Medikamentengabe im Notfall?

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06.11.2010, 13:32
Mal an die Rettungsdienstler unter uns:



Ist bei euch ein Analgetikum für die Notkompetenz freigegeben?
Wenn ja, welches?


Wird es bei euch toleriert wenn ein RA einen Zugang legt ohne einen NA nachzufordern?

Wie "locker" oder wie "streng" wird das Thema bei euch gehandhabt?



Liebe Grüße

06.11.2010, 14:06
Analgetikum: m.W. nach gar keins
Zugang: Ja
Mitglied bei *dem* BRK und bei den Brandpatschen

06.11.2010, 14:18
Von Ort zu Ort unterschiedlich.

In unserer Stadt wird es grundsätzlich nur tolleriert, wenn halt ein NA nachgefordert, also auf der Anfahrt ist. Dann auch nur durch die RTW-Besatzung.
Also KTW-Besatzung wird es nicht tolleriert (also RS auf dem KTW).

Im Nachbarkreis ist das lockerer geregelt: Hier wird weniger gefragt als gemacht, also da passiert es halt einfach.

Analgetikum ist meines Wissens keins freigegeben (evtl. Novalgin, aber nur mit ganz großem Fragezeichen!).

06.11.2010, 14:47
evtl. Novalgin


bei welchen Indikationen?

06.11.2010, 15:18
Nochmal nachgeguckt: In unserer Stadt gehört kein Analgetikum zur Notkompetenz bzw. Freigabe durch den ÄLRD!

Im Nachbarkreis bin ich mir nicht sicher...hatte das nur im Hinterkopf (wobei man sich das ja ansich bei starken Schmerzzuständen sowieso sparen könnte mit dem Novalgin).

06.11.2010, 19:44
Original von CPR2010
Ist bei euch ein Analgetikum für die Notkompetenz freigegeben?
Wenn ja, welches?


Wird es bei euch toleriert wenn ein RA einen Zugang legt ohne einen NA nachzufordern?


1. Nein, laut Rettungsdienst gibts aber Bereiche wo nach SOP Novalgin, Ketanest, Morphin, oder Perfalgan verabreicht werden dürfen.
2. Der ÄLRD hat für die RettAss die "Notkompetenzmaßnahmen" zu Regelkompetenzmaßnahmen gemacht. Somit brauch man für diese keinen NA nachfordern. In vielen Bereichen spricht aber nix gegen den i.v. Zugang, wenn der Patient aufgeklärt worden ist, und zugestimmt hat.
Zuletzt geändert von M1k3 am 06.11.2010, 19:46, insgesamt 1-mal geändert.
" Die jungen Leute von heute sind wesentlich angenehmer als in den 60er, 70er und 80er Jahren. Sie sind toleranter und respektvoller, auch älteren Leuten gegenüber. "
- Heino

06.11.2010, 20:20
Original von M1k3
2. Der ÄLRD hat für die RettAss die "Notkompetenzmaßnahmen" zu Regelkompetenzmaßnahmen gemacht. Somit brauch man für diese keinen NA nachfordern. In vielen Bereichen spricht aber nix gegen den i.v. Zugang, wenn der Patient aufgeklärt worden ist, und zugestimmt hat.


Zugang legen ohne Nachforderung eines NA ist bei uns auch möglich - aber dennoch muß ein Patient DANACH einem Arzt ZUGEFÜHRT werden. Und dies muß unweigerlich mit einem Transport in ein Krankenhaus erfolgen. Ist das bei euch auch so geregelt ? Wenn nicht dann wäre das aber sehr bedenklich ... ?(

Gruß Jürgen

06.11.2010, 20:20
@Zugang:
Welchen Sinn soll dieser denn machen, wenn man dann keine Medikamente geben will? Ist doch sinnfrei. Bei uns ist es Usus, dass die Privaten einen Vorwand suchen, um einen Zugang zu legen, damit sie dann einen Grund haben, den 80 Teuro KTW- gegen einen 400 Teuro RTW-Schein zu tauschen. Ein Schelm, wer böses dabei denkt.

@Analgetikum:
Dann können wir ja mal diskutieren, welches denn in Frage kommt:

Morphin:
Pro: Sehr wirksam, wäre zur Not zu antagonisieren
Contra: Atemdepressiv, sedierend, BTM-Problematik

Ketanest:
Pro: Kaum Atemdepression, sehr gute Wirkung
Contra: Evtl. Atemwegsverlegung, Hypersalivation, Bad Trips

Perfalgan:
Pro: Kaum Nebenwirkungen, gute Wirksamkein
Contra: Leider völlig ungeeignete Pharmakokinetik. Wirkungsmaximum nach einer Stunde.

Novalgin:
Pro: Extrem gute Wirksamkeit, keine Atemdepression
Contra: Kann schwere Schockzustände auslösen, die dann vom RTD-Personal nicht beherrscht werden können. Kann eine Agranulozytose auslösen. Novalgin ist ein hervorragendes Schmerzmedikament. Leider ist es so, dass einige Experten für Pharmakovigilanz insgesamt das Nutzen-/Risikoverhältnis als negativ einschätzen. So ist Novalgin in einigen Ländern nicht zugelassen. Jeder, der es einsetzt, sollte diese Risiken genau kennen und wissen, dass er unter diesen Voraussetzungen einen guten Grund für eine Novalgingabe bei Gericht vorweisen muss. Als ÄLRD würde ich einen Teufel tun, unter diesen Voraussetzungen Novalgin freizugeben.

Wäre ich ÄLRD und müsste eine solche Entscheidung treffen, würde ich noch am ehesten Ketanest (S) freigeben. Allerdings ist ein Fall, in dem kein Notarzt verfügbar ist und der Patient nun wirklich einen Schaden nimmt, wenn er ein paar Minuten mehr Schmerzen ertragen muss, doch sehr konstruiert.

Preisfrage: Bei welcher Erkrankung würde man denn mit einer Analgesie den Patienten umbringen?
Es ist Dein Recht, Waffen abzulehnen. Es ist Deine Freiheit, nicht an Gott zu glauben. Aber wenn jemand in Dein Haus einbricht, sind die ersten beiden Dinge, die Du tun wirst: Jemanden mit einer Waffe rufen und beten, dass er rechtzeitig da ist.

06.11.2010, 20:54
Original von Onkel Juergen

Zugang legen ohne Nachforderung eines NA ist bei uns auch möglich - aber dennoch muß ein Patient DANACH einem Arzt ZUGEFÜHRT werden. Und dies muß unweigerlich mit einem Transport in ein Krankenhaus erfolgen. Ist das bei euch auch so geregelt ? Wenn nicht dann wäre das aber sehr bedenklich ... ?(
Gruß Jürgen


Mit welcher Logik würde man denn einen Zugang legen, Nitro verabreichen, oder Supra, wenn man dann nicht mit dem Pat. ins KH fährt?
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- Heino

06.11.2010, 20:55
Also ich spreche von Zugang legen OHNE Nachforderung eines NA, nicht davon, keine Medis zu geben. Ich hatte ganz oft den Fall der Hypoglykämie, wo wir mit Zugang legen und Gabe von Glaukose Erfolg hatten. Wenn es der 1. Fall bei einem Pat. war wurde er von mir ohne Ausnahme in eine Klinik gebracht, bei allen anderen, die ihre Krankheit schon lange kannten, sah ich mit Einwilligung des Pat. von einem Transport dann ab - dann aber wurde der Zugang wieder von mir entfernt.

06.11.2010, 21:01
Wir reden etwas aneinander vorbei.
Meine obige Antwort war auf Dons Post gezielt.

M1k3 : ich wollte hier den anderen Usern klarmachen, daß man einem Pat. einen Zugang legen kann auch ohne Nachforderung eines NA - mit oder auch ohne Gabe von Medis. Danach MUß er aber einem Arzt ZUGEFÜHRT werden, das ging aus deinem Post weiter oben nicht klar hervor. ;)

06.11.2010, 21:15
Original von Onkel Juergen
Also ich spreche von Zugang legen OHNE Nachforderung eines NA, nicht davon, keine Medis zu geben. Ich hatte ganz oft den Fall der Hypoglykämie, wo wir mit Zugang legen und Gabe von Glaukose Erfolg hatten. Wenn es der 1. Fall bei einem Pat. war wurde er von mir ohne Ausnahme in eine Klinik gebracht, bei allen anderen, die ihre Krankheit schon lange kannten, sah ich mit Einwilligung des Pat. von einem Transport dann ab - dann aber wurde der Zugang wieder von mir entfernt.

Du widersprichst dir selber.....

@Don: Muss ich passen. Mir fallen nur indirekte zusammenhänge ein, wo der Schmerz als Schutz dient, wenn man diesen unterdrückt, gefährdet sich der Patient womöglich (Sonnenstich, HWS Fraktur ohne Folgen wo der Schmerz eine Bewegung einschränkt). Ist sicherlich nicht das, wonach du gesucht hast...
Zuletzt geändert von M1k3 am 06.11.2010, 22:06, insgesamt 1-mal geändert.
" Die jungen Leute von heute sind wesentlich angenehmer als in den 60er, 70er und 80er Jahren. Sie sind toleranter und respektvoller, auch älteren Leuten gegenüber. "
- Heino

06.11.2010, 21:15
Ich hatte ganz oft den Fall der Hypoglykämie, wo wir mit Zugang legen und Gabe von Glaukose Erfolg hatten. Wenn es der 1. Fall bei einem Pat. war wurde er von mir ohne Ausnahme in eine Klinik gebracht, bei allen anderen, die ihre Krankheit schon lange kannten, sah ich mit Einwilligung des Pat. von einem Transport dann ab - dann aber wurde der Zugang wieder von mir entfernt.


Prinzipiell hätte ich ein klein wenig Magenschmerzen, wenn bei einem NACA-5-Einsatz kein NA nachgefordert wird, aber das Beispiel macht schon Sinn.

@Don: Muss ich passen. Mir fallen nur indirekte zusammenhänge ein, wo der Schmerz als Schutz dient, wenn man diesen unterdrückt, gefährdet sich der Patient womöglich (Sonnenstich, HWS Fraktur ohne Folgen wo der Schmerz eine Bewegung einschränkt). Ist sicherlich nicht das, wonach du gesucht hast...

Wäre es dann nicht sinnvoll, die Analgesie den Profis zu überlassen ?

Nochmal Edit:
WENN ich als ÄLRD gezwungen wäre, ein Analgetikum in meinem RTD-Bereich freizugeben, dann das hier: http://www.linde-gastherapeutics.de/international/web/lg/de/likelglgtde.nsf/docbyalias/healthpro_mg_livopan
Pro: Gute Wirkung, Sicher, schnell, bei Überdosierung schnell wieