Ganz so ist's nun nicht. Zu beachten sind u.a. Jugendschutzvorschriften, ggf. auch Vorschriften zum Jugendarbeitsschutz, soweit auch ehrenamtliche Kräfte im Hinblick auf diese Vorschriften als Arbeitnehmer einzustufen sind, und nicht zuletzt der Schutz der eingesetzten Jugendlichen vor Überforderung und Gefährdung und der der Verantwortlichen vor Inhaftungnahme.
Eben um den Verantwortlichen vor Ort die Sorge um Haftung ein wenig zu nehmen, würde ich ja ein solch liberales Bundesschreiben sehr begrüßen. Und es braucht IMO generell - losgelöst vom Thema dieses Forums - endlich des Mutes einer Gegenbewegung gegen den immer mehr überbordenden Jugendschutz. Wie bitte sollen Menschen, wenn sie volljährig werden, verantwortlich eigene Entscheidungen treffen können, wenn sie zuvor derart überbehütet und verhätschelt worden sind, dass sie vor jeder nur irgendwie denkbaren Gefahr oder auch nur ansatzweisen Überforderungssituation geschützt worden sind und dadurch nie irgend eine Gelegenheit hatten, eigenständige Lebensführung erproben? Wie sollen junge Leute nach dem Realschulabschluss oder dem Abitur genügend Informationen haben, um sinnvoll einen Ausbildungsplatz oder ein Studium wählen zu können, wenn sie aus Sorge um Überforderung vorher nie einen angemessen tiefen Einblick in die Berufswelt gewinnen konnten, weil Praktika entweder gar nicht oder aus Angst vor Überforderung (losgelöst von der Frage des Sanitätsdienstes) nur oberflächlich gewährt werden?
Ich interessiere mich hobbymäßig auch für Astronomie und was ich da im Gespräch mit Jugendlichen an einer Sternwarte manchmal erlebe, das ist erschreckend. Da kennen sich Leute in fremden Galaxien aus, aber das Nahverkehrssystem der eigenen Stadt kennen sie ja nicht, weil aus Sicherheitsgründen das Elterntaxi überall hin fährt (und ich spreche hier von Leuten kurz vor der Volljährigkeit). Und auf einem EH-Kurs habe ich es vor kurzem erlebt, dass ein Führerscheinbewerber mit beiden Elternteilen zum Kurs kam und er sämtliche Übungen ausschließlich mit den Eltern absolvierte.
Ende der 1960er-Jahre entluden sich im Land mal massiv die Spannungen, auch weil junge Leute sich durch die Elterngeneration stark eingeschränkt sahen. Seinerzeit geschahen die Einschränkung durch Zwang und auch körperliche Gewalt. Heute hingegen erfolgen deutlich stärkere Einschränkungen, indem den jungen Menschen erklärt wird, wie schwach und verletzlich sie doch sind und dass alles so gefährlich ist. Dies ist offensichtlich ein wesentlich effektiverer Weg der Kontrolle, denn nennenswerter Widerstand ist trotz immer absurderer Sorgen um auch nur die entlegensten Gefahrmöglichkeiten bislang leider nicht erkennbar. Diese Elterngeneration sollte sich mal dringend - so lange es diese Menschen noch leben - mal mit der Generation unterhalten, die etwa 1945 geboren ist und in Kriegstrümmern aufgewachsen ist oder mit Flüchtlingsfamilien, die ähnliches in heutiger Zeit erleben, in der Hoffnung, dass noch irgend eine Chance besteht, die eigene Gefahreneinschätzung, was ihre Kinder - sorry, falscher Begriff: nahezu erwachsenen Söhne / Töchter - angeht, kritisch zu überdenken!
Ich denke, eine Reihe von SSDlern wird auch ihr Lied darüber singen können, dass bei vielen kleineren Verletzungen das Hauptproblem bei der Versorgung nicht die Schülerpatienten sind, sondern grundlos panische, inkompetente und alles besser wissende Eltern, die mit ihrem alarmistischen Auftreten ihren Sohn bzw. ihre Tochter wahrscheinlich mehr beeinträchtigen als die kleine Verletzung selbst.
