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BeitragVerfasst: 22.04.2014, 13:14
von Maxi
Ok, soweit so gut.

Der Patient war initial auch nicht bewusstlos?

Über den Zugang gibt es eine zügig laufende VEL. Ist ein zweite Zugang möglich?

Zudem hätte ich gerne nochmal den Puls, Blutdruck und die Sättigung.

Jetzt müssen wir noch drei Probleme lösen:

1. Wie bekommen wir den Patienten zum RTW bzw. RTH?

2. Wie bekommen wir den Patienten schmerzfrei bzw. schmerztolerant?

3. Wohin mit dem Patienten?


Ad 1.: Die RTH Besatzung soll doch bitte ein Spineboard (alternativ Combicarrier oder Schaufeltrage / Vakuummatratze / Trage), Vakuumschiene "Bein" und wenn vorhanden eine Beckenschlinge mitbringen.

Der Transport sollte sich ja mit dem vorhandenen Personal über halbwegs befestigte Wege als möglich darstellen, die Alternative wäre eine Windenrettung, falls überhaupt technisch möglich.

Der RTW oder der RTH kann überhaupt nicht in der Nähe landen bzw. hinfahren?


Ad 2.: Um das Umlagern und den Transport für den Patienten möglichst erträglich zu machen, ist mein nichtärztlicher Therapievorschlag:

Analgosedierung zum Lagern mit initial 75 mg Ketamin + 40 mg Propofol. Zur Aufrechterhaltung der Sedierung alle 5 Minuten 10-15 mg Propofol, je nach Wirkung, bis zum Nachlassen der Ketaminwirkung. Nach ca. 10-15 Minuten sollte dies ja geschehen.

Nach erfolgter Lagerung, wenn die Wirkung des Ketamins nachlässt, kann man langsam 15 mg Piritramid applizieren.

Bei der gesamten Prozedur überwacht natürlich ständig einer die Atmung und die Vitalparameter.


Ad 3.: Aufgrund des Verletzungsmusters und des Unfallhergangs kann man von einem polytraumatisierten Patienten ausgehen, auch wenn im Moment keine akute vitale Gefährdung besteht.

Daher wird der Patient für einen Schockraum angemeldet.

"Patient, männlich, 30 Jahre, Z.n. Sturz aus 8 Meter Höhe nach Kletterunfall.
Wirbelsäulentrauma, Beckentrauma, US#.
Nicht intubiert, nicht beatmet, kreislaufstabil."

Im Schockraum hätte ich gerne das volle Programm, bestehend aus Anästhesie, Unfallchirurgie, Radiologie und Neurochirurgie.

Das aufnehmende Haus sollte mindestens über diese Fachrichtungen verfügen, da der Transport mit dem RTH erfolgt, am besten ein Maximalversorger.

Der Patient wird also von seiner Kletterausrüstung befreit ( Achsengerecht, aufschneiden, wennn es nicht anders geht) und entsprechend gelagert. Zudem erfolgt die Anlage einer Beckenschlinge und der Vakuumschiene.

Vor der Prozedur erfolgt die Analgosedierung, Vorschlag siehe oben.

Anschließend verfrachten wir den Patienten in den Heli, Vorschläge stehen ja ebenfalls oben.

So ist mein Vorgehen, sofern sich der Patientenzustand nicht verschlechtert.

BeitragVerfasst: 22.04.2014, 13:58
von lafidi
Initial war der Patient nicht bewusstlos. Um den zweiten Zugang kümmert sich gerade schon der Notarzt, der auch die Schmerzstillung durchführt. (Im Realfall war dies Dormicum und Ketanest.)
Puls, RR, und SpO_2 sind unverändert.

Mit keinem Fahr-/Flugzeug kommt man näher ran. Die Ausnahme wäre das Combifahrzeug der Feuerwehr, das jetzt aber noch 20 Minuten bräuchte ab Alarm und in dem der Patient auch nur mehr schlecht als recht mit dem Spineboard gesichert werden kann. Winden ist auch nicht möglich, da der Hubschrauber keine Winde hat. Auch da könnte man einen kommen lassen, der bräuchte ab Alarm ca. 45 Minuten.

Anmeldung im Schockraum/septischen Notfall-OP ist erfolgt. Das aufnehmende Haus ist eine Unfallklinik, an der der Hubschrauber eh stationiert ist. Flugzeit ab E-Stelle ca. 09 Minuten, Bereitstellen des Schockraumes in der Klinik dauert 2 Minuten, mit vollem Programm nach dortigem Schockraumprotokoll, sprich alles was du willst.

Schreib noch kurz, was du davon haben willst und dann kann das an den RTH übergeben werden. (Also für dich dann auch beendet werden.)

BeitragVerfasst: 22.04.2014, 14:30
von Maxi
Dann hilft wohl nur noch der Transport zu Fuß zum RTW und dann zum RTH.

BeitragVerfasst: 22.04.2014, 15:06
von lafidi
Dann übernimmt jetzt der RTH


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Eigenkritik vor Fremdkritik, bitte zuerst SteffenJRK und RotesKreuz, dann Maxi, dann ich und dann der Rest der Welt ;)

BeitragVerfasst: 22.04.2014, 18:04
von RotesKreuz
Also.. ich habe nicht nach dem Namen des Patienten gefragt und habe am Ende nicht nochmal nach den "Zeugen" geschaut. Den Puls tasten hätte man eigtl auch gleich früher machen können, im Rahmen des Kontaktaufbaus mit dem Patienten.

BeitragVerfasst: 22.04.2014, 18:51
von Gast
Im ganzen denke ich, dass wir das FB gut bearbeitet haben.
Übergabe an RD war denk ich mal gut. Auch die Patientenversorgung hätte (auch aufgrund des verfügbaren Materials) nicht besser laufen können.
Wie schon gesagt, hätten wir früher nach dem Namen des Patienten fragen müssen. Auch der Wärmeerhalt hätte früher kommen können.

Kommunikation zwischen uns war gut. Unsere Unstimmigkeiten haben wir gut gelöst (fast gleichzeitige Abgabe von Beiträgen).

BeitragVerfasst: 22.04.2014, 19:31
von Markus
Ich habe noch einige Bemerkungen – seht es aber bitte nicht als Kritik, sondern als Anregungen – es ist ein komplexer Fall, der auch für gestandene Rettungsdienstprofis knifflig genug sein kann, da er auf verschiedenen Ebenen anspruchsvoll ist (unzugängliches Gelände, beschränkte Ressourcen ….) dass wenig erfahrene Helfer da noch mehr Stolperfallen haben, ist klar.
EKG regelmäßig, Sinusförmig

Sinusförmig beschreibt eine mathematische Kurvenform – was du meinst ist Sinusrhythmus
Er hat diverse Schürfwunden am ganzen Körper und eine Untereschenkelfraktur links. Zudem hat er Kopfschmerzen


Hier ist ein typischer Fixierungsfehler, den man oft bei komplexen Verletzungen begehen kann – man konzentriert sich auf das offensichtliche und verschwendet unter Umständen Zeit und Ressourcen bei der Versorgung für diese Bagatellverletzungen und verliert andere Dinge aus den Augen.
Zudem liegt es nahe, zuerst das zu machen, was man kennt und wobei man sich sicher ist – einen simplen Wundverband kann jeder und das ist sicher auch eine bekannte Standardsituation – so versucht der Mensch instinktiv, anderen (komplexeren, unbekannten) Dingen auszuweichen.
Kann sicher in der Hektik passieren, allerdings hilft hier, auch mal ein Schritt zurückzutreten und sich mal die Komplexität so vor Augen führen – durch Veränderung der Perspektive nimmt man dann oft wieder das Gesamtbild wahr.
Auch ist das Konzept „10 Sekunden für 10 minuten“ aus dem Crisis Resource Management hilfreich – man stoppt für 10 Sekunden die Arbeit – überlegt, was die nächsten Schritte sind, ordnet die Prioritäten neu und verteilt im Team die Aufgaben und hat so die nächsten zehn Minuten strukturiert.
Allerdings gebe ich zu, dass das schon sehr speziell ist – wichtig ist mir an dieser Stelle nur, sich nicht immer von Blut und offenen kleineren Verletzungen leiten und beeinflussen lassen – auch wenn die auf den Ersten Blick erkennbar sind.
Daher würde ich die Übergabe nicht mit "diversen Schürfwunden" beginnen- führt u.a. auch dazu, dass nachfolgende Helfer auch voreingenommen an die weitere Versorgung herantreten.
Zudem fand ich, dass die Kommunikation mit dem Patienten im ersten Abschnitt sicherlich noch verbesserungsfähig war.
Ihr hattet einen wachen Patienten vor euch - daher würde ich nicht "und darf sich noch nett mit uns unzerhalzen bis der RD eintrifft." sondern gezielte Fragen stellen:
Wo hat er Schmerzen (bislang habt ihr nur das Ergebnis des Bodychecks und Kopfschmerzen - die wird ja wohl die Anamnese gebracht haben), liegt Übelkeit vor, gibt es Allergien, Vorerkrankungen, regelmäßige Medikationen.

Weitere Aspekte die man klären sollte:
Wie kam es zum Sturz - Synkope - dann Kontrolle verloren, oder halt andere Unachtsamkeit, gab es eine initiale Bewusstlosigkeit, wie sieht der Helm aus (Schäden - Kopfaufprall)? War der Sturz in irgendeiner Art gebremst (Seil) oder ungebremst? Womit aufgekommen?
Einige Fragen gingen in die Richtung – aber z.B. auf den Helm hat auch der später eintreffende Rettungsdienst nicht mehr geachtet.

Zu dem Vorschlag "Wenn es irgendwo in der Nähe lange Stöcke gibt, versuch ich, damit die Fraktur zu stabilisieren. (Stöcke ums bein rum legen und Verband rum) - lasst es - wozu? Der Patient wird von euch nicht bewegt und vom (in europa i.d.R. zügig eintreffenden RD) sowieso immobilisiert, dann auch mit adäuatem Material - durch solche Aktionen verursacht man nur eine Mehrfachbewegung mit entsprechend Schmerzen. (Quasi das, was Maxi hier auch zur Immobilisation geschrieben hat: http://www.schulsanitaetsdienst.net/wbblite/thread.php?sid=&postid=67339#post67339) Zudem lenkt es wieder die Aufmerksamkeit auf eher unwichtige Dinge.
Nach erfolgter Lagerung, wenn die Wirkung des Ketamins nachlässt, kann man langsam 15 mg Piritramid applizieren.

Was meinst du mit langsam applizieren – Kurzinfusion?
Eine Methode, die ich eigentlich immer ungünstig finde, solche Schmerzzustände brauchen ein Schmerzmedikament, dass einen zügigen Wirkungseintritt und ein schnelles Erreichen des Wirkmaximums hat – und das hat Dipidolor/Piritramid nicht.
Besser herantitrieren mit Fentanyl oder Sufentanil, das wirkt schnell und hat auch entsprechend schnell das Wirkmaximum, so dass ich auch mit minütlichem Abstand was nachgeben kann.
Bei langsamer Applikation bei einem ohnehin langsamen Wirkungseintritt zögert man den Beginn einer suffizienten Analgesie nur nach hinten hinaus.

BeitragVerfasst: 22.04.2014, 22:04
von Don Spekulatius
Und auf hohem Niveau noch:

Original von Maxi
Analgosedierung zum Lagern mit initial 75 mg Ketamin + 40 mg Propofol. Zur Aufrechterhaltung der Sedierung alle 5 Minuten 10-15 mg Propofol, je nach Wirkung, bis zum Nachlassen der Ketaminwirkung. Nach ca. 10-15 Minuten sollte dies ja geschehen.


75 mg Ketamin als initialer Bolus ist mutig. Die Dosisempfehlung zur Analgesie liegt bei 0,25mg / kgKG. Gerade als "nichtärztlicher Therapievorschlag" ist die von Dir vorgeschlagene Dosis zu forsch. Außerdem benötigt der Patient ja keine Sedierung, sondern lediglich eine suffiziente Analgesie. Die zusätzliche Sedierung ist ja nur notwendig, um die (teilweise) negativ psychotrope Wirkung des Ketamins zu bekämpfen. Dafür reicht ein Hauch Midazolam aus.
Aber mach Dir nichts daraus - diese Weisheit geht auch vielen Notärzten vorbei.

