Verletzung an der Wirbelsäule

Hier kann über alle Maßnahmen von der Ersten Hilfe bis zur klinischen Behandlung diskutiert werden.

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22.04.2014, 18:14
@Maxi: danke für deine schnelle Antwort!

Ich persönlich verzweifel leider immer mit der Vakuummatratze, weil ich finde, dass der Patient bei einer plötzlichen Änderung (z.B. der Vitalfunktionen) nicht mehr richtig "behandelt" werden kann. Ich meine, es ist z.B. schwerer einen Zugang zu legen oder zu intubieren...oder man müsste dann wieder die Luft(?) rauslassen um an Arme und Kopf richtig ran zu kommen.
und mir fällt gerade ein: problematisch ist es dann doch auch mit der Pulsoxymetrie, RR usw.. (bzw. was genau zeigt ein EKG für Werte denn an?)

22.04.2014, 18:21
Eine VM stellt grundsätzlich kein Problem dar für alle angesprochenen Punkte.

Arme richtig lagern, Zugänge vorher legen, usw.

Es ist auch nicht schwerer zu intubieren als auf dem Spineboard. Und ja, zur Not muss man eben Luft rein lassen kurz- das habe ich aber noch nicht erlebt.
" Die jungen Leute von heute sind wesentlich angenehmer als in den 60er, 70er und 80er Jahren. Sie sind toleranter und respektvoller, auch älteren Leuten gegenüber. "
- Heino
22.04.2014, 18:23
Original von RotesKreuz
Hallo zusammen,
nachdem ich schon viele Versionen gehört habe, würde es mich mal interessieren, wie ihr mit der Immobilisierung eines Traumapatienten vorgeht. Bietet sich eher das Spineboard an oder die Vakuummatratze? (Ausgang: Polytrauma, SHT)

Danke schonmal,
viele Grüße


Jedes System hat in meinen Augen vor- und Nachteile.

Die Vakuummatratze verkürzt sich durch das Zusammenziehen der Polystyrol-Kügelchen im Inneren beim Absaugen je nach Modell tw. doch deutlich, so dass theoretisch Knochenenen aufeinander reiben könnten. Gerade bei Brüchen im Bereich der Wirbelsäule (Gefahr der Einklemmung von Nerven/Rückenmark) kann dies ein gravierender Nachteil sein, den Fans der Spineboards gerne als Begründung für die Ablehnung der klassischen Kombo Schaufeltrage/Vakuummatratze heranziehen. Auch ist die Anwendung relativ zeitintensiv und fehleranfällig.

Neueren Studien zufolge haben Spineboards aber ein anderes Problem: Gerade lebensbedrohlich verletzte Schockpatienten haben nur einen sehr niedrigen Blutdruck mit entsprechend schlechter Durchblutung der Organe und Gewebe. Liegen diese Patienten nun längere Zeit auf einem (ungepolstertem) Spineboard, so kommt es durch die schlechte Durchblutung der Haut zu Druckgeschwüren, also zusätzlichen Schädigungen an den Stellen, an denen der Patient direkt auf dem Board aufliegt. Das abgestorbene Gewebe kann theoretisch zu weiteren Komplikationen bei den kritischen Patienten im Rahmen der Intensivtherapie führen (Sepsis). Die Verwendung des Spineboards bei polytraumatisierten ging mit einer minimalen Erhöhung der Sterblichkeitsrate einher.
Auch muss man bei der Verwendung des Spineboard bedenken, dass evtl. nicht immer ausreichend Helfer zur Verfügung stehen, um die sachgerechte Anwendung zu gewährleisten (es werden mind. drei, besser vier Helfer benötigt, bei ST/VM genügen zwei). Auch ist das korrekte Verzurren des Patienten auf dem Board wahrscheinlich ebenso zeitaufwändig wie die Anwendung von ST/VM; und einer muss ja auch immer den Kopf halten, bis die Headblocks korrekt abgelegt sind..

In der Tat würde ich die Auswahl des Rettungsmittels also auch situationsabhängig gestalten.
35 Jahre, Im-RTW-beim-Patienten-Sitzer, hauptamtlicher "Zivi"-in-den-Hintern-Treter, ehrenamtl. Löschknecht, Obermufti von einigen SSDs -- im schönsten Bundesland der Welt: Schleswig-Holstein!
22.04.2014, 18:30
Original von Hajo Behrendt

Die Vakuummatratze verkürzt sich durch das Zusammenziehen der Polystyrol-Kügelchen im Inneren beim Absaugen je nach Modell tw. doch deutlich, so dass theoretisch Knochenenen aufeinander reiben könnten. Gerade bei Brüchen im Bereich der Wirbelsäule (Gefahr der Einklemmung von Nerven/Rückenmark) kann dies ein gravierender Nachteil sein, den Fans der Spineboards gerne als Begründung für die Ablehnung der klassischen Kombo Schaufeltrage/Vakuummatratze heranziehen.


