Suizidversuch die 2te...

Hier könnt ihr erlebte Einsätze schildern und sie können von uns gemeinsam besprochen werden.

Foren-Übersicht Erste Hilfe, Rettung und Medizin Besprechung von Szenarien

05.08.2010, 09:21
Der Schulsanitätsdienst einer Beruflichen Schule wird am 15.07.2009 um 8.45 Uhr mit dem Einsatzstichwort "Leblose Person" in eine Damentoilette alarmiert.

Das Team, bestehend aus Sanitäter im Einsatzdienst (SanC) und Sanitätshelfer, ist mit Notfallrucksack, AED, Sekretabsaugpumpe und Protokollmappe ausgerüstet und erreicht den Notfallort um 8.47 Uhr.

Vor Ort bietet sich folgendes Bild: Eine Schülerin (19 Jahre) liegt zwischen WC-Becken und Toilettenwand eingeklemmt in leichter Oberkörper-Hochlage auf dem Boden. Initial ist die Patientin nicht ansprechbar, das Team bemerkt brodelnde Atemgeräusche und Speichelfluss.

Das Team achtet auf den Eigenschutz und rettet die Patientin in den Vorraum, wo mehr Platz für die Versorgung zur Verfügung steht. Dabei fallen einige Tablettenpackungen auf, die hinter und unter der Patientin lagen. Hierbei handelt es sich um Benzodiazepine, Psychopharmaka und einige, dem Team vom Handels- Wirkstoffnamen nicht geläufigen Präparate.

Nach der Lagerung im Vorraum folgt ein Diagnostischer Block, im Rahmen der Mundrauminspektion (die bei uns noch routinemaßig durchgeführt wird) fällt eine Aspiration von flüssigem Sekret auf. Daraufhin wird die Mundhöhle per Sekretabsaugpumpe abgesaugt, die brodelnden Geräusche können so beseitigt werden. Die Patientin reagiert bedingt auf Schmerzreiz, Eigenatmung und Puls (48/min.) sind vorhanden.

Die Patientin erhält daraufhin einen Guedeltubus eingelegt, bei gleichzeitiger Absaugbereitschaft. Der Guedel wird seitens der Pat. toleriert.

Der Teamhelfer alarmiert um 8.50 Uhr RTW und NEF mit der Verdachtsdiagnose "Mischintoxikation, nicht ansprechbar". Anschließend asserviert er die Tabletten, während der Teamleiter Blutdruck (80/60) und Sauerstoffsättigung (84%) misst. Daraufhin erhält die Patientin 10l Sauerstoff über Gesichtsmaske. Es folgt die Anwendung einer Rettungsdecke und die Nachforderung des Schulleiters, der jedoch ebenso wie sein Stellvertreter außer Haus ist.

Während der weiteren Versorgung bleibt der Zustand der Patientin stabil, aus einem nahe gelegenen Klassenraum werden zwei Schüler zur Einweisung der Rettungsmittel entsant.

Die Übergabe erfolgt um 8.58 Uhr an den Rettungsdienst.

Die Patientin überlebt und wird nach Erstbehandlung in die geschlossene Kinder- und Jugenspsychiatrie verlegt.


Diskussion:

Die Mundraumkontrolle wird standardmäßig nicht mehr in den Erste-Hilfe- und Sanitätshelferkursen gelehrt. Dies ist vor dem Hintergrund der gewünschten Vereinfachung des Auffindeschemas und dem Abbau von Hemmschwellen für Laienhelfer verständlich.

In diesem Fall zeigt sich jedoch, wie wichtig sie in Einzelfällen sein kann. Natürlich werden die meisten bewußtlosen Patienten keine Aspiration aufweisen, trotzdem hat eine Absaugpumpe durchaus ihre Existenzberechtigung in der Notfallausrüstung.

Im SSD eingesetzte Kräfte sollten Basismaßnahmen wie das manuelle Ausräumen der Mundhöhle und die Sekretabsaugung beherrschen.

Teilweise sind die räumlichen Verhältnisse für eine Versorgung beschränkt. Hier sollte dann in Erwägung gezogen werden, den Notfallbetroffenen per Rautek-Rettungsgriff dorthin zu verbringen, wo ausreichend Platz für eine adäquate Versorgung zur Verfügung steht.
35 Jahre, Im-RTW-beim-Patienten-Sitzer, hauptamtlicher "Zivi"-in-den-Hintern-Treter, ehrenamtl. Löschknecht, Obermufti von einigen SSDs -- im schönsten Bundesland der Welt: Schleswig-Holstein!

