Einsatz in der Nachbarschaft

Notfallszenarien für Ersthelfer bis Rettungsdienstmitarbeiter.

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01.09.2009, 21:03
Du sitzt gerade beim Kaffee trinken mit der Verwandtschaft (wieder irgendein langweiliger Geburtstag in der Familie). Auf ein Mal klingelt es Sturm an der Haustür. Herr Xanthippe, der drei Häuser weiter wohnt, steht vor der Tür. Du sollst bitte schnell mitkommen, sein elf Monate alter Sohn hätte so komische Zuckungen. Er und seine Frau seien völlig aufgelöst, du musst ihnen helfen.

Material hast du keines dabei, weil du nicht mit sowas gerechnet hast.

02.09.2009, 10:38
Na dann will ich mal nicht so sein und gehe selbstverständlich mit Herrn X zu seiner Familie um mir das ganze mal persönlich anzuschauen. Bevor ich das tue, wüsste ich allerdings gerne, ob ich nicht doch irgendwo irgendwelche Materialien rumfliegen habe, die nützlich sein könnten (ist Oma oder Opa oder sonstwer Diabetiker? -> dann würd ich mir gerne das BZ-Gerät mal für ein paar Minuten borgen...). Ist noch irgendwer in der Runde medizinisch bewandelt? Wenn ja, sollte der dann auch mal fix mitkommen.
So - jetzt gehts aber los zu den Nachbarn.
Kann mir Herr Xanthippe unterwegs schonmal erzählen, was eigentlich genau passiert ist und ob er so ein Zucken schon vorher mal an seinem Junior beobachtet hat?
Vor Ort werfe ich dann selbst mal einen Blick auf die Situation. "Zuckt" das Kind immernoch? Wenn nein -> was tut es jetzt?

lg Caro
Caro, 28, Lehrerin.

02.09.2009, 11:29
Opa leidet an BLuthochdruck, du kannst also sein Blutdruckmessgerät mitnehmen, sowie ein Ohrthermometer. Sonst hast du keine Materialien (außer in deinem Auto den Verbandskasten). Deinen Bruder kannste mitnehmen, der ist auch in einer HiOrg, als SanH. Er weiß es selber nicht genau, seine Frau schaute nach dem Kleinen, da zuckte er so komisch. Sie haben auch schon den Rettungsdienst alarmiert, aber des kann noch ein bisschen dauern, bis die da sind, meinte der Disponent auf der Rettungsleitstelle. Das Kind zuckt nicht mehr, wirkt aber sehr schläfrig, also alles andere als lebhaft, wie du es normalerweise von einem kleinen Baby gewohnt hast, ist ganz desinteressiert an seiner Umgebung. Die aufgelöste Mutter hat es auf dem Arm.

02.09.2009, 11:41
Ok, dann soll der Bruder mal mitkommen, das RR-Gerät von Opa wird mir nix bringen, es sei denn, Opa hat zufälligerweise eine Kindermanschette dabei ;). Das Thermometer kann mein Bruder ja mal einpacken, für den Fall, dass Familie X zufällig keins hat.
Ich lasse das Kind vorerst auf dem Arm der Mutter, da mir diese noch mehr Panik schieben wird, wenn ich ihr das Kind vom Arm reiße. Ich schau mir das Kind mal aus der Nähe an. Ist es nur schläfrig oder macht es eher einen bewusstlosen Eindruck auf mich? Solange es nicht bewusstlos ist, denke ich, kann es auch bei der Mutter bleiben.
Mein Bruder könnte sich dann mal darum kümmern, dem Kind die Temperatur zu messen (-> Fieberkrampf?).
Ich hätte währenddessen ein paar Fragen an die Mutter:
- war das Kind vor dem "Zucken" schon irgendwie auffällig oder krank (irgendein verschleppter Infekt?)
- wie lange hat das Kind gezuckt?
- kann sie mir das Zucken genauer beschreiben? ( -> Was hat gezuckt, ganzes Kind oder nur bestimmte Körperteile?)
- Wann hat das Kind das letzte Mal gegessen/getrunken (->Unterzucker?)
- hat das Kind sonst irgendwelche Erkrankungen, Allergien?
- gibt es von Seiten der Mutter noch andere Hinweise, die wichtig sein könnten?
Caro, 28, Lehrerin.

02.09.2009, 14:33
Kind ist nicht bewusstlos, wirkt nur abwesend. Temperatur 39,3°C. Ja, das Kind war schon ein bisschen krank, aber nur erkältet und was hat denn eine Erkältung mit sowas zu tun? Es hat nur leicht an den Extremitäten gezuckt. Gezuckt hat der Kleine nicht lang, wie lange weiß sie nicht. Der Kleine hat das letzte Mal vor drei Stunden ein bisschen Brei gegessen. Keine Erkrankungen oder Allergien bekannt. Die Mutter gibt keine Hinweise ist nur total durch den Wind.

02.09.2009, 14:53
Dann schlage ich vor, dass wir alle gemeinsam auf den Rettungsdienst warten. Ich lasse das Kind nach wie vor bei der Mutter auf dem Arm und beruhige diese etwas, in dem ich ihr erkläre, dass sie sich keine Sorgen machen muss, da ihrem Kind im Krankenhaus sicherlich gut geholfen werden kann. Wir könnten jetzt noch anfangen, das Fieber etwas zu senken, aber ich denke, das schafft der Doc, der von der Leitstelle sicherlich mitgeschickt wurde bei einem Kindernotfall, bald effektiver als wir in so kurzer Zeit.
Hat er abgesehen von dem Brei, den er gegessen hat, in den letzten Tagen genug getrunken? (Ich hab mir sagen lassen, dass kranke Kleinkinder ganz gerne schonmal dehydrieren, weil trinken doof ist, wenn man krank ist...)

lg Caro
Caro, 28, Lehrerin.