Das Argument hab ich noch nie gehört... Gibts dazu irgendwas belegbares? :rolleyes:
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- Heino

22.04.2014, 22:18
Eher nicht.

Ich habe das gerade mal bei Pubmed/MEDLINE in die Suchmaske eingegeben.

Anscheinend ist die Vakuummatratze "vacuum mattress" wissenschaftlich noch nicht besonders erforscht.

Die kurze Suche ergab auch nur 31 Treffer. Die meisten beschäftigten sich mit einem Vergleich zwischen Spineboard und Vakuummatratze mit tw. äußerst fragwürdigen Endpunkten und höchst unterschiedlichen Ergebnissen.

Also ist diese Aussage (die auch an Rettungsdienst-Schulen so getätigt wird) offenbar wieder mehr eminenz- als evidenzbasiert.

Trotzdem klingt das Argument ja logisch. Natürlich ziehen sich die Styropor-Kügelchen beim Absaugen zusammen, was zu einer Reduzierung der Länge und Breite der Vakuummatratze führen könnte. Diese wiederum könnte hypothetisch zu einem Reiben der Knochenenden aufeinander führen.

Ich werde morgen mal nachmessen, in welchem Umfang das beim Absaugen von Schnitzler- und REGA-Matratzen passiert.

Näheres folgt dann hier.
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23.04.2014, 01:20
Behandlung des Patienten

Die Behandlung des Patienten auf einer Vakuummatratze stellt kein Problem dar, sofern du ihn nicht falsch herum drauflegst ;)

Wie Mike ja schon geschrieben hat: Mund und Arme sind zugänglich, sogar ein intraossärer in die Tibia sollte möglich sein.

Der Trick ist, die Arme nicht seitlich an den Körper angelegt einzupacken. Wenn der Patient die Arme dann nämlich hebt, ist die Immobilisation hinüber.

Wenn man wie im vorherigen Absatz vorgeht, stellt die Überwachung der Vitalparameter kein Problem dar.

EKG

Da du, RotesKreuz, ja gefragt hast, was ein Elektrokardiogramm anzeigt:

Wie es der Name ja schon verrät, zeigt es die elektrische (!) Aktivität des Herzens an (letztendlich Ionenströme an der Zellmembran).
Entgegen der gängigen Laienmeinung zeigt es nicht den Herzschlag (mechanische Aktivität) an.

Moderne EKG Geräte, welche im Rettungsdienst eingesetzt werden, können neben einem EKG meist auch noch eine Pulsoximetrie, eine nichtinvasive Blutdruckmessung und eine Kapnographie durchführen, zudem können sie defibrillieren, kardiovertieren und als transkutaner Schrittmacher dienen.

Hier noch ein paar Hintergrundinformationen

Ad Zusammenziehtheorie

Interessanter Gedanke, kann aber keine allzu große Relevanz in der Praxis haben, da es mir aus der Literatur nicht bekannt ist (möchte damit jedoch keinen Absolutheitsanspruch geltend machen).

Vom Bauchgefühl her würde ich behaupten, dass sich nur der Durchmesser, jedoch nicht die Länge vermindert (Widerstand der Hülle etc.), somit keine Kompression erfolgt.

23.04.2014, 10:14
So, ich habe den Versuch durchgeführt.

Als Versuchsobjekt diente eine Schnitzler-Vakuummatratze ohne aufgelegten Patienten mit einer Länge von 186 cm zwischen den Nahtstellen und einer Breite von 61,5 cm in unabgesaugtem Zustand.

Nach Absaugen mittels Söhngen AccuVacu Absauggerät auf - 550 mbar (standardisiert) betrug die Naht-zu Naht-Länge noch 182,5 cm, was einer Verkürzung um 3,5 cm entspricht.

Die Breite beträgt noch 60,75 cm, hier kam es zu einer Zusammenziehung um 0,75 cm.

