Manuell oder halbautomatisch defibrillieren ?

Hier kann über alle Maßnahmen von der Ersten Hilfe bis zur klinischen Behandlung diskutiert werden.

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04.02.2011, 15:29
Diese Diskussion richtet sich in erster Linie an Rettungsdienst bzw. med. Fachpersonal.

Im Rahmen der Umsetzung der ERC-Guidelines 2010 ist es in meinem Rettungsdienstbereich zu einigen Diskussionen gekommen.

Um die Unterbrechung bei der Herzdruckmassage ("No-Flow-Time") so kurz wie möglich zu halten, verzichten einige Mitarbeiter auf die automatische Analysefunktion des Halbautomaten, schalten den Defi gleich in den manuellen Betrieb um und führen ggf. eine manuelle Defibrillation aufgrund der eigenen Rhythmusdiagnose durch.

Wie wird das aktuell in euren Bereichen gehandhabt?

Dieses Vorgehen ist ja gut nachzuvollziehen, aber doch nicht so ganz "BÄK-Lobbyisten"-Konform...
35 Jahre, Im-RTW-beim-Patienten-Sitzer, hauptamtlicher "Zivi"-in-den-Hintern-Treter, ehrenamtl. Löschknecht, Obermufti von einigen SSDs -- im schönsten Bundesland der Welt: Schleswig-Holstein!

04.02.2011, 16:18
Bei uns bleibt es wie es ist. Halbautomatisch. Wie gehwohnt mit Analyse-Schritt.

Allerdings sollen wir demnächst von Zoll den E-Series bekommen. Wenn ich es richtig verstanden habe, ist es mit ihm und dem Autopulse möglich, ohne Unterbrechung der Kompressionen zu defibrillieren.
Wir werden aus den schönsten Träumen gerissen,
um so manchen Alptraum zu erleben.

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04.02.2011, 17:23
Original von abgesoffen

Allerdings sollen wir demnächst von Zoll den E-Series bekommen.



Mein Beileid! Viel Spaß beim schleppen...

Und pass auf, dass die Akkus nicht in Flammen aufgehen! ;)
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04.02.2011, 18:34
Original von Hajo Behrendt
Original von abgesoffen

Allerdings sollen wir demnächst von Zoll den E-Series bekommen.



Mein Beileid! Viel Spaß beim schleppen...

Und pass auf, dass die Akkus nicht in Flammen aufgehen! ;)


Du machst ein Thread auf und lenkst die Diskussion nach 1 Post in eine andere Richtung? ?(

Also bei uns im Rettungsdienst kommt beides vor. Die erfahreren Kollegen defibrillieren häufig manuell und verlassen sich auf ihre eigenen Fähigkeiten zur Rhythmusanalyse, während die jüngeren, frischeren RAs sich eigentlich alle noch an der Automatik orientieren.
19 Jahre. Abiturient. Helfer-vor-Ort. Rettungssanitäter. Nebenamtlich im Rettungsdienst. Humanmedizinstudent im 2. Semester, EKT. Ausbilder EH, LSM, EH am Kind.

04.02.2011, 20:55
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17270336

Paramedics performed CPR with less hands-off time before and after shocks on a manikin with manual compared to semi-automatic defibrillation following the 2000 Guidelines. However, 12% of the shocks given manually were inappropriate.


http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17241734

Manual defibrillation resulted in shorter pauses in chest compressions, but a higher frequency of inappropriate shocks. A higher formal level of education did not prevent inappropriate shocks.
Es ist Dein Recht, Waffen abzulehnen. Es ist Deine Freiheit, nicht an Gott zu glauben. Aber wenn jemand in Dein Haus einbricht, sind die ersten beiden Dinge, die Du tun wirst: Jemanden mit einer Waffe rufen und beten, dass er rechtzeitig da ist.

05.02.2011, 00:05
Die LP 12 hier verfügen über beide Modi, das wechseln zwischen diesen ist schnell und leicht möglich.

Welche Version man nutzt liegt an einem Selber, bzw. eben am Teamchef. Da wo ich meinen RS gemacht hab waren auch beide Modi möglich, typisch für RettAss jedoch der AED modus.

