Verbrennungen nicht kühlen - Didaktik

Alle Themen die ihr nicht unter bekommt, könnt ihr hier posten! Bitte schaut aber vorher nochmal im Forum, ob es nicht vielleicht doch besser woanders hinpassen könnte.

Foren-Übersicht Schulsanitätsdienst Allgemeines und Sonstiges

03.03.2012, 21:49
Schon klar. Aber was hat das mit der Neuner-Regel zu tun???

Die 9-er-Regel ist ja dazu da, den Prozentsatz der verbrannten Körperfläche zu ermitteln. Aber wenn du keine Grenzwerte hast, brauchst du dir auch keinen konkreten Wert ausrechnen.

Das würde ja heißen, dass du den konkreten Wert berechnest und dann trotzdem aus dem Bauch heraus handelst. Also sinnfrei.
meine ich ... RA-Azubi ... Ex-SSDler am WEG Büdingen; Feuerwehrler bei der örtlichen FF; Mitglied beim MHD und dort bei SanDiensten, Fahrzeugpflege, im KatS und als Gruppenleiter bei der Jugend dabei; 18 Jahre

03.03.2012, 22:32
Um das kurz aufzuklären: die verbrannte Körperoberfläche wird hauptsächlich bestimmt, um die benötigte Infusionsmenge abzuschätzen (aufgrund des Flüssigkeitsverlusts bei Verbrennungen).
Eine Decke macht immer dann Sinn, wenn die Gefahr der Auskühlung besteht, dafür gibt es keine Grenzwerte. Das kann sogar ganz ohne Verbrennungen der Fall sein ;-)

Aber sagt mir doch bitte, was euch überzeugen würde, eine Verbrennung nicht zu kühlen... :D

03.03.2012, 23:20
>9% Wärmeerhalt hätte ich jetzt gedacht, oder?

dass ich nur sehr kaltes Wasser zur Verfgung habe und so, wie ich das dann verstanden habe, auf lange sicht auch nur lauwarmes Wasser

also kurzum die Temp. des Wassers
Truppführer, Sprechfunker (Analog), Atemschutzgeräteträger
Jugendwart
Leiter SSD a.D.
Sanitäter (DRK)

[CENTER]
- Abi 2012 -
[/CENTER]

03.03.2012, 23:45
@ Teetrinker:

Eine Verbrennung nicht zu kühlen macht für den Ersthelfer Sinn, weil:

- nachweislich viele Verbrennungspatienten unterkühlt im Krankenhaus ankommen, deswegen einen langwierigen Genesungsprozess haben oder schlimmstenfalls versterben.
- längere Kühlung in keinster Weise die Haut wiederherstellt oder rettet
- die erhoffte Schmerzlinderung setzt nur ein, wenn sofort nach Hitzeeinwirkung gekühlt werden kann.
- durch Kühlung ein Zusammenziehen der Gefäße erfolgt, was die Wärme eher "in der Tiefe" speichert und somit zu weiteren Schäden führt
-und für den EH-Ausbilder: Weil es die aktuelle Empfehlung ist!


Für den Rettungsdienst gilt ebenso:

- unterkühlte Patienten haben ein nachweislich schlechteres Outome
- Kühlung bringt der Haut nix mehr und lindert nur bei sofortiger Anwendung den Schmerz, ABER:
-Dafür gibt's im Rettungsdienst ja was von Ratiopharm (bspw. Ketamin oder Fentanyl).


Wichtig dagegen:

- Prävention
- steriler Verband
- Infusion + Schmerzmittel
- ggf. weitere Versorgung im Rahmen der notärztlichen Tätigkeit.



@Oskar:
Wenn der Patient vor meinen Augen noch brennt, dann würd ich ihn getrost auch mit saukaltem Wasser ablöschen. Danach kommt bei jedem Patient, den ich nicht 100% als "unkritisch" einstufe, ein steriler Verband und eine Rettungsdecke auf den Patient, nach Möglichkeit wird dieser (Bewusstsein vorausgesetzt) in der Schocklage gelagert.
Verbrennungspatienten haben teilweise einen unvorstellbaren Flüssigkeitsbedarf...
Zuletzt geändert von leuchtreklamefahrer am 04.03.2012, 08:41, insgesamt 1-mal geändert.

04.03.2012, 00:17
nachweislich viele Verbrennungspatienten unterkühlt im Krankenhaus ankommen, deswegen einen langwierigen Genesungsprozess haben oder schlimmstenfalls versterben

unterkühlte Patienten haben ein nachweislich schlechteres Outome

Genau das meinte ich, hast du dazu irgendwelche schriftlichen Quellen? Am besten, wie gesagt, eine Statistik? Sowas funktioniert bei Studenten-Kursen immer super ;)

04.03.2012, 01:05
Leider nicht im feindlichen Ausland, aber Google liefert innerhalb von drei Minuten:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11253676?dopt=Abstract

http://www.springerlink.com/content/abx2c5xv4p5jr67q/

http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/0305417985901779

Pubmed und Co werden da sicher schnell die erhofften Ergebnisse liefern...

04.03.2012, 01:24
Verbrennungspatienten haben teilweise einen unvorstellbaren Flüssigkeitsbedarf...