Nun habe ich den Versuch mit einer Puppe (Ambu MegaCode-Trainier) wiederholt. Nach Anmodellation der Polystyrolkügelchen um die Puppe und Markierung der Grenzlinien von Schultern, Beckenkamm und Ferse ergab sich in unabgesaugtem Zustand eine Länge von

Schulter- Beckenkamm 54 cm gegen 53,25 cm (abgesaugt)

Schulter- Ferse 139,5 cm gegen 136,5 cm (abgesaugt)

Verlust: Schulter-Becken=0,75 cm, Schulter-Fuß 3 cm.

Fazit: Die Vakuummatratze verkürzt sich durch Absaugen scheinbar erheblich. Es wäre zu klären, ob dies ggf. zu einer Krepitation oder zu einer Einklemmung von Nerven führen könnte.

Hierzu können aufgrund des rein technischen Versuchs keine Aussagen getroffen werden.

Um die Frage endgültig zu klären müssten geeignete Endpunkte definiert und ein randomisiert-kontrollierter Versuch mit einer ausreichender Anzahl Wirbelsäulen-Traumatisierter durchgeführt werden.

Der Vergleich VM gegen Spineboard bietet sich an.
Zuletzt geändert von Hajo Behrendt am 23.04.2014, 10:16, insgesamt 1-mal geändert.
35 Jahre, Im-RTW-beim-Patienten-Sitzer, hauptamtlicher "Zivi"-in-den-Hintern-Treter, ehrenamtl. Löschknecht, Obermufti von einigen SSDs -- im schönsten Bundesland der Welt: Schleswig-Holstein!

23.04.2014, 11:30
Interessant... Da wird doch glatt hier im Forum Medizingeschichte geschrieben :P

23.04.2014, 13:14
Naja, das ist zwar alles schön und gut, aber so ganz überzeugt mich dieser Versuch noch nicht. 2,7% Verkürzung bei der Funktionsweise der Vakuummatraze in allen Richtungen halte ich noch für sehr formstabil.

Was man messen und erfassen müsste, wäre die Kraft, die von der Vakuummatratze im abgesaugtem Zustand auf den immobilisierten Patienten in Längsrichtung und Querrichtung ausgeübt wird. Da müsste man nicht Schulter - Ferse messen, da die unteren Extremitäten diese Verkürzung der Vakuummatratze einfach durch etwas Anbeugen der Gelenke wegkompensieren, was man ja eigentlich zu vermeiden sucht, sondern Schulter - Becken. Dieses stellte sich im Versuch mit 0,75 cm dar. mMn wird aber grade das Becken nicht so anmodelliert, als das es da zu einer Kraftübertragung auf die Längsachse kommen könnte. Mal ganz davon abgesehen das man die Anmodellierung der VM im Bereich Beckentrauma für sich nutzt.

Der Patient liegt in der Vakuummatratze und wird von dieser von unten und den Seiten umfasst. Dabei liegt in Längsrichtung hauptsächlich im Schulter-Kopf Bereich sowie im Bereich der unteren Extremitäten (je nach Anmodellierung) Formschlusss vor. Reibschluss herrscht in Längsrichtung an jeder Kontaktfläche.

In Querrichtung ist die Vakuummatratze formschlüssig an den gesamten Körper des Patienten anmodelliert. Ebenfalls herrscht dort Reibschluss an jeder Kontaktfläche.

Dabei übt die Vakuummatratze Kraft auf den Körper aus:
- von unten: Masse des Patienten * (g + Fahrbeschleunigung in z-Achse) + Gurte
- in Längsachse: Kraft der Vakuummatratze durch Verkürzung & Gurte + Fahrbeschleunigung in x- Richtung * Masse des Patienten
- In Querachse: Kraft der Vakuummatratze durch Verkürzung & Gurte + Fahrbeschleunigung in y-Richtung * Masse des Patienten


Mein persönliches Fazit:
Ich halte die auf den Körper einwirkenden Fahrbeschleunigungen für wesentlich größer als die durch die VM einwirkenden Kräfte durch Verkürzungen.
[edit] Und das Verkürzungsproblem bekommt man in nullkommanix durch in Längsrichtung eingearbeitete CFK Fäden in den Griff. Patent bereits angemeldet. [/edit]

Mal ganz davon abgesehen wirken auch beim Spineboard Kräfte in Längsrichtung durch die Schultergurte auf den Patienten, welche sich in ähnlicher Größenordnung befinden dürften.
Zuletzt geändert von Tecan am 23.04.2014, 13:15, insgesamt 1-mal geändert.
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