02.09.2009, 22:33
Getrunken hat der kleine genug. Der NA ist da und hätte gern eine Übergabe.

03.09.2009, 11:10
Dann soll er die auch kriegen ;)

Also: Patient, 11 Monate alt, seit einigen Tagen Erkältungssymptome hat eben laut Angaben der Mutter leicht an den Extremitäten gezuckt. Über die Dauer des Zuckens hat sie mir keine Angabe machen können. Körpertemperatur vor ca 5 Minuten bei 39.3°C. Kind war nicht bewusstlos. Letzte Nahrungsaufnahme vor 3 Stunden, genug getrunken.

Das sollte reichen. Mein Verdacht geht spontan in Richtung Fieberkrampf, aber sollte dies der Fall sein, kommt der Doc da sicherlich auch ganz schnell drauf.

Lg, Caro
Caro, 28, Lehrerin.

03.09.2009, 11:57
Der Arzt bedankt sich und stimmt deiner Verdachtsdiagnose voll und ganz zu. Außerdem lobt er dich, weil besser als du hätte er als Ersthelfer auch nicht handeln können. Er ist also vollkommen zufrieden mit deiner Leistung.

03.09.2009, 12:08
Na dann bin ich einfach mal froh und wünsche der Familie noch alles Gute, bevor ich wieder zum langweiligen Familientreffen zurückgehe...
Caro, 28, Lehrerin.

06.09.2009, 19:31
Schon fertig ?

Schönes Fallbeispiel - wenigstens mal was Neues.

Der Fieberkrampf ist mit Abstand der häufigste Notfall beim Kleinkind. Viele Notfälle, die als Atemnot, Zyanose, Bewußtlosigkeit etc. gemeldet werden, stellen sich im Verlauf als Fieberkrampf heraus. Interessanterweise ist nicht die absolute Körpertemperatur entscheidend für das Auftreten des Krampfes sondern mehr die Geschwindigkeit des Anstiegs. Die Therapie des Notarztes ist übrigens trivial und auch durch den Laien bzw. durch die Eltern durchführbar - Gabe von Paracetamol-Zäpfchen (125mg unter 1 Jahr, 250mg über 1 Jahr bei über 10kg KG). Übrigens finde ich als Notarzt die Gabe von Diazepam rektal als wenig hilfreich. Der (Fieber-)Krampf beendet sich immer in kürzester Zeit von selbst. Danach ist es für mich wichtig zu sehen, ob sich die Vigilanz des Kindes verbessert. Ist es mit Diazepam vollgepumpt, kann ich nicht entscheiden, ob der Krampf oder das Diazepam die Ursache der Bewußtseinseinschränkung ist.

Tritt der Krampf zum ersten Mal auf ist Standard, das Kind ins Krankenhaus zu bringen. Dies hat nichts mit der Gefährlichkeit des Krampfes zu tun sondern damit, dass andere Krampfursachen ausgeschlossen werden müssen.

Als Differentialdiagnosen kommen in Frage:

- Enzephalitis, Meningitis
- Epilepsie
- Unzureichender Medikamentenspiegel
- Metabolische Entgleisungen
- Zerebrale Raumforderungen
- Angeborene Fehlbildungen
- Intoxikation

Vorsichtig sein sollte man:

- Bei Krampfanfällen <6 Monaten oder >4 Jahren
- Bei Dauer >15 Minuten
- Paresen nach dem Anfall
- Bei mehr als 4 Rezidiven/Leben
- Bei fokalen Krämpfen
- Bei Vorschädigung (Trauma, OPs etc.)
Es ist Dein Recht, Waffen abzulehnen. Es ist Deine Freiheit, nicht an Gott zu glauben. Aber wenn jemand in Dein Haus einbricht, sind die ersten beiden Dinge, die Du tun wirst: Jemanden mit einer Waffe rufen und beten, dass er rechtzeitig da ist.

07.09.2009, 12:53
Original von Don Spekulatius
Die Therapie des Notarztes ist übrigens trivial und auch durch den Laien bzw. durch die Eltern durchführbar - Gabe von Paracetamol-Zäpfchen (125mg unter 1 Jahr, 250mg über 1 Jahr bei über 10kg KG).


Heißt das, dass ich in dem Fall der Mutter den Rat hätte geben können, ihrem Junior die Zäpfchen zu geben, falls sie welche da gehabt hätte? Ich bin da irgendwie eher zögerlich.
Caro, 28, Lehrerin.

07.09.2009, 13:10
Ja, allerdings unter Einhaltung des Dosismaximums. Wenn sie ihm also schon ein Zäpfchen gegeben hat, dann nicht.
Es ist Dein Recht, Waffen abzulehnen. Es ist Deine Freiheit, nicht an Gott zu glauben. Aber wenn jemand in Dein Haus einbricht, sind die ersten beiden Dinge, die Du tun wirst: Jemanden mit einer Waffe rufen und beten, dass er rechtzeitig da ist.


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