05.08.2010, 11:10
Eine kleine Begriffspräzisierung:

Als "Aspiration" bezeichnet man das Einatmen von Sekret oder festen Bestandteilen. Bei der Mundrauminspektion kann also keine "Aspiration von flüssigem Sekret" auffallen, denn Du kannst ja nicht in die Luftröhre bzw. in die Lunge sehen. Du kannst lediglich sagen, dass im Mund-/Rachenraum flüssiges Sekret stand und somit die Gefahr einer Aspiration bestand. Dass die "brodelnden Geräusche" nach Absaugen des Mundraums verschwanden, spricht ebenso gegen eine Aspiration. (Cave: Lungenauskultation).

Übrigens kämpfe ich wieder meinen Kampf mit den Windmühlen, wenn ich mich gegen Aussagen wehre wie :"Pat. reagiert bedingt auf Schmerzreiz". Reagiert sie nun, oder nicht? Wenn ja - wie denn? Sagt sie :"Lass dass" oder zeigt sie Streckreflexe? Dies macht einen riesigen Unterschied in der weiteren Versorgung.

Wenn der NA nun zu einem solchen Patienten kommt, wird er sein weiteres Vorgehen von der genauen Bewußtseinslage abhängig machen. Von fehlenden Schutzreflexen kann man bei einem GCS <= 8 ausgehen. Hier wäre dann eine Intubation indiziert.

Übrigens kann man dem RTD-Personal immer nur raten, bei Intoxikationen standardmäßig Rücksprache mit der zuständigen Vergiftungszentrale zu halten. Diese kann einem dann wichtige Infos über die Bedrohlichkeit und den zeitlichen Verlauf einer Intoxikation geben.
Es ist Dein Recht, Waffen abzulehnen. Es ist Deine Freiheit, nicht an Gott zu glauben. Aber wenn jemand in Dein Haus einbricht, sind die ersten beiden Dinge, die Du tun wirst: Jemanden mit einer Waffe rufen und beten, dass er rechtzeitig da ist.

05.08.2010, 13:16
Wenn eine Patientin bereits einen Guedeltubus toleriert, wird sie wohl auf Schmerzreiz kaum noch "Lass das!" sagen können... Wenn sie das könnte, würde sie wohl eher mit einem Würgereiz auf den Tubus reagieren...

Im geschilderten Fall erfolgten nur noch ungezielte Reaktionen auf den Schmerzreiz.

GCS laut Protokoll: 8, bei Übergabe 9.
35 Jahre, Im-RTW-beim-Patienten-Sitzer, hauptamtlicher "Zivi"-in-den-Hintern-Treter, ehrenamtl. Löschknecht, Obermufti von einigen SSDs -- im schönsten Bundesland der Welt: Schleswig-Holstein!
05.08.2010, 14:20
Original von Hajo Behrendt
[...]
Es folgt die Anwendung einer Rettungsdecke und die Nachforderung des Schulleiters, der jedoch ebenso wie sein Stellvertreter außer Haus ist.
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Diskussion:
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Im SSD eingesetzte Kräfte sollten Basismaßnahmen wie das manuelle Ausräumen der Mundhöhle und die Sekretabsaugung beherrschen.
[...]

Ich weiß, es gehört nicht zu dem Rahmen, den du diskutieren möchtest, aber... wozu den Schulleiter oder den Stellvertreter benachrichtigen?

Mh, wie beherrschen, wenn man es nie geübt hat? Die Theorie zu vermitteln sind ein paar Handgriffe und viele Worte, aber zeig mir jemanden, der das beim ersten Versuch direkt wirklich sicher kann ^^ Wie lernen die SSDler bei dir, solche Maßnahmen sicher anzuwenden?

05.08.2010, 15:02
Original von Hajo Behrendt
Wenn eine Patientin bereits einen Guedeltubus toleriert, wird sie wohl auf Schmerzreiz kaum noch "Lass das!" sagen können... Wenn sie das könnte, würde sie wohl eher mit einem Würgereiz auf den Tubus reagieren...

Richtig. Ich wollte Dich nur auf die Unsinnigkeit der Aussage hinweisen.

Original von Hajo Behrendt
Im geschilderten Fall erfolgten nur noch ungezielte motorische Reaktionen auf den Schmerzreiz.