Original von Maxi
Ad 3.: Aufgrund des Verletzungsmusters und des Unfallhergangs kann man von einem polytraumatisierten Patienten ausgehen, auch wenn im Moment keine akute vitale Gefährdung besteht.

Ein Polytrauma ohne vitale Bedrohung ist wie ein schwarzer Schimmel. ;)

BeitragVerfasst: 23.04.2014, 00:40
von Maxi
Vielen Dank schon mal für eure Rückmeldung :)

Ad Helm und co:

In der Tat, danach hätte man fragen können, habe ich jedoch überhaupt nicht dran gedacht.

Als Absturzursache habe ich einen Fehler bei der Sicherung vermutet, was mir aufgrund der klaren Äußerung des Patienten am logischsten erschien.

Ad Ketamin / Propofol:

Dazu muss ich sagen, dass ich diesen Therapievorschlag aufgrund von Interesse an der Anästhesie und daraus resultierenden angelesenen Wissen gemacht habe, nicht aus praktischer Erfahrung herraus.

Mein Grundgedanke war, eine ausreichende Analgosedierung für die Lagerung des Patienten zu erreichen und anschließend die Analgesie mit einem Opioid fortzusetzen.

Die Dosierung des Ketamins habe ich mit 1 mg / KgKG recht hoch gewählt, da ich eine Patientin erlebt habe, bei der die in der Literatur angegebenen 0,25 - 0,5 mg / KgKG für eine Reposition inadäquat waren (für die Analgesie ohne Manipulationen allerdings ausreichend).
Ähnliche Aussagen und Dosierempfehlungen habe ich im Netz gefunden.
Bei dem Patienten im Fallbeispiel habe ich ähnliche Manipulationsschmerzen durch die Anlage der Beckenschlinge und der Vakuumschiene vermutet.

Das Propofol habe ich gegeben, um die psychotropen Effekte abzumildern und das Umlagern stressfreier zu gestalten.


Ad Opioid:

Wie oben schon beschrieben, war mein Gedanke, die Analgesie mit einem Opioid nach der Lagerung fortzusetzen.

Ein Beweggrund für das Piritramid war, dass die Analgesie länger anhält im Vergleich zum Fentanyl oder Sufentanil, somit auf dem Transport zu Fuß keine erneute Injektion erforderlich wird.
Zudem gab der Patient mit 4/10 auf der NRS nur mäßig starke Schmerzen an.

Mit langsamer Applikation meinte ich schlicht die langsame Bolusgabe mittels Spritze.


Ad Polytrauma:

Ich meinte, dass der Patient im Moment stabil ist, allerdings aufgrund des Verletzungsmusters (Becken# + US#) und des Unfallhergangs von einem potenziell lebensbedrohlichen Zustand ausgegangen werden muss.

Ad Analgesie

Wie würdet ihr denn, Don und Markus, in diesem Fall verfahren? Ketamin / Midazolam und Fentanyl? Wenn ja, in welcher Dosierung?

Ad Beckenschlinge

Beckenschlinge - ja oder nein, bei einem kreislaufstabilen Patienten ohne massives Beckentrauma?

Ad Selbskritik

Mh... Jo... Fällt mir immer so schwer, kritisiert ihr mich mal lieber ;)

Habe halt versucht, nach dem ABCDE und SAMPLER Schema zu arbeiten.

last but not least: Vielen Dank, Lafidi, für das interessante Fallbeispiel :)

BeitragVerfasst: 23.04.2014, 08:06
von Don Spekulatius
1mg Midazolam und Ketamin titriert nach Wirkung. (Ich will keine Sedierung, sondern nur die Amnesie).
Alternativ initial 0,1 mg Fentanyl und dann titriert nach Wirkung.

Klar KANN es sein, dass 1mg/kgKG Ketamin am Ende als Gesamtdosis notwendig sind. Aber daran muss man sich rantasten.

Die Diskussion Piritramid vs. Fentanyl/Sufenta wird auch immer leidenschaftlich geführt - vor allem zwischen Anästhesisten und Nicht-Anästhesisten.
Gerade bei Chirurgen herrscht der Eindruck, dass Piritramid problemlos ist, Fentanyl aber gefährlich. Tatsache ist, dass die Nebenwirkungen in equianalgetischer Dosis letztlich gleich sind, nur bei Piritramid eben wesentlich länger anhalten. Gleichzeitig dauert es bei Piritramid etwa 10-15 Minuten bis zum Wirkungsmaximum. Lege artis müsste ich also nach jedem Bolus so lange warten, bis ich mehr geben darf.
Dieses Problem habe ich bei einem schnellwirksamen Opiat nicht.

Du siehst - nicht das Aufrechterhalten einer suffizienten Analgesie ist die Herausforderung, sondern der schnelle und sichere Weg dorthin.
Der internistische Grundsatz "Ein Patient - Eine Ampulle" ist in der Anästhesie ein gefährlicher Weg.

BeitragVerfasst: 23.04.2014, 08:35
von Markus
Analgosedierung zum Lagern mit initial 75 mg Ketamin + 40 mg Propofol. Zur Aufrechterhaltung der Sedierung alle 5 Minuten 10-15 mg Propofol, je nach Wirkung, bis zum Nachlassen der Ketaminwirkung. Nach ca. 10-15 Minuten sollte dies ja geschehen.


Die Dosierung des Ketamins habe ich mit 1 mg / KgKG recht hoch gewählt, da ich eine Patientin erlebt habe, bei der die in der Literatur angegebenen 0,25 - 0,5 mg / KgKG für eine Reposition inadäquat waren (für die Analgesie ohne Manipulationen allerdings ausreichend).

Bei dem Patienten im Fallbeispiel habe ich ähnliche Manipulationsschmerzen durch die Anlage der Beckenschlinge und der Vakuumschiene vermutet.

Das Propofol habe ich gegeben, um die psychotropen Effekte abzumildern und das Umlagern stressfreier zu gestalten.

Ein Beweggrund für das Piritramid war, dass die Analgesie länger anhält im Vergleich zum Fentanyl oder Sufentanil, somit auf dem Transport zu Fuß keine erneute Injektion erforderlich wird.


Das ist nicht stringent - beim Opioid wählst du das Piritramid als langwirksames Präparat, um bei dem transport zu Fuß eine gute Wirkung zu haben (so lange wirkt Fentanyl aber auch...), zur Abmilderung der halluzinogenen Effekte des Ketamins aber das sehr kurzwirksame Propofol, dessen Wirkdauer kürzer als die des Ketamins ist und daher nachdosiert werden muss.

In diesem Fall (fragliche Kopfverletzung, gleichzeitig moderate 4/10 Schmerzen) hätte ich einen Weg gewählt, der eine möglichst gute neurologische Beurteilung ermöglicht - also Opioid mono, falls notwendig durch wenig Ketamin (0,125 - 0,25 mg KgKG + wenig Benzodiazepin) supplementiert, ziel sollte das kontinuierliche "verbale Monitoring" sein, eine Eintrübung kann man nach entsprechenden Med-Gaben wie von dir vorgeschlagen, kaum noch erkennen. Zusätzlich würde ich noch was gegen Übelkeit/Erbrechen wie Vomex dazugeben, zumal schon übelkeitstendenzen da sind (daher auch wenn Narkose mit Atemwegssicherung und nicht mit Ketamin/Propofol/Dipidolor).

Konkret Dosierungswünsche beantworten ist immer schwer - junger Mann, Trauma, fraglich Blutung, geringes Schmerzniveau, geringes Stresslevel (niemals Herzfrequenz über 80 - was ich schon seltsam finde, sofern nicht ß-blockiert) - da ist so 0.1 - 0.2 Fentanyl ein guter Start.

Du schreibst hoch gewählte Ketamindosis weil "Bei dem Patienten im Fallbeispiel habe ich ähnliche Manipulationsschmerzen durch die Anlage der Beckenschlinge und der Vakuumschiene [wie bei einer Reposition] vermutet" - ich glaube nicht, dass ich in dem Fall großartig Zeit vor Ort mit der Schienung des Unterschenkels verschwenden würde - Ganzkörperimmobilisation - in diesem Fall mit notwendigem Transport ist das Spineboard mein Mittel der Wahl - bei einem routinierten Team geht das extrem fix und ist auch für den Transport (biegt nie durch, mechanisch robust, viele Griffe) ideal.

BeitragVerfasst: 23.04.2014, 09:48
von Markus
Zur Wahl der Waffen - Opioide:

Im Rettungsdienst sind ja meist Morphin, Piritramid und Fentanyl/Sufentanil vorhanden.

Morphin und Piritramid sind vom Wirkeintritt und -dauer relativ ähnlich - beide brauchen einige Minuten bis zum Wirkmaximum, halten dafür aber lange an (mehrere Stunden), der Wirkbeginn von Fentanyl/Sufentanil ist sehr schnell, die Wirkdauer deutlich kürzer (<1 h).

Meist ist es so, dass Morphin eher bei internistischen (Luftnot, Lungenödem, Coronarsyndrom...), Piritramid eher bei chirurgischen Schmerzzuständen eingesetzt wird. Bei den internistischen Bildern macht man sich beim Morphin den etwas größer ausgeprägten sedierenden Effekt zunutze, im übrigen gibt es halt deutlich mehr Literatur zur Verwendung von Morphin (was aber sicherlich daran liegt, dass Piritramid fast nur in deutschland genutzt wird, in den Staaten gänzlich unbekannt sind und dass daher viele Studien/Leitlinien das Morphin als Substanz nennen). Bei chirurgischen Schmerzen ist natürlich auch das Arbeiten mit Morphin möglich.

Fentanyl/Sufentanil wird tendentiell im Rettungsdienst eher für stärkste Schmerzzustände und zur Narkose genutzt.
Ich persönlich nutze gerne Fentanyl/Sufentanil, mache es allerdings auch vom Verletzungsbild und dem weiteren klinischen Procedere abhängig.
In diesem Fall ist Fentanyl/Sufentanil ideal - schneller Wirkungseintritt, gut zu titrieren und falls es doch zur Narkoseeinleitung kommen sollte kein Substanzwechsel erforderlich. Zudem wird der Patient im Krankenhaus ärztlich/anästhesiologisch weiterbehandelt, so dass die Analgesie-Aufrechterhaltung kein Problem ist.

Bei vielen Verletzungen, die weniger schwer sind, wird der Patient im KrHs kurz ärztlich gesehen, dann in einen Rollstuhl gesetzt, zum Röntgen geschoben - dieses sind Fälle, in denen ich dann zum Piritramid greife, weil sonst die suffiziente präklinische Schmerztherapie beim Röntgen endet und dann dort keiner ist, der was nachgeben kann. Diesem gehe ich durch die Gabe von Medikamenten mit Wirkdauern im Stundenbereich aus dem Weg.

Ansonsten finde ich Fentanyl/Sufentanil persönlich als sicherer, da sie sich besser titrieren lassen. Bei Piritramid ist man doch schnell versucht, vor Erreichen des Wirkmaximums etwas nachzugeben oder (was noch gefährlicher ist) kurze Schmerzzustände wie Verbandwechsel, Repositionen, ... damit begegnen zu wollen und entsprechend zu dosieren, dass es für die Schmerzspitze annähernd reicht, dann aber der Patient ohne Schmerzreiz noch etliche Stunden das Medikament an Bord hat.
Das habe ich bei F/S nicht , hier kann ich adäquat und schnell auftitrieren, weiß, dass die Medikamentenwirkung etwa 1 min nach der Gabe anfängt nachzulassen (und nicht noch erst ansteigt) und kann auch das Management wie Überwachung danach ausrichten. Desweiteren befindet sich, falls man mal übers Ziel hinausschießt, direkt am Patienten, erkennt dieses sofort und kann dieses mit Kommandoatmung ect. überbrücken. Bei M/P kommen die Symptome der Überdosierung u.U. mit zeitlicher Latenz in einer Phase, in der man ggf. nicht mehr unmittelbar an das vor einiger Zeit gegebene Opioid denkt (ggf. unnötige Diagnostik) und der Patient u.U. nicht mehr so engmaschig observiert wird, wie unmittelbar nach der Gabe.

Ein ganz großer Feind bin ich von irgendwelchen "Schmerzinfusionen" mit Mischungen aus Opioid, Nicht-Opioid-Analgetika und anderen Stoffen - hier ist der Wirkungseintritt noch schlechter vorherzusagen (von daher zur Akuttherapie ungeeignet) und eine Kummulation möglich.
Dann lieber mit schnellen Gaben (gerne iv) den Patienten Schmerzfrei/-arm machen und dann oral weitertherapieren. Glücklicherweise gibt es so etwas deutlich weniger als zu Beginn meiner Karriere im med. Bereich .

BeitragVerfasst: 23.04.2014, 10:10
von lafidi
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Vielen Dank für Eure gute Bearbeitung. Alle meine noch offenen Anregungen wurden oben ja schon aufgegriffen.

Die Berichte, wie sie in diversen Online-Medien standen hab ich leider nicht mehr gefunden...

Die vom Notarzt durchgeführte Analgesie habe ich ja bereits geschrieben. Vom Verbleib des "realen Patienten" weiß ich nur, dass er gar nicht so lange in der Unfallklinik war (1 Woche) und keine bleibenden Schäden davontrug, obwohl er ja ca. 8 Meter freien Fall hatte, dabei angeblich einmal gegen die Felswand schlug und auf dem Bauch aufkam auf Waldboden.

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BeitragVerfasst: 23.04.2014, 10:57
von M1k3
Ich möchte nicht Klugscheißern, aber tue es doch:

Wenn wir vom ("alten") Ketmin sprechen ist die analgesie Dosis 0,25 - 0,5mg / kg KG
Wenn wir vom Esketamin sprechen dann 0,125 - 0,25mg / kgKG.
Ketofol finde ich in diesem Rahmen nicht sinnvoll, das wäre eher für kurzes Reponieren was IMHO.

Ketanest muss eigentlich gar nicht "gepanscht" werden, das ist in Deutschland so üblich, in angelsächsischen Ländern kommt man auch gut ohne aus. Darum gebe ich nur sehr wenig Midazolam initial.

BeitragVerfasst: 23.04.2014, 12:27
von Don Spekulatius
Original von M1k3
Ich möchte nicht Klugscheißern, aber tue es doch:

Wenn wir vom ("alten") Ketmin sprechen ist die analgesie Dosis 0,25 - 0,5mg / kg KG
Wenn wir vom Esketamin sprechen dann 0,125 - 0,25mg / kgKG.
Ketofol finde ich in diesem Rahmen nicht sinnvoll, das wäre eher für kurzes Reponieren was IMHO.

Ketanest muss eigentlich gar nicht "gepanscht" werden, das ist in Deutschland so üblich, in angelsächsischen Ländern kommt man auch gut ohne aus. Darum gebe ich nur sehr wenig Midazolam initial.


Ob man Ketanest mit einem Sedativum ergänzen (ähhh.... sorry - "panschen") muss, ist von mehreren Faktoren abhängig. Warum wird Ketamin denn von Discogängern missbräuchlich verwendet? Weil die psychotrope Wirkung vom "Setting" abhängt. Befindet sich der Patient in einer für ihn angenehmen Umgebung, wird er das Ketamin auch eher als angenehm empfinden 
In einer Unfallsituation empfindet der Patient seine Umgebung aber eher als bedrohlich und unangenehm. Es ist aber durchaus möglich, auf ein Sedativum zu verzichten, wenn man versucht, die Bedrohlichkeit für den Patienten abzubauen. Dazu gehört aber auch, dass man dabei dann auf eine ruhige Atmosphäre achten sollte.
Außerdem kann man Ketamin mono verwenden, wenn man in der Dosierung so niedrig bleibt, dass man zwar eine Analgesie erreicht, aber das Bewusstsein an sich erhalten bleibt.
Drittens kann man auch beim S-Ketamin auf eine sedierende Komponente verzichten, da man hier weniger psychotrope Wirkung zu erwarten hat, als beim Razemat.