Nach den Erkenntnissen der ERC würde ich nun auch eher den manuellen Modus nutzen.
" Die jungen Leute von heute sind wesentlich angenehmer als in den 60er, 70er und 80er Jahren. Sie sind toleranter und respektvoller, auch älteren Leuten gegenüber. "
- Heino

05.02.2011, 14:23
Also ich rätsle schon ne Zeit darüber, was uns diese Diskussion für ein Ergebnis bringen sollte ?(

Vielleicht irgendeine Statistik die aussagt, 25 Leute defibrillieren im halbautomatischen Modus und 5 im manuellen ??? Aber welche Sinn oder Erkenntnis ergibt sich daraus ??

Und außerdem frage ich mich, wozu es Richtlinien, Vorgaben und was auch immer gibt wenn sich dann doch einige wieder selbstherrlich darüber hinwegsetzen.
Es hat schon seinen Sinn warum wir Rettungsdienstler den halbautomatischen Betrieb nutzen sollen und ich rate auch jedem, den Richtlinien und den Anweisungen des jeweiligen ärztlichen Leiters eures Bezirkes zu folgen.

Gruß Jürgen

05.02.2011, 19:37
Wieso Selbstherrlich drüber wegsetzen? In meiner RS Ausbildung haben wir mit einem LP 10 gearbeitet. Da musste man selber Interpretieren, das gab das Gerät nicht her. In meiner RettAss Ausbildung wurden beide Varianten geübt.

In den Empfehlungen des ERC wird klar das viel Zeit durch die Analyse und das Laden (no - flow time) verstreicht wo keiner drückt, und das dies die Erfolgschancen stark minimiert. Eine kürzere Pause für die Analyse und ein weiter Drücken während des Ladens verringert die "no - flow time".

Es hatte auch mal seinen Sinn das die HLW nur Ärzten vorbehalten war, aber auch das ist Gott sei Dank in der Vergangenheit ;) Erkenntnisse ändern sich. Schon jetzt sind viele ÄLRD der Meinung das ihr Personal mehr kann (mit entsprechender Übung und Überprüfung) als das was die BÄK empfiehlt. Warum also nicht auch manuell Blitzen? Grade wenn das für den Patienten einen erheblichen Vorteil bringen kann.

Diese Diskussion soll wohl einfach ein Austausch von Meinung und Erfahrungsberichte sein, die einen Ausschnitt darstellen wie verschiedene Bereiche und Personen mit den neuen Empfehlungen umgehen.


@Don: Sind das Statistiken aus einem Paramedic System? Denn dort hätte man ja keinen Vergleich wie viele Ärzte präklinisch falsch Blitzen würden. Auch besagt die zweite Studie in dem Teil erstmal nur das ein besseres Training falsches Blitzen nicht verhindert. Nicht dass damit die Zahl der falschen Defibrillationen nicht verringert werden kann.

Aus deinem zweiten Link:
The proportion of inappropriate manual shocks was higher for resident physicians in-hospital than paramedics out-of-hospital
" Die jungen Leute von heute sind wesentlich angenehmer als in den 60er, 70er und 80er Jahren. Sie sind toleranter und respektvoller, auch älteren Leuten gegenüber. "
- Heino

05.02.2011, 20:21
@ Don:
Da müsst man jetzt mal schauen, was schwerer wiegt: Eine nicht notwendige Defibrillation bei Asystolie (sowieso gaaanz schlechtes Outcome bei Asy als Primärbild...) oder zehn Reanimationen bei Kammerflimmern mit ggf. mehrmaliger, langer Unterbrechung der Herzdruckmassage durch die Analysefunktion...

Interessant wäre auch zu wissen, wie die Analyse erfolgte: Nur über aufgesetzte Paddels (Schnellableitung) oder über regulär angebrachtes EKG-Kabel... Weil wenn man bei der Schnellableitung ein bisschen aufgeregt ist...

Ich kenne auch Ärztliche Leiter, die gerade die manuelle Defibrillation durch RettAss wieder freizugeben gedenken.

