Atemnot in der Turnhalle (EH/SAN, bei Interesse RD)

Notfallszenarien für Ersthelfer bis Rettungsdienstmitarbeiter.

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12.02.2015, 21:20
Dann schlag ich vor, dass wir den Kerl einladen und uns mal mit Voranmeldung in Sonderblau in Richtung Kinderklinik begeben. Den Notarzt treffen wir dann auf dem Weg :)
12.02.2015, 22:05
Okay.. Dann bedanken wir uns aus Sicht des Patienten doch mal brav bei allen, und starten mit der lustigen Feedback-Runde :implic:
12.02.2015, 22:41
OK, dann mache ich mal den Anfang, auch wenn es mir immer schwer fällt, Eigenkritik zu üben.

Was mir aufgefallen ist, dass ich vergessen habe, nach weiteren Symptomen zu fragen. Ich habe mich zu sehr auf die Atemnot versteift, weitere Symptome wie bspw. ein Stechen in der Brust (in dem Alter zwar eher unwahrscheinlich) wären untergegangen. (vgl. SAMPLE-Schema; hierbei habe ich auch vergessen, nach der letzten Mahlzeit etc. zu fragen, allerdings hätte dies für mich einzig und allein die Relevanz der Hypoglykämie gehabt, die ich aber durch die BZ-Messung ausschließen konnte und nicht wirklich zu einer Atemnot passt oder eine Nachfrage, ob er Soja konsumiert hat, wobei mir da ein Flush/Quaddeln gefehlt hat.)

Ferner kann man natürlich darüber streiten, ob man den Patienten nun mit 8 Liter Sauerstoff pro Minute über Maske versorgen muss oder ob nicht 4-6l/min über Brille reichen. Mir persönlich war die Sauerstoffsättigung aber zu gering, sodass ich mich für 8 Liter pro Minute entschieden habe.

Ein Fehler war, dass ich mir das Asthmaspray nicht angeschaut habe - eventuell ist es ja leer oder abgelaufen. Desweiteren: zwar hat der Patient dies lt. seinen eigenen Angaben öfters, vielleicht hat er es aber falsch eingenommen. Wie seht ihr das? Hättet ihr es den Patienten erneut einnehmen lassen oder - so wie ich im FB handeln - und denken "Hm, 6x hat es nicht gewirkt, also beim 7x auch nicht?"

Weiters war ich mir ob der Verdachtsdiagnose "Asthma" teilweise unsicher, besonders weil das mit dem Asthmaspray nicht funktioniert hat; allerdings konnte ich es mir anders nicht erklären (kein Flush/Quaddeln, wobei ich S fast komplett vergessen habe, d.h. bspw. Übelkeit wäre auch untergegangen)

Klar, der RD hätte den BZ auch aus der Nadel bestimmt... aber der kleine Pieks wird verkraftbar gewesen sein. :)

Ansonsten war ich persönlich mit der Versorgung relativ zufrieden (von dem kleinen Fehler mit dem Wärmeerhalt mal abgesehen) und war froh, dass der Vater erreichbar war :D

Joa, das wars im Großen und Ganzen ;)

Eine Frage habe ich an euch: während der letzten RTW-Schicht haben sich Tag- und Nachtdienst über die Behandlung von Asthmaanfällen mit Morphin unterhalten. Wie seht ihr das? Welche Wirkung erhofft man sich? Nur die "beruhigende"? Immerhin macht Morphin ja auch atemdepressiv...
13.02.2015, 00:39
Merci.

Ich fand die Versorgung seitens des SSD auch solide, davon hat der Patient profitiert. Ich würde - wie du ja bereits erwähnt hast - die Anamnese etwas gründlicher halten, beispielsweise kann man sich da ja mit dem SAMPLE-Schema helfen. Ich hätte den Patienten noch fix abgehört, auch wenn das (vor allem bei einem jungen Menschen) ja schon deutlich in Richtung Asthma ging - dennoch einen Spontanpneu oder ähnliches nicht übersehen:). Je nach Patientenschulung hätte ich ihn zur Lippenbremse aufgefordert oder ihm das erklärt, Zeit war ja (und diese ohne Finger-Angepuste:)). Den BZ kann man messen, ich halte es seitens des SSD / Sandienstes hier nicht für nötig.

Gut fand ich, dass durch die umfangreichen Infos des Vaters keine Panik oder Verwirrung entstanden ist. Diese aber nach Möglichkeit auch konsequent an den RD weitergeben! VSD..:)?

Zu deinen Fragen:
- Ob man ihm nun 6l über die Nase pfeifen lässt oder 8l über eine Maske gibt, hat für mich im Rahmen der Basisversorgung keine Relevanz. Der Patient bekommt so viel Sauerstoff, wie er eben braucht - und auch wirklich einatmen kann.

- Das Spray hätte ich mir auf jeden Fall angeschaut, auch um sicher den Wirkstoff (oder zumindest die Wirkstoffklasse) zu wissen. Auch wenn es abgelaufen wäre würde ich noch von einer (evtl. gering reduzierten) Wirkung ausgehen. Wenn er nun aber akut schon 6x gesprüht hat würde ich es mit dem Spray belassen. Ansonsten würde ich den Patienten bitten, es zu nehmen. Dann sieht man bei chronischen Erkrankungen häufig schon, wie selbstständig der Patient das Ganze im Griff hat und seine Hilfsmittel (Spray, Pen, Messgeräte...) beherrscht.

- Asthma (besser die akute Obstruktion im Rahmen eines Anfalls) kann schon mal - vor allem im satten Anfall - trotz Spray bestehen bleiben. Anders als bei der Hypoglykämie (<== Beispiel!) ist eine fehlende Besserung da kein Ausschlusskriterium.

- Wenn er Zeichen einer Anaphylaxie gezeigt hätte (Flush, Rötung), kann diese ja auch gut mit Asthma-ähnlichen Symptomen einhergehen.



Morphin kann man "überlegen", den Asthmaanfall unseres Patienten hätte ich erst mal mit anderen Eskalationsschritten angegangen.

Wünschenswerte Effekte des Morphins sind eine Sedierung und Anxiolyse - der Patient ist also ein wenig entspannter und ruhiger - und eine moderate (!) Dämpfung des Atemantriebs. Manche Patienten mit Atemnot sind mit der Sättigung und dem CO2 noch in tolerablen Bereichen, und profitieren von einem etwas reduzierten AMV. Beim schweren Asthmaanfall spielen bekanntlich relativ rasch neben der reinen obstruktiven Atemwegsverlegung auch intrazelluläre und im weiteren Verlauf systemische Veränderung der Laborparameter eine Rolle (Stichwort: anaerobe Glykolyse der Atemmuskulatur, intrazell. Azidose, ...).

Mit Kenntnis der Wirkweise von Morphin (hat im Übrigen auch ein geringes allerg. Potential) kann es in der Hand des Erfahrenen dem Patienten gute Dienste tun und scheint recht angenehm. Ein adäquates Monitoring sollte man dafür aber definitiv dabei haben, und häufig geht's auch deutlich schneller und leichter...
Allgemein gibt es aber viele Aspekte, die für (ein wenig) Morphin bei einigen Formen der Atemnot sprechen. Das Risiko der Atemdepression halte ich, sofern die Dosis an den Pat. angepasst ist, für gering. Man ist ja dabei:)
13.02.2015, 07:33
leuchtreklamefahrer hat geschrieben:Wünschenswerte Effekte des Morphins sind eine Sedierung und Anxiolyse - der Patient ist also ein wenig entspannter und ruhiger - und eine moderate (!) Dämpfung des Atemantriebs.


Der wünschenswerte Effekt des Morphins ist eine Reduzierung der subjektiv empfundenen Atemnot durch Senkung des Atemantriebs. Dies ist ein gängiger Therapieansatz bei eigentlich allen Formen der Dyspnoe, wenn die Sättigung noch ok ist. Aber wie Du schon gesagt hast: Das CO2 wird darunter weiter ansteigen und man muss aufpassen, dass man den Atemantrieb nicht zu sehr senkt.

Eine Alternative wäre übrigens Ketamin-Razemat, welches dann auch noch direkt die Bronchien erweitert.
13.02.2015, 16:00
Ich finde nicht, dass man mit diesem Jungen sofort los muss. Wenn es geht wäre ich in den RTW "geflüchtet", aber einem NA zufahren ist IMHO nicht nötig bei der Situation. Salbutamol mit viel Wasser verdünnen lese ich immer wieder, gibt es dafür Quellen die das unterstützen? Ich wäre bei der guten Sättigung mit 3mg pur ( = 5ml Flüssigkeit bei uns) rangegangen. Auch schon vor der Nadel glaub ich, aber da laufen in echt ja viele Sachen parallel.

Einen NA hätte ich nicht nachgefordert, je nach Klinik des Patienten auch abbestellt. Kommt aber auch sehr auf Lokalität usw an, kann man sicherlich nicht allgemeingültig empfehlen.

Interessant wäre für mich: Wenn das Ganze sich deutlich verschlimmert, und die Eskalation auch mit Atropin usw. nicht zum Erfolg führt, dann komme ich zum CPAP (+ ASB). Würde sich hier, durch einen erhöhten intrathorakalem Druck der Herzfehler als Problem rausstellen?
Wie würdest du LRF, und du Don, das einschätzen?
13.02.2015, 16:21
M1k3 hat geschrieben:Ich finde nicht, dass man mit diesem Jungen sofort los muss. Wenn es geht wäre ich in den RTW "geflüchtet", aber einem NA zufahren ist IMHO nicht nötig bei der Situation. Salbutamol mit viel Wasser verdünnen lese ich immer wieder, gibt es dafür Quellen die das unterstützen? Ich wäre bei der guten Sättigung mit 3mg pur ( = 5ml Flüssigkeit bei uns) rangegangen. Auch schon vor der Nadel glaub ich, aber da laufen in echt ja viele Sachen parallel.

Einen NA hätte ich nicht nachgefordert, je nach Klinik des Patienten auch abbestellt. Kommt aber auch sehr auf Lokalität usw an, kann man sicherlich nicht allgemeingültig empfehlen.


Die Idee hinter dem sofort los war, dass ich ohne Arzt (als RS) nicht viel mehr für den Patienten tun kann. Ich bin wohl noch etwas zu sehr im "Schuldenken" drin, bei dem vor jeder Notkompetenzmaßnahme n Notarzt nachgefordert und Zugang gelegt werden muss :)

Das mit der Verdünnung hat man mir sowohl in der Schule alsauch auf m RTW so gezeigt, allerdings kann ich dir leider keine wissenschaftlich valide Quelle nennen.
13.02.2015, 17:11
Sam112 hat geschrieben:Die Idee hinter dem sofort los war, dass ich ohne Arzt (als RS) nicht viel mehr für den Patienten tun kann. Ich bin wohl noch etwas zu sehr im "Schuldenken" drin, bei dem vor jeder Notkompetenzmaßnahme n Notarzt nachgefordert und Zugang gelegt werden muss :)

Das mit der Verdünnung hat man mir sowohl in der Schule alsauch auf m RTW so gezeigt, allerdings kann ich dir leider keine wissenschaftlich valide Quelle nennen.


Als RS gilt die Empfehlung der BÄK zur Notkompetenz sowieso nicht. Von "immer eine Nadel legen" steht da auch nix drin.
Auf einen NA warten, oder diesen Nachbestellen, ist keinesfalls falsch. Nur die Notwendigkeit, ihm entgegen zu fahren sehe ich nicht. Kritisch ist der Junge ja nicht. :)

Aber als Falsch würde ich keine Maßnahme von dir Bezeichnen! :good:





NK der BÄK:
http://www.bundesaerztekammer.de/page.a ... .7.47.3222
http://www.bundesaerztekammer.de/page.a ... .7.47.5948
13.02.2015, 19:29
Das Verdünnen des Salbutamols hat eher einen technischen Hintergrund: In RD und Klinik hat man häufig Fertiginhalat in Mini-Plascos (1,25/2,5mg in 2,5ml), das geht theoretisch direkt. Manchmal findet man auch Glasfläschchen mit einer Pipette (1 Tropfen 0,25mg). Zehn Tropfen lassen sich technisch schlecht vernebeln, und sind auch schneller "weg" als der Patient diese effektiv einatmen kann. Deswegen hier ein bisschen Wasser mit dazu, dann lässt sich das bei einem Sauerstoffflow von 6-8l/min gut handhaben.

Ich würde bei diesem Patient in aller Ruhe in Richtung RTW gehen und langsam losdüsen, das Salbutamol darf schon kurz brauchen, parallel dazu noch etwas Ipatropiumbromid in den Vernebler.

Wenn das nicht hilft braucht er einen Zugang, ordentlich Flüssigkeit und ggf. eine antiallergische Therapie (75-85% der Asthmapat. haben eine allerg. Komponente). Weiterhin kann man Magnesium und Morphin/ Ketamin versuchen. Wenn er auf das Ketamin arg speichelt würde ich bei akzeptabler HF über Atropin nachdenken, sonst eher nicht.

Als weitere Eskalation NIV / invasive Beatmung, was aber nicht anzustreben wäre und auch eher rar ist.

Bei einem Jungen, der einen guten Blutduck hat und seit Jahren ohne Zyanose am Sportunterricht teilnimmt hätte ich auch bei höheren pulmonalarteriellen Drücken ( hat er durchs Asthma ja auch schon) wenig Angst vor einer Shuntumkehr. Um einen Li-Re-Shunt in einen Re-Li-Shunt im Bereich eines VSD umzukehren braucht man eher unphysiologische Drücke..;)
13.02.2015, 19:42
Übersetzt und nur in extrema: ein PEEP von 8 und ne ASB von 8 sind umphysiologisch. (kleinlich: fast jeder PEEP ist umphysiologisch ;) ).

Der Rest ist bekannt, bei der "undramatik" hätte ich sogar auf irpatropium verzichtet.

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