Hier gibt es einen "Ärztlichen Leiter", der bestimmt, welche Medikamente und Maßnahmen generell, z.B. im Rahmen der "Notkompetenz", an Fachpersonal übertragen werden können. Ich sehe dies als eine Art Generaldelegation an; der Mediziner traut den Mitarbeitern bestimmte Sachen zu und gestattet, diese unter bestimmten Vorraussetzungen eigenständig durchzuführen. Auch hier kennt der Ärztliche Leiter Patient und Situation nicht und gestattet / empfiehlt trotzdem die Durchführung von Maßnahmen.
Du vergleichst mit dieser (rechtlich nicht haltbaren) Generaldelegation und der Notkompetenz Äpfel mit Birnen.
Bei der Notkompetenz handelt es sich um ein Hilfskonstrukt, um den Paragraphen des "rechtfertigenden Notstands" (
Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden. in entsprechende Bahnen zu lenken. Durch den Notkompetenzkatalog und auch durch die Empfehlung der Bundesärztekammer versucht man, die Maßnahmen zu vereinheitlichen, so unterrichten die meisten RD-Schulen auch entsprechend diesen Empfehlungen.
Allerdings ist dieses KEINE Delegation. Der Rettungsassistent führt immer noch selbstständig Maßnahmen aus, die er für richtig hält und die ihm eigentlich (da nicht Arzt) nicht erlaubt sind, da sie aber indiziert und lebensrettend sind und keine Alternativen dazu bestehen, kann er sie selbst, auch ohne dass der Patient vom Arzt gesehen worden ist, ausführen, um das Leben zu retten.
Im Gegensatz dazu erfordert die Delegation zwingend, dass der Arzt den Patienten gesehen hat und dann andere Maßnahmen, die er nicht notwendigerweise selbst durchführen muss, an andere Personen weitergibt.
In diesem Fall trägt der Arzt auch weiterhin die Verantwortung für die Richtigkeit der Anordnung (z.B. Medikament), der Ausführende trägt die Verantwortung für die Richtigkeit der Durchführung (z.B. sachgemäße Injektion). Daraus ergibt sich, dass "Generaldelegationen" nicht möglich sind - da das vorherige "Sehen des Patienten" wegfällt.
Also grob gesagt:
Delegation:
Arzt schaut, stellt Diagnose, ordnet Maßnahme (z.B. Venenzugang + Medikament) an und ein anderer (z.B. Rettungsdienstler) führt diese Maßnahmen aus (nicht nur für lebensrettende Dinge, sondern theoretisch für alles ... also auch Wunddesinfektion, Verband....)
rechtfertigender Notstand ("Notkompetenz"):
Nicht-Arzt (meist Rettungsdienstler) erkennt lebensbedrohlichen Zustand, stellt Arbeitsdiagnose, fordert Arzt nach, führt zwingend erforderliche, lebensrettende Maßnahmen selbst ohne Anwesenheit des Arztes durch, weil eine weitere Verzögerung schwerwiegende gesundheitliche Probleme nach sich ziehen würde.
Die angesprochene Generaldelegation für Desinfektion ist keinem der beiden Möglichkeiten zuzuordnen. Gegen die Delegation spricht, dass der Patient noch nicht vom Arzt gesehen worden ist, gegen den rechtfertigenden Notstand fehlende gravierende Folgen durch Unterlassung der Desinfektion....
Jeder Jurist würde die Sache vmtl. in der luft zerreißen!