Ich will hier keine bestimmte Meinung/Position vertreten, sondern in der Tat nur einen Erfahrungsaustausch bzw. Überblick über die Situation in unterschiedlichen Rettungsdienstbereich ermöglichen, ohne speziellen Hintergedanken.
Zuletzt geändert von Hajo Behrendt am 05.02.2011, 20:29, insgesamt 2-mal geändert.
35 Jahre, Im-RTW-beim-Patienten-Sitzer, hauptamtlicher "Zivi"-in-den-Hintern-Treter, ehrenamtl. Löschknecht, Obermufti von einigen SSDs -- im schönsten Bundesland der Welt: Schleswig-Holstein!

05.02.2011, 21:41
Paddles? WO bsin du unterwegs? :D Fastpatches sind doch schon seit 2005 das Mittel der Wahl zum Blitzen? Darüber kann man auch aufgeregt ganz gut ableiten ;)

In unserem Kreis gibts garkeine Paddles mehr, außer auf einem NEF, was wohl eine "Fehlbestellung" war ;) (Dort sind diese jedoch acuh nur in der Reserve vorgehalten). Steht nicht auch in den ERC 2010 was von Paddles sind doof, und wenn nutzen dann mit Gelkissen, statt Gel?
" Die jungen Leute von heute sind wesentlich angenehmer als in den 60er, 70er und 80er Jahren. Sie sind toleranter und respektvoller, auch älteren Leuten gegenüber. "
- Heino

05.02.2011, 21:55
Original von M1k3
@Don: Sind das Statistiken aus einem Paramedic System? Denn dort hätte man ja keinen Vergleich wie viele Ärzte präklinisch falsch Blitzen würden. Auch besagt die zweite Studie in dem Teil erstmal nur das ein besseres Training falsches Blitzen nicht verhindert. Nicht dass damit die Zahl der falschen Defibrillationen nicht verringert werden kann.

Aus deinem zweiten Link:
The proportion of inappropriate manual shocks was higher for resident physicians in-hospital than paramedics out-of-hospital


Wie gesagt - die Fehlerquote war bei den Ärzten in diesen Studien ebenfalls hoch. Allerdings waren es auch "Residents".

@ Don:
Da müsst man jetzt mal schauen, was schwerer wiegt: Eine nicht notwendige Defibrillation bei Asystolie (sowieso gaaanz schlechtes Outcome bei Asy als Primärbild...) oder zehn Reanimationen bei Kammerflimmern mit ggf. mehrmaliger, langer Unterbrechung der Herzdruckmassage durch die Analysefunktion...

Richtig. Wahrscheinlich würde man aber dem Patienten mit der Asystolie schaden, weil man seine Thoraxkompressionen sinnlos zu lange unterbricht. Vielleicht sollte man sich daher an die Leitlinien halten, die IMHO eine automatische Erkennung des Rhythmus favorisieren.

Über das Paddle-Thema sollte man eigentlich nicht mehr diskutieren müssen. Ansonsten würde man ja auch wieder Zeit verlieren, wenn man die Paddles jedesmal plazieren muss - oder ?
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05.02.2011, 22:37
Gut, das mit den Paddels ist ein Reizthema. Trotzdem verbraucht die Vorbereitung, gerade mit Gel (was man ja auch nicht mehr nehmen darf...), weniger Zeit, als das Anbringen der Klebeelektroden (deren Benutzung zur Reanimation in meinem RD-Bereich ausdrücklich verboten ist, sie werden nur zum "Schrittmachern" vorgehalten). Aber die Diskussion hatten wir schon mal...

Die Zeit, die für eine Defibrillation draufgeht (ich drücke ja während des Ladens weiter), ist bei weitem nicht so lange wie die, die das Gerät für eine Analyse braucht. Da würde ich die Analyse-Zeit (jedesmal ca. 15 Sek.) lieber bei den 10 Kammerflimmern-Patienten sparen wollen, als bei dem einen überflüssigen Asystolie-Schock.

Wesentlich schlimmer finde ich da aber die mutmaßliche Schädigung des Gewebes durch die unnütze Defibrillation. Wobei ich allerdings noch keine erfolgreiche Reanimation bei einem Patienten mit Asystolie oder EMD als Erstrhythmus erlebt habe...
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06.02.2011, 10:11
Original von Hajo Behrendt
Wobei ich allerdings noch keine erfolgreiche Reanimation bei einem Patienten mit Asystolie oder EMD als Erstrhythmus erlebt habe...