Schon Harald Schmidt sagte: "Das Leben ist zu kurz um sprachlich unpräzise zu sein."

Original von Hajo Behrendt
GCS laut Protokoll: 8, bei Übergabe 9.

Na also - es geht doch. :D
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05.08.2010, 15:12
Die Nachforderung des Schulleiters sollte immer erfolgen, wenn ein akut lebensbedrohliches Notfallereignis vorliegt.

Der Schulleiter ist der verantwortliche Dienststellenleiter, dieser muss auch im Falle von Schulunfällen, die einen Transport ins Krankenhaus notwendig machen, informiert werden.


Die Sekretabsaugung ist zumindest Bestandteil der Sanitätsausbildung. Bei uns erfolgt eine theoretische Einweisung in den Umgang mit den (einweisungspflichtigen) Geräten. Danach wird, um das Vorgehen und die Abläufe praktisch zu erlernen, der Inhalt eines Wasserglases abgesaugt. Die Teilnehmer sind dann immer überrascht, wie schnell das geht...

Da im Sanitätsdienst ja nur im Bereich der Mundhöhle abgesaugt wird, ist die Technik ja nun wirklich nicht schwierig... Ich wüsste keinen Hinderungsgrund, das Absaugen mit in die Ausbildung aufzunehmen.

Zum Abschluss müssen die Teilnehmer in den Fallbeispielen tw. auch eine Absaugung an einer Mime vornehmen, die das toleriert.

Danach sollte eig. jeder Teilnehmer eine Absaugung der Mundhöhle hinbekommen. Der Ablauf ist ja denkbar einfach:

1.) großlumigen Absaugkatheter auf den Absaugunterbrecher konnektieren

2.) Gerät einschalten

3.) Absaugkatheter abmessen (Abstand Mundwinkel-Ohrläppchen)

4.) Mund öffnen und Absaugkatheter ohne Sog (Finger vom Loch des Absaugunterbrechers wegnehmen) über die komplette abgemessene Länge einführen

5.) Sog herstellen (durch Verschließen des Loches des Absaugkatheters mit dem Finger)

6.) Nach kurzer Zeit Absaugkatheter unter Sog herausziehen.
35 Jahre, Im-RTW-beim-Patienten-Sitzer, hauptamtlicher "Zivi"-in-den-Hintern-Treter, ehrenamtl. Löschknecht, Obermufti von einigen SSDs -- im schönsten Bundesland der Welt: Schleswig-Holstein!

05.08.2010, 15:35
Kurze Rückfrage:

Seit wann ist eine Absaugpumpe einweisungspflichtig?
Bei der Geräteeinweisung vor kurzer Zeit wurde ausdrücklich drauf hingewiesen, dass Absaugpumpen (in unserem Fall die Accuvac) nicht einweisungspflichtig sind!

05.08.2010, 15:45
So weit ich das weiß, sind alle elektrisch betriebenen Absauggeräte einweisungspflichtig, manuelle hingegen nicht. Sagte mir mal ein MPG-Beauftragter.

Aber nagelt mich da jetzt bitte nicht drauf fest.

Nichts desto trotz binden wir die Sauger bei unser jährlichen Geräteeinweisung mit ein. Auch dadurch erlangt man ja Anwendungssicherheit, man muss sich so schließlich regelmäßig mit dem Gerät auseinandersetzen.

Lieber zu viel einweisen als zu wenig... ;)
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05.08.2010, 15:51
Also die Accuvac - Absaugpumpe gehört zu den einweisungspflichtigen Geräten weil sie elektrisch betrieben wird - da hat Hajo absolut Recht.

Gruß Jürgen

05.08.2010, 15:53
Gerade nochmal nachgelesen zum Thema der Einweisungspflicht:

In § 5 (1) der Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) steht geschrieben, dass nur Medizinprodukte durch den Hersteller oder von ihm autorisierte Personen einweisungspflichtig sind, die in der Anlage 1 der MPBetriebV aufgeführt sind. Da elektrische Absaugpumpen dort nicht gelistet sind, ist eine Einweisung durch den Hersteller nicht erforderlich. In §2 (2) der MPBetriebV heißt es, dass nur die Personen Medizinprodukte anwenden dürfen, die die erforderliche Ausbildung oder Kenntnisse und Erfahrungen besitzen. Diese Unterweisung ist von einer sachkundigen Person des Betreibers für den Anwender entsprechend der Gebrauchsanweisung durchzuführen.

