. Nicht weil die Anlage so schwer wäre, sondern weil es in einer Feld-Wald-und-Wiesenklinik in Hinterpusemuckel nicht genug Eingriffe gibt, um Notärzte in ausreichender Anzahl zu schulen. Also ist es zulässig, diesen Eingriff für die Zusatzbezeichnung Notfallmedizin rein am "Simulator" zu üben. Das nimmt einem aber leider nicht Hemmung, am Notfallort in einen Menschen reinzuschneiden. Daher haben die meisten Notärzte zwar ihre Pflicht-Simulatordrainagen, aber noch keine echten Eingriffe. Daraus resultiert eine gewisse Zurückhaltung, die aber eben manchmal nicht leitliniengerecht ist.

Assistenz ist eigentlich nicht notwendig. Du musst wissen, wo das Set ist und der Arzt braucht noch sterile Handschuhe und Desinfektionsmittel. Alles andere geht allein.
07.08.2015, 09:44
Abgesehen davon, das einige Helis in England die Thorakotomie durchführen, (und London mit 18% Erfolgsquote bis KH Entlassung das Ganze als sinnvoll erscheinen lässt).

Um Don zu ergänzen: spätestens wenn der Patient beatmet wird, wird man um eine Thoraxdrainage nicht drum rum kommen. Das es selten wurde kann ich nicht behaupten.



"Daraus resultiert eine gewisse Zurückhaltung, die aber eben manchmal nicht leitliniengerecht ist. "
Ich möchte einen Schritt weiter gehen: Manchmal schadet diese Zurückhaltung, manchmal tötet Sie.

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