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Einsätze mit SVV, Anorexie o.ä.

BeitragVerfasst: 07.03.2010, 21:33
von sternenkind
So in meinem Thread gehts um Einsätze in denen psychisch vorerkrankte Patienten behandelt werden.
Vorallem die im Titel genannten Krankheitsbilder sind ja mittlerweile sehr unter Jugendlichen verbreitet.

Ich denke zwar das ich, aus anderen Gründen, eh mit solchen Situationen anders umgehen würde als andere Menschen.

Wie geht ihr o. würdet ihr mit solchen Patienten und Einsätzen umgehen...?

BeitragVerfasst: 07.03.2010, 22:10
von Onkel Juergen
Dann würde ich dich aber auch bitten gezielter zu fragen, ob du jetzt mit den Einsätzen einen SsanD oder den RD meinst. Das sind nämlich gravierende Unterschiede und ich fände hier einen SsanD mit der Thematik überfordert ...

Gruß Jürgen

BeitragVerfasst: 07.03.2010, 22:13
von sternenkind
ich rede durchaus vom SSD und nicht vom Rettungsdienst. Nun gut, überfordert mag sein, aber diese Einsätze kommen durchaus vor.

edti. ich finde das auch SSDler durchaus mit solchen Thematiken vertraut sein sollten und eventuell auch im Umgang mit solchen Patienten

BeitragVerfasst: 07.03.2010, 22:21
von Onkel Juergen
Okay, dann warten wir mal ab was sich hier tut und diskutieren dann hinterher.

Gruß Jürgen

BeitragVerfasst: 07.03.2010, 22:42
von GeKue
Oh, da hatten wir im alten Forum sogar ein eigenes Topic für und eine riesen Menge an Informationen gesammelt. Darum ist es echt schade... :(

War ursprünglich geplant, daraus eine FAQ zu machen. Ob die jemals fertig wurde, weiss ich nicht.

BeitragVerfasst: 07.03.2010, 22:53
von sternenkind
die FAQ zu dem Thema habe ich mir damals auf dem Laptop gespeichert... war soweit ganz gut...

²Jürgen, wenn du magst kannst du ja mal was aus rettungsdienstlicher Sicht dazu erzählen. Würde mich sehr interessieren

BeitragVerfasst: 07.03.2010, 22:56
von Sabine
@ Jürgen
Ja mich würde das auch brennend heiß interessieren ;)

BeitragVerfasst: 08.03.2010, 07:00
von SunshineSani
Mhh, das ist ein durchaus komplexes Thema. Zumal gerade psychische Erkrankungen oft mit Comorbitäten verschiedenster Art einher gehen könne. Das macht es selbst für erfahrene Fachärzte teilweise schwer zu erkennen wo genau der Schuh drückt. Insofern sollte man sich als SSD, aber auch als RD, eher zurückhalten mit Diagnosestellungen. Eine vermeindliche Anorexia nervosa (grob: Abnehmen für das Selbstwertgefühl) kann tatsächlich eine Boarderlineerkrankung mit schweren depressiven Episoden, diversen Zwangsstörungen und selbstschädigendem Verhalten durch Hungern und Sport (grob: Abnehmen als Strafe für sich selbst) sein. Das macht dann schon einen großen Unterschied, obwohl die Person für uns erstmal einfach nur abgemagert sein wird. Aber wir haben auch nicht die Zeit uns lange damit zu beschäftigen. Insbesondere sollte man tunlichst die Finger davon lassen den Patienten auch ansatzweise zu therapieren (in psych Hinsicht). Dafür sind wir alle nicht ausgebildet und wenn man dran denkt, dass diese Personen nicht selten mehrere Monate stationär und später über Jahre hinweg ambulant in Therapie sind, dann sollte auch klar sein, dass wir da keinen Einfluss haben können - zumindest keinen guten. Ich hatte einmal das Erlebnis unbewusst einen Trigger bei einem psychisch erkrankten Patienten zu treffen im Rettungsdienst. Einmal eine Bemerkung zum Kollegen und schon wars zu spät. Es war eine alltägliche, humoristische, typisch kollegiale Bemerkung - leider nicht für den Patienten. Ergebnis war, dass wir uns nen NA nachbestellen mussten und schließlich die Polizei, weil der Patient (eigentlich sollte er wegen unklarer Synkope ins KH) sich plötzlich in einer akuten Epiisode befand.

Was ich letztlich damit sagen will: Solche Patienten gibt es, aber selten zeigen sie uns ihr wahres Gesicht. Zudem ist es ein extrem komplexes Feld. Es ist gut wenn man sich da etwas informiert und Gedanken macht, sowohl als SSD als auch als RD, aber letztlich sollte man es dann den Fachärzten und Psychologen überlassen.

Mein Tipp im Umgang mit solchen Patienten: Es ist deutlich einfacher sich auf die Patienten und ihre Krankheit einzulassen, als sie davon zu überzeugen, dass was sie sagen falsch ist. Einen Patienten mit Wahnvorstellungen (überall ist eine gefährliche Strahlung, er ist nur im Haus sicher) davon zu überzeugen, dass er im Unrecht ist dauert; und zwar lange! Seeeehr lange. Vermutlich würdet man es nach mehreren Stunden sein lassen und den Pat. mit Gewallt einweisen oder aber ihn daheim lassen. Wenn ich aber auf den Patienten zugehe und ihm sage, dass ich seien Angst verstehe und wir deshalb vorgesorgt haben gegen die Strahlung (Spezial-RTW und Strahlenschutzdecken [Rettungsdecke]), dann habe ich durchaus gute Chancen meinen Job zu machen.
Gleiches gilt für alle anderen psych. Krankheitsbilder. Wir müssen den Patienten nicht überzeugen, dass wir Recht und er Unrecht hat (machen dann Fachärzte und Psychologen), sondern wir müssen ihn nur soweit bekommen, dass er macht was wir wollen.


Ansonsten sei gesagt, dass Anorexie und SVV selten echte Notfallbilder werden. Bei der Anorexie hat man vielleicht mit einer BZ-Entgleisung zu kämpfen (wobei die sich deren Körper oft daran gewöhnen und sie nicht ständig alle unterzuckert in den Ecken liegen) und bei SVV meistens (!) mit oberflächigen Schnitt, Schürf, Kratz, Beiß und Brandwunden. Da ist es dann auch empfehlenswert, insbesondere als SSD, das eigentliche Notfallbild zu behandeln und nicht irgendwo in der Psyche nach einer Ursache suchen - klappt in den 10min eh nicht. Und das ist denke ich eher der Punkt wo der SSD (und auch RD) auch arbeitet: Folgen von psych. Erkrankungen, und weniger die psych. Erkrankung selbst.


In diesem Sinne wünsch ich euch allen eine entspannte und einsatzfreie Woche.

[Sie hörten: Das Wort zum Montag]

BeitragVerfasst: 08.03.2010, 08:06
von M1k3
Wenn ich aber auf den Patienten zugehe und ihm sage, dass ich seien Angst verstehe und wir deshalb vorgesorgt haben gegen die Strahlung (Spezial-RTW und Strahlenschutzdecken [Rettungsdecke]), dann habe ich durchaus gute Chancen meinen Job zu machen.
Gleiches gilt für alle anderen psych. Krankheitsbilder.


Wobei ich das eher als ultima ratio ansehe, schlieslich bekräftigen wir seine Psychose wenn wir so tun als wäre das Geschehniss echt.

Ich persönlich würde mir lieber dann mal die 1 - 2 Stunden ans Bein binden, bzw nen KIT oder ähnliches antanzen lassen. Natürlich gibt es Situationen wo man eben nciht diese Zeit warten möchte / kann.

BeitragVerfasst: 08.03.2010, 08:50
von Onkel Juergen
Also alle, die sich jetzt nach Erfahrungsbeichten von mir zu diesem Thema sehnen muß ich leider enttäuschen - es gibt bei mir so gut wie keine - jedenfals kann ich mich nicht daran erinnern. Sicherlich hatte ich einige Einsätze - besonders bei jungen Mädchen - wo man solche Erkrankungsbilder vermuten konnte. Aber wie Sunshine schon sagte, wir im RD erscheinen dann aufgrund der Folgen wie blutende Wunden, Hypoglykämie usw auf der Bildfläche. Im Normalfall sind das für uns völlig unbekannte Patienten, wir vebringen einige Minuten mit ihnen um ihnen bestmöglichst zu helfen und dann verschwinden wir wieder aus ihrem Leben. Die Ursachen für ihre Probleme müssen - wie ja auch richtig erwähnt - von anderen Fachkräften therapiert werden.
An einer Schule aber sieht die Geschichte schon wieder ganz anders aus. Da kennt man sich aus jahrelanger Schulzeit, geht ev. in dieselbe Klasse oder ist sogar enger befreundet. Hier hat man schon eher mehr Hintergrundwissen was mit demjenigen los ist, vielleicht hat er sich euch ja auch mal näher anvertraut. Wie man aber mit solchen Personen in Notfällen umgeht kann man so pauschal nicht sagen denke ich mal, das ergibt sich immer aus derjenigen Situation die sich euch gerade darstellt. Was ich aber sicher sagen kann ist : wenns wirklich mal hart kommen sollte ( in der Schule als SsanD ) dann wird sich so ein Einsatz ziemlich in die Länge ziehen und dann würde ich euch immer raten den RD anzufordern denn dann übersteigt so ein Einsatz eure Möglichkeiten. Zumal es auch nicht eure Aufgabe als SsanD ist solche problembehaftete und zeitraubende Einsätze ganz alleine abzuarbeiten.
Bis der RD aber letztendlich eintrifft sollte ihr einfühlsam mit der Person umgehen, sie an einen ruhigen Ort verbringen und nach Notwendigkeit auch versorgen.

BeitragVerfasst: 08.03.2010, 09:06
von Buschi
Wer sich über das Thema SVV informieren möchte, dem möchte ich die Seite rotetraenen.de empfehlen.

BeitragVerfasst: 08.03.2010, 19:16
von saniteuse
Wir haben beide Fälle schon im SSD erlebt, wobei gerade SVV nie ein Einsatzgrund war, sowas fällt eher zufällig mal im Einsatz auf wenn andere, zufällige Verletzungen hinzukommen, die Leute gehen damit seltenst hausieren (hab ich nur einmal erlebt dass jemand das rumgezeigt hat und das war nicht auf unserer schule.. eigenartige Menschen gibts..). Auch Essstörungen sind selten ein Einsatzgrund, manchmal kriegt man bei Unterzuckerungen den Verdacht und fragt dann ein bisschen mehr nach.
Ich persönlich habe in solchen "dienstlichen" Situationen immer vorsichtig das Gespräch mit der/dem Betreffenden gesucht (wobei man tunlichst darauf achten sollte bloß nie irgendwas zu unterstellen) was abgesehen von einem Fall dazu geführt hat, dass zugestimmt wurde mal ganz unverbindlich und ohne dass es jemand mitbekommt ein Gespräch mit der (bei uns glücklicherweise vorhandenen und meiner Meinung nach sehr kompetenten) Schulpsychologin oder falls die Vertrauenslage da besser ist mit einem unserer Seelsorge-Lehrer zu führen. Dabei habe ich mir gleichzeitig die Erlaubnis geholt denen Bescheid zu sagen damit solche Termine auch wirklich stattfinden bzw. es seitens der Seelsorge eine gewisse Aufmerksamkeit dafür gibt. Das weitere Verfahren habe ich dann denen überlassen.
In dem einen Fall, der das definitiv abgelehnt hat habe ich der Seelsorge dann selbst einen Tipp gegeben ohne die Zustimmung des Betreffenden zu haben, das mag man als Schweigepflichtverletzung sehen, aber soweit ich informiert bin hat der SSD die rechtlich nicht und das Ausmaß dessen ging so weit, dass ich das nicht ignorieren wollte (also schon zur Rechtfertigung voraus: Ich weiß dass sowas kontrovers diskutierbar ist, ich würde aber wieder so handeln).

Ich habe das Thema im Rahmen der SSD Ausbildung nie konkret angesprochen, die Schulseelsorge und -psychologin sind bei uns aber so ins Konzept eingebunden dass ich glaube, dass die meisten bei uns sich deren Hilfe holen würden, weil es auch für Betreuungsmäßig gut geschulte Schulsanis schwer ist damit umzugehen wenn man nicht schon aus anderen Quellen Erfahrung damit hat. Werde das aber beim nächsten Treffen mal thematisieren, ist lange nicht mehr vorgekommen bei uns. Den RD dazuzuholen halte ich, wenn es medizinisch nicht notwendig ist, dabei für großen Schwachsinn: 1. Erregt Aufsehen und Nachfragen der Mitschüler die solche Leute i.d.R. nicht wollen, 2. die sind auch nicht besser im Betreuen und kennen die Schüler und das Umfeld nicht 3. Was sollen die machen? In die Psychiatrie fahren? 4. Das geht mit einer sehr wenig feinfühligen, umgehenden Information der Eltern einher, die aus eigener Erfahrung in solchen Fällen nicht unbedingt positiv ist.