Zur Sache selbst:
Das Jugendarbeitsschutzgesetz gilt nicht für ehrenamtliche Tätigkeiten. Und selbst was das Jugendschutzgesetz angeht in Bezug auf Sperrzeiten für bestimmte Arten von Veranstaltungen kann man das juristisch durchaus diskutieren, ob das für Jugendliche auf einem Sanitätsdienst gilt. Zweck der Vorschrift ist es Jugendliche vor Gefahren derartiger Veranstaltungen zu schützen wie insbesondere eine schlechte Beeinflussung durch andere Teilnehmer der Veranstaltung, z. B. in Bezug auf Drogen. Diese Gefährdung besteht in der Form nicht, wenn Jugendliche in die Strukturen eines Sanitätsdienstes eingegliedert sind. So ließe sich durchaus dafür argumentieren, dass auch das Jugendschutzgesetz eben nicht gilt. Es ist durchaus aber natürlich auch die gegenteilige Auslegung vertretbar, dass es gilt. Und um es mal drauf ankommen zu lassen, benötigte man halt den Rückhalt von oben, an dem es in solchen Fällen fehlen wird. Aber das braucht es zunächst mal ja gar nicht: Eine Beteiligung an Einsätzen zur Tageszeit wäre ja völlig ausreichend.
Ich will das nicht ausschließen. Wir hatten das auf Vorschlag und Wunsch der Jugendleitung mal mit - meiner Erinnerung allerdings ein wenig älteren - Kindern auf einem sanitätsdienstlichen Großeinsatz (Faschingsumzug in einer der großen Karnevalshochburgen) ausprobiert. Rückblickend - eigentlich schon am Tag selbst - würde ich sagen: eine der weniger guten Ideen. Oder auch: wie kann man nur!
So was muss man ausprobieren. Am besten beginnend mit kleinerein Einsätzen. Engagierte Jugendliche in den Jugendorganisationen der Hiorgs - bei entsprechender Kursgestaltung - sollten, wenn sie mit 10 anfangen, mit 14 Jahren schon beträchtliche Kenntnisse in sanitätsdienstlicher Versorgung haben, die das Maß des durchschnittlichen Erwachsenen (außerhalb einer Hiorg) bei weitestem überschreiten.
Und Probleme mit schlechten Helfern hat denke ich jede Hiorg. IMO sind das in der Regel aber nicht die Schüler. Die wissen sich in der Regel zu benehmen und arbeiten im Unterricht engagiert mit, weil sie eben dieses aus der Schule auch gewohnt sind. Ich sehe das Problem vielfach eher bei älteren Neueinsteigern. Da wird einfach in den theoretischen Übungsteilen reingerufen, mit dem Handy rumgelärmt (weil es offenbar bereits an der Kompetenz fehlt, dieses auf lautlos zu schalten), dauernd alles besser gewusst, ständig nach der Zigarettenpause gerufen, jeder zweite Satz mit "ey" eingeleitet und alle paar Minuten immer wieder derselbe Witz unter der Gürtellinie gemacht. Ich denke jeder weiß, welche Art von Helfer ich meine, auch wenn ich hier natürlich bewusst überzeichne. Würde sich einer der jugendlichen Helfer so benehmen, würde der recht schnell kritische Worte hören, weil er älter ist, sagt leider keiner was (Erwachsene kritisiert man ja nicht), sodass solche Leute dauerhaft das Niveau der Übungen senken und überdies schlechte Vorbilder für andere Neueinsteiger sind. Um nicht missverstanden zu werden: Ich habe nichts gegen Neueinsteiger im mittleren oder höheren Lebensalter. Nur sollen die sich bitte benehmen, Leistungsbereitschaft zeigen und vor allem kapieren, dass Lebensalter nicht automatisch Kompetenz bedeutet und daher entsprechend aufnahmebereit Neuem gegenüber sein. Also nochmals: Ich möchte hier niemandem wegen seinem Alter vors Schienbein treten!
Gruß,
tino255