Dann solltest Du in Deinem Bereich eher das Training nach den aktuellen Leitlinien intensivieren, statt davon abzuweichen. Ich gebe Dir uneingeschränkt recht, mit der schlechten Prognose von Patienten mit Asystolie oder PEA als initialem Rhythmus. Die Chance, diese erfolgreich zu reanimieren ist nahezu null, aber nur, wenn es nicht gelingt, eine der potentiell reversiblen Ursachen zu finden und zu behandeln. Davon gibt es mehr als man denkt.

In meinem Bereich haben wir gerade ein Lifepak 20 bekommen und meine erste Amtshandlung war, die Paddles abzumontieren und tief unten irgendwo in einer Schublade zu verstecken. Irgendwo müssen wir die Kirche mal im Dorf lassen. Die Paddles werden einmal aufgeklebt und danach ist die Anwendung viel schneller und sicherer. Wenn Du mal ein Defibrillationsszenario nach den ERC-Sicherheitskriterien durchspielst, dann ist dies mit Klebepaddles VIEL einfacher, schneller und sicherer.

Es kommt immer wieder zur Sprache, dass Ihr in Deinem RTD-Bereich ständig versucht, ein eigenes Süppchen zu kochen. Wenn Hersteller und ERC die Klebeelektroden zur Defibrillation freigeben und sogar empfehlen, dann frage ich mich nach der rationalen Begründung dafür, dass dies in Deinem Bereich anscheinend explizit verboten sein soll.

Zur Analyse:
Snyder et al haben die Zeit der No-Touch-Intervalle 2004 untersucht. Die Zeit, bis zur Abgabe des ersten Schocks lag beim langsamsten Gerät bei etwa 20 Sekunden, beim schnellsten aber nur bei 8 Sekunden. Also sollte man eher bei der Auswahl des Gerätes auf die Geschwindigkeit der Analyse achten, statt die Sicherheit des Teams aufs Spiel zu setzen. Ganz abgesehen davon, dass man auch mal untersuchen sollte, ob die effektivere Defibrillation durch den besseren Hautkontakt der Klebepaddles nicht wiederum für den Patienten mehr bringt, als die paar Sekunden, die für die Analyse draufgehen.
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03.07.2011, 07:29
Also, ich muss mich doch sehr wundern. Klar ist die "no Flow Zeit" zu minimieren, aber es sagt keiner, schon gar nicht die ERC das die Analysephase entfallen sollte und man manuell schocken sollte! Der halbautomatische Modus bzw. AED-Modus ist absolut das Mittel der Wahl. Was man tun soll ist bei EKG/Defi-Einheiten in der immer recht langen Ladezeit zu drücken.
DAS GILT ABER NICHT FÜR AED! Bei einem AED der in aller Regel unter 5 Sekunden lädt würde man so 8 Kompressionen hinbekommen. Wie wir ja aber alle wissen braucht man mindestens ca. 12-14 Kompressionen um eine Zirkulation erst einmal in Gang zu bringen. Das wäre also auch durch Drucken eine "No Flow Zeit". Also das bei AED mit so kurzer Ladezeit lassen.
In den ERC-Richtlinien steht auch ganz klar das das Drücken in der Ladezeit ein gut eingespieltes Team und einen Teamleader benötigt, also nichts was bei der Anwendung eines AED vorhanden ist.

Letztends kam auch ein Azubi zu mir und sagte das man auf der Schule ihm sagte man solle in der Analysephase des LP15 drücken um die "No Flow Zeit" zuminimieren. Als ich ihm dann nicht nur die Stelle in der Bedienungsanleitung gezeigt habe in der das absolut untersagt wird und noch dazu nochmals darauf hingewiesen habe das dann durch das verfälschte EKG-Bild keine richtige Analyse möglich ist war das auch aus der Welt.
Es ist nun wirklich nicht anzuraten im manuellen Modus zu schocken wenn wir die Möglichkeit haben das bedeutend sicherer und mit 99,999999999% Sicherheit der Analyse des Halbautomaten zu tun. Das erreicht kein Notarzt, diese Sicherheit.
Lehrrettungsassistent, Paramedic nach US-DOT, HEMS-Crew Member, Zugführer Einsatzeinheit, langjähriger Leiter einer JRK-Gruppe, EH- und AED Ausbilder und Inhaber von Ostalb-Med.de


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