06.08.2010, 09:38
Wozu elektrisch?

Manuell ist kleiner und günstiger.

Ich meine für den SSD!!! nicht für den RD!!!
Zuletzt geändert von BORN TO RESCUE am 06.08.2010, 10:03, insgesamt 1-mal geändert.
Habe mich entgültig verabschiedet!!!

06.08.2010, 10:31
Natürlich ist eine manuelle Absaugung für den (Schul-)Sanitätsdienst absolut ausreichend, wahrscheinlich noch nicht einmal unbedingt notwendig.

Wir haben unsere elekrischen Absauggeräte (LSU) entweder kostenlos übernehmen können oder sehr (!) günstig gebraucht erworben.

Schon kurze Zeit später waren die Geräte dermaßen in den Ablauf beim Auffinden von nicht ansprechbaren Personen integriert, dass die HelferInnen sie nicht wieder hergeben wollten. Wer einmal "Mercedes" fährt, steigt ja auch nicht mehr auf einen "VW Polo" um... ;)

Die (ältere) LSU hat für mich den Vorteil, dass ich alles notwendige Zubehör (Katheter, Unterbrecher, Verlängerungsschlauch, Adapter) mit in dem Kunststoffkoffer unterbringen kann.

Bei uns ist primär der Teamleiter für das Freimachen der Atemwege und die (Be-)Atmung zuständig, deswegen führt er auch die Absaugeinheit extern mit, Während sich der Teamhelfer mit Rucksack und AED ausstattet.

Es würde sonst auch Platzprobleme in den Rucksäcken geben. Da ist einfach kein Raum mehr für eine manuelle Absaugpumpe, es wäre dann zu unübersichtlich.

Außerdem: Eine elektrische Sekretabsaugung eignet sich auch gut zum Evakuieren von Vakuummatratzen oder -schienen. Geht wesentlich komfortabler und schneller als mit den Handvakuumpumpen.
Zuletzt geändert von Hajo Behrendt am 06.08.2010, 10:36, insgesamt 2-mal geändert.
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06.08.2010, 10:40
Orginal von Hajo

Im SSD eingesetzte Kräfte sollten Basismaßnahmen wie das manuelle Ausräumen der Mundhöhle und die Sekretabsaugung beherrschen.



Manuell oder elektrisch, jetzt mal dahingestellt.

Unser SSD ist ein Haufen voller Ersthelfer, die beim Notfall überfordert sind (Sind schon beim RR messen überfordert...). Also ich bin der einzige, der z.B. mit einen Beatmungsbeutel umgehn kann und auch der einzige, der ne Einweißung in die Absaugtechnik hatte. Da bring meinen kollegen mal absaugen bei.....

Eine Vakuummatratze/Schiene geht sicherlich schneller mit ner Elektropumpe, aber geht auch mit ner Hand/Fuß betriebenen Pumpe. (Hab ich auch schon gemacht.) Das kommt doch eigentlich nur auf die Saugleistung drauf an, oder?
Zuletzt geändert von BORN TO RESCUE am 06.08.2010, 10:48, insgesamt 1-mal geändert.
Habe mich entgültig verabschiedet!!!
06.08.2010, 11:06
Original von BORN TO RESCUE

Unser SSD ist ein Haufen voller Ersthelfer, die beim Notfall überfordert sind (Sind schon beim RR messen überfordert...). Also ich bin der einzige, der z.B. mit einen Beatmungsbeutel umgehn kann und auch der einzige, der ne Einweißung in die Absaugtechnik hatte. Da bring meinen kollegen mal absaugen bei.....



Ja, das ist doch aber ein Problem der Organisation und (in erster Linie) der Ausbildung.

Du solltest sehen, dass euch die betreuende Organisation weiterführende Lehrgänge anbietet.

Ein normaler EH-Kurs reicht nach meiner Ansicht für eine Tätigkeit im SSD, zumindest als Teamleiter, nicht mehr aus. Aber da kann man sich ja drüber streiten, ich will an dieser Stelle die Diskussion nicht schon wieder aufflammen lassen...

Trotzdem wirst du erfahrungsgemäß den Helfern das Absaugen leichter beigebracht bekommen als das Blutdruckmessen...
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06.08.2010, 12:16
Offiziell erweiterte EH vom MHD also SanH, allerdings deren können entspricht EH....
Habe mich entgültig verabschiedet!!!

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