Ach nicht nur die, schonmal unter Atemschutz gewesen? ^^
Truppführer, Sprechfunker (Analog), Atemschutzgeräteträger
Jugendwart
Leiter SSD a.D.
Sanitäter (DRK)

[CENTER]
- Abi 2012 -
[/CENTER]

04.03.2012, 06:08
@Oskar: Kein Vergleich zu Verbrennungspatienten, glaube mir... Klinisch ist die Baxter-Parkland-Formell (die aus irgendeinem Grund ja noch jeder gelehrt bekommt obwohl sie grade präklinisch fürn A** äh Ofen ist) ja nicht mehr relevant da man mittlerweile dazu übergegangen ist anhand des ZVD (zentralvenöser Druck) eine gezielte Volumentherapie zu fahren....
Aber selbst wenn man die veralte Baxter Parkland Formel nimmt.... Kommst du bei 50% KOF und 100kg 10l Flüssigkeit...Real&anhand ZVD ermittelt dürfte der Wert eher im Bereich von 15-20l liegen.
Davon fällt ein "guter Teil" in den ersten Stunden an.

@Leuchtreklamefahrer:
Deine Posts kann ich so nur "liken", aber ein Aspekt fehlt mir persönlich:
Es ist nachgewiesen, dass durch das Kühlen der Verbrennungsfläche mit kaltem oder auch lauwarmen Wasser eine periphere Vasokonstriktion der tiefer liegenden Hautgefäße erzeugt. Dies behindert den Wärmeabtransport in tieferliegenden Strukturen und fördert dementsprechend das "Nachbrennen" im Gewebe.

04.03.2012, 08:38
Moin Krumel - stimmt. Ich dachte, der eine Link hätte sogar die Vasokonstriktions-Problematik mit drin. Aber stimmt natürlich, danke! Ich ergänze die Liste oben schnell.

04.03.2012, 10:11
Original von Oskar
Verbrennungspatienten haben teilweise einen unvorstellbaren Flüssigkeitsbedarf...


Ach nicht nur die, schonmal unter Atemschutz gewesen? ^^

Hängs ruhig an die große Glocke, u18 schweren Atemschutz getragen zu haben :rolleyes:
Endlich EH! 04.05.2008!

04.03.2012, 10:25
Ist doch super - irgendwer muss die Fläschchen ja an die Front "tragen":)

Allerdings ist eine Runde "Atemschutz unter Aufsicht" eine spannende Erfahrung. Wir hatten im Rahmen einer Testreihe für eine neue Unterziehweste, welche während des Einsatzes medizinische Daten des Feuerwehrmanns sammeln soll, die Gelegenheit unter Atemschutz zu "arbeiten". Die dabei erreichten Werte sind ebenso wie die körperliche Anstrengung imposant...

04.03.2012, 10:28
@LR: Ja, der letzte hatte das drin...Habs aber zugegebermaßen erst später entdeckt...Das dumme Portal haut mir im Sekundentakt "Werbelinks" rein....Warum auch immer...

04.03.2012, 12:51
Original von krumel
@Oskar: Kein Vergleich zu Verbrennungspatienten, glaube mir... Klinisch ist die Baxter-Parkland-Formell (die aus irgendeinem Grund ja noch jeder gelehrt bekommt obwohl sie grade präklinisch fürn A** äh Ofen ist) ja nicht mehr relevant da man mittlerweile dazu übergegangen ist anhand des ZVD (zentralvenöser Druck) eine gezielte Volumentherapie zu fahren....
Aber selbst wenn man die veralte Baxter Parkland Formel nimmt.... Kommst du bei 50% KOF und 100kg 10l Flüssigkeit...Real&anhand ZVD ermittelt dürfte der Wert eher im Bereich von 15-20l liegen.
Davon fällt ein "guter Teil" in den ersten Stunden an.


Wenn Du schon auf diesem Niveau diskutieren willst: Heute steuert niemand mehr eine Volumentherapie nach dem ZVD weil dieser keinerlei Voraussage über die Kreislaufreaktion der Volumengabe erlaubt.
Es ist Dein Recht, Waffen abzulehnen. Es ist Deine Freiheit, nicht an Gott zu glauben. Aber wenn jemand in Dein Haus einbricht, sind die ersten beiden Dinge, die Du tun wirst: Jemanden mit einer Waffe rufen und beten, dass er rechtzeitig da ist.

04.03.2012, 16:07
Wir machen es so: Zur individuellen Steuerung werden Stundendiurese (Zielwert 0,5–1 ml/kgKG), mittlerer arterieller Blutdruck (Zielwert >70 mmHg), zentralvenöser Druck und zentralvenöse O2-Sättigung, Hämatokrit und regelmäßige Bestimmungen des Körpergewichts eingesetzt.

EDIT: Das sollte hier aber eigentlich keine Rolle spielen. Stundendiurese und MAP kennen die meisten hier genausowenig wie den ZVD.
Und auch eine Diskussion über die Parkland-Formel ist hier unangebracht, weil die wenigsten überhaupt eine Volumentherapie machen.
Prinzipiell finde ich die Parkland-Formel sinnvoll, weil sie eine allzu forcierte Volumengabe unterbindet. Das ist doch schonmal ein Anfang.
Zuletzt geändert von Hallo123 am 04.03.2012, 16:19, insgesamt 1-mal geändert.

04.03.2012, 16:39
Spekulatius hat natürlich Recht, dass der ZVD als alleiniges Parameter ausgedient hat...Ob eine druck oder volumengesteuerte Messung nun der heilige Gral ist darüber lässt sich trefflich streiten, ich kenne sowohl Meinungen in die eine als auch in die andere Richtung. (Grade hier im englischsprachigen Raum ist der Picco z.B. quasi unbekannt).

@Hallo: Was verstehst du denn unter einer "allzu forcierten Volumentherapie"?

VorherigeNächste

Foren-Übersicht Schulsanitätsdienst Allgemeines und Sonstiges

Zurück zu Allgemeines und Sonstiges

cron