Sanitätsdienst (2 SanH, erfahrener SSDler)

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Foren-Übersicht Erste Hilfe, Rettung und Medizin Fallbeispiele

17.11.2019, 10:12
Ich versuche auch mal, etwas Ordnung hineinzubringen:

Bei einem Erwachsenen ist das Blutvolumen, dass bei einem geschlossenen Schädelhirntrauma verloren gehen kann, ziemlich klein. Das Schädelinnere ist ja nicht leer, sondern mit Blut, Liquor und Gehirn gefüllt, kommt nun noch Blut außerhalb des Gefäßsystems zu, verschieben sich zwar die Volumen der Kompartimente (Monroe-kelly-doktrin - Liquor verschiebt sich, venöse Blutleiter sind weniger gut gefüllt, später kommt es bei steigendem Druck zu einer Minderdurchblutung des Gehirns und zu einer Verlagerung des Gehirns Richtung Wirbelsäule, wobei es sich selber einklemmen kann), dieses tritt aber schon durch relativ kleine Blutvolumina auf, die jedoch keinen Blutungsschock auslösen können, da die Menge zu gering ist. Anders sieht es natürlich bei Mehrfachverletzten aus, die noch andere Blutungsquellen haben oder aber bei einem offenen Schädelhirntrauma, die durchaus auch relevante Mengen z.B. über Kopfschwartenverletzungen verlieren können. Bei einer Operation (also geöffneter Schädeldecke und somit kein "Abdrücken" mehr) kann es natürlich auch wieder relevant bluten, da sollte der Anästhesist entsprechend alert sein und sich darauf einstellen. Eine Ausnahme gibt es allerdings: Früh/Neugeborene haben im Vergleich zu einem Erwachsenen ein deutlich höheres Kopfvolumen im Vergleich zum restlichen Körper, hier kann eine Blutung ins Schädelinnere auch mal in Hinblick aufs verlorene Blutvolumen relevant sein.

Zur Sauerstoffsättigung:
Sauerstoffsättigung sagt erst einmal aus, zu wieviel % das Hämoglobin mit Sauerstoff beladen ist. Diese Messung ist unabhängig von der Menge des Hämoglobins, d.h. bei einer relevanten Anämie (Blutarmut) kann zwar das Hämoglobin voll mit Sauerstoff gesättigt sein, wenn es in den Körperkreislauf tritt, die absolute Menge ist aber zu wenig, um das Gewebe zu versorgen.

Technisch gibt es im wesentlichen zwei Messmethoden, um die Sauerstoffsättigung zu messen:

die pulsoxymetrische Messung (SpO2 - das p steht nicht für peripher - den Fehler findet man ab und zu - sondern von pulsoxymetrisch), hier wird, ganz grob, mit zwei verschiedenen Wellenlängen das Absorbtionsverhalten gemessen und aus den Veränderungen über die Zeit kann dann herausgerechnet werden, wie es sich in der Phase der Ankunft der Pulswelle verändert und daher auf die Sättigung im arteriellen Blut geschlossen werden. Als nettes Beiwerk fällt hier auch natürlich die Pulsfrequenz mit an, die bei allen Geräten mit angezeigt wird.
die Messung mittels Blutgasanalyse - hier gibt es auch verschiedene Indizes, je nach Messort:
SaO2 - die arterielle Sauerstoffsättigung - also direkt aus der Punktion einer Arterie - also dem, was man auch mittels Pulsoxymeter haben möchte.
SvO2, ScvO2, Sv-O2 (der strich muss über das v - bekomme ich technisch nicht hin) sind weitere Messorte im venösen Bereich, die für weitere Fragestellungen Antworten geben, aber im wesentlichen auf die Intensivstation gehören. Außerdem kann man mit einem (näherungsweise mit zweien) davon Dons Frage beantworten.

Die pulsoxymetrische Messung ist natürlich als nichtinvasive Methode gerade im präklinischen Bereich die Methode der Wahl, daher geht es hier ja im wesentlichen um diese. Da sie so schön, schnell und einfach zu messen ist, gibt es noch weitere Verbesserungen, z.B. die bereits genannte Pulsspektroskopie, die neben der SpO2 auch den Hämoglobinwert ermitteln kann und auch zwischen O2-HB und CO-HB unterscheiden kann und so eine wirklich üble Fehlerquelle der normalen Pulsoxys (Vortäuschung einer guten Sauerstoffsättigung, obwohl ein relevanter Teil des Hämoglobins nicht mit Sauerstoff, sondern mit Kohlenmonoxid beladen ist) feststellen kann. Außerdem gibt es auch Monitortechniken, die über ein ähnliches Verfahren die Sauerstoff-Gewebsmessung ermitteln.

Ich komme jetzt wieder zum normalen Pulsoxymeter mit der Messung des SpO2 zurück:
Es misst also nur das Verhältnis zwischen oxygeniertem und nicht oxygeniertem Blut in der arteriellen Phase und gibt das Ergebnis in einem Prozentwert des oxygeniertem Bluts an - hier ist der Normalwert je nach Quelle im bereich von 96-99 %, manche Menschen haben durch Vorerkrankungen auch im Alltag erniedrigte Sauerstoffsättigungen, so geht es einigen chronisch lungenkranken mit einer Sättigung von 90 % gut.
Die Sauerstoffsättigung ist unabhängig vom zirkulierenden Hämoglobin, d.h. gibt es nur sehr wenig (chronische Blutarmut/Anämie), dieses ist aber voll mit Sauerstoff gesättigt, so wird eine sehr gute Sauerstoffsättigung angezeigt, obwohl das Gewebe nur grenzwertig mit Sauerstoff versorgt ist.
Messprobleme gibt es vor allem dann, wenn die Kreislaufsituation schlecht ist (Zentralisation, erniedrigter Blutdruck, Hypothermie...), dann kann kein Wert ermittelt werden, da die Messmethode eine saubere Pulswelle zur Berechnung benötigt. Hier kann manchmal der Wechsel an einen anderen Messort (Ohrläppchen, Nasenseptum) helfen. Ein weiteres Messproblem ist auch das Vorhandensein von CO-HB, dieses wird von normalen Pulsoxymetern als O2-HB erkannt und auch so angezeigt - somit kann eine Hypoxämie bei gleichzeitigem Vorliegen einer Kohlenmonoxidvergiftung nicht erkannt werden.

Sehr bildlich gesprochen - im Sinne von "es war einmal das Leben":

Wir sind vmlt in unserer Kindheit mit "Es war einmal das Leben" großgeworden - hier spielen die roten Blutkörperchen eine zentrale Rolle, diese haben an ihrem Rücken eine Art Rucksack, in dem blaue Kugeln (also Sauerstoff) liegen.

Normal ist, dass die roten Blutkörperchen gemütlich laufen und ihre Rucksäcke zu 97 % mit Sauerstoff gefüllt sind.

Bei einer Lungenerkrankung oder aber auch bei einer Bergwanderung in großer Höhe oder im Flugzeug werden die Rucksäcke einfach nicht mehr zu 97 %, sondern geringer gefüllt. In Ruhe ist das kein großes Problem, bei Belastung bedeutet das, dass die roten Blutkörperchen mit den nur teilweise gefüllten Rucksäcken deutlich schneller rennen müssen (gesteigertes Herzzeitvolumen), um das Gewebe zu versorgen. Bei chronischer Lungenerkrankung ist auch ein weiterer Kompensationsmechanismus, dass mehr rote Blutkörperchen gebildet werden und so einfach mehr "Rucksäcke" zur verfügung stehen, so dass das Gewebe auch ohne gesteigertes Herzzeitvolumen ausreichend versorgt wird - dieses machen sich Sportler z.B. auch beim Höhentraining zu Nutze. Alternativ kann man hier auch mit relativ kleinen Sauerstoffmengen (z.B. Nasenbrille mit 3 l) erreichen, dass die Rucksäcke wieder deutlich besser gefüllt sind.

Bei einer Kohlenmonoxidvergiftung sind in den Rucksäcken nicht nur blaue kugeln (Sauerstoff) sondern auch schwarz-blaue Kugeln (CO), diese sind allerdings besonders gemein, weil das Rote Blutkörperchen diese nur sehr schlecht wieder los bekommt, da sie besser im Rucksack haften, als die Blauen Kugeln.

Bei einer Blutarmut/Anämie oder in einer akuten Blutungssituation sind einfach weniger rote Blutkörperchen da. Diese haben ihren Rucksack zwar auch weiterhin normal mit Sauerstoff gefüllt, aber die Menge reicht nicht aus, um genügend ins gewebe zu transportieren, hier ist ein Mechanismus, dass sie, ähnlich wie bei der Lungenerkrankung, auch schneller rennen müssen, bei zunehmendem Mangel reicht es aber nicht aus, um genug ins gewebe zu bekommen. Bei einer akuten Blutung ist weiterhin das Problem, dass die Blutgefäße nicht mehr richtig gefüllt sind und somit ein "Rennen" kaum noch möglich ist.
An dieser Stelle kann man auch die Sauerstoffgabe beim Blutungsschock noch nett erklären. die Rucksäcke sind gut gefüllt - daher erscheint es ja auf dem ersten Blick nicht wirklich zielführend, hier noch zusätzlich Sauerstoff anzubieten - allerdings wird auch immer ein bisschen Sauerstoff im Blut unabhängig von den roten Blutkörperchen transportiert (physikalisch gelöster Sauerstoff) - durch ein wirklich deutlich gesteigertes Angebot (also 100% Sauerstoffbeatmung oder Sauerstoffmaske MIT reservoir und hohem Flow) kann man relevante Mengen Sauerstoff unabhängig von den Erythrozyten transportieren (also blaue Kugeln, die im Blutfluss mitschwimmen, unabhängig von den Rucksäcken) - dient vor allem als kurze Überbrückungsmaßnahme bis zur Transfusion - allerdings ist das nur beim Angebot von viel Sauerstoff relevant - daher kann man sich die 2 l Sauerstoff per Nasenbrille sparen, das hat keinen Effekt, sondern wenn, dann richtig, oder gar nicht.

Bemerkungen zu ein paar Statements:

Meines Wissens nach misst die Sauerstoffsättigung den Anteil des Hb, an den O2 gebunden ist durch einen Lichtsensor. Das bedeutet es misst, wieviel von dem Hb, dass durch das periphere Gewebe fließt, gesättigt ist und nicht, wieviel vom gesamten Hb im Körper (sonst würde Pulsoxymetrie ja keine verlässlichen Werte bei Kindern und vor allem Babys liefern)gesättigt ist.

Wie oben schon geschrieben - vergiss das periphere Gewebe - das Pulsoxymeter misst ständig die Absorption von licht und kann durch die Veränderungen erkennen, wann eine Pulswelle kommt (somit die Pulsfrequenz mit anzeigen) und das "mehr" an gebundenem Sauerstoff in der Pulsphase somit eindeutig dem arteriellen Blut zuordnen und somit auch angeben, wie die Sauerstoffsättigung im arteriellen Blut ist. Und die ist in jeder arterie - unabhängig vom Messort - gleich.

Trotzdem gibt es dort ja einen Zusammenhang: Wenn das Gewebe nicht mehr mit sauerstoffreichem Blut versorgt wird (was in der SpO2 angeben wird) entsteht die Hypoxie. Wie eine Hypoxie ohne Hypoxämie entstehen soll kann ich mir gerade nicht herleiten.

Die Sauerstoffsättigung gibt nur an, zu wieviel Prozent das Hämoglobin beladen ist, jedoch nichts über die Versorgung des Gewebes. Beispielsweise kann es durch eine manifeste Alkalose sein, dass das Hämoglobin den Sauerstoff schlechter abgibt oder aber das Gewebe durch eine Zyanidvergiftung den ankommenden Sauerstoff nicht verstoffwechseln kann. Das jetzt aber alles hier aufzudröseln, würde zu weit führen.

Aber kann das Pulsoxy nicht nur den Anteil sauerstoffgesättigter Hb Moleküle im Vergleich zu ungesättigten messen? Wenn dies der Fall wäre, müsste eine normale Sättigung herauskommen, da der Patient ja suffizient atmet -es kommt nur kaum Blut an, also Zyanose trotz normaler Sättigung. Einen niedrigeren Wert könnte das Pulsoxymeter nur anzeigen, wenn es die Gesamtmenge an Hb im Körper kennen würde. Dann müsste es aber extra Geräte für die Pädiatrie geben, welche es nicht gibt.

Das kann ich nicht nachvollziehen, zur Frage des ersten Satzes - genau richtig, das macht es. Daher sollte ja auch eine normale Sättigung angezeigt werden. Allerdings (wie oben geschrieben) benötigt ein Pulsoxy zur Messung eine gute Signalqualität der arteriellen Blutdruckwelle - Daher ist es oft so, dass die Geräte bei Schock, Hypotonie, Zentralisation.... keine Werte liefern, was aber oftmals dann am Kreislauf, nicht am Sauerstoffangebot liegt (würde man aus einer Arterie eine Sauerstoffsättigung im Blutgasanalyse-Gerät machen, hätte man eine normale Sauerstoffsättigung).
Die Gesamtmenge am HB spielt an dieser Stelle überhaupt keine Rolle.

Bei einem Patienten mit einem GCS von 13 einen neurogenen Schock zu konstruieren, bei dem eine Vasoplegie vorliegt, halte ich schon für weit hergeholt...

wenn noch fragen auftauchen...
07.04.2021, 09:48
Dark hat geschrieben:Sehr cool, das freut mich :D
Da ich "erst" SSDLer bin, lasse ich andere gerne voraus. Außerdem habe ich bisher leider noch nicht den Umgang mit Guedl- und Larynxtuben gelernt, so dass ich das leider nicht anwenden könnte.


Ja mir geht das ähnlich und deswegen lasse ich andere gerne den Vortritt:-) Aber ich lese natürlich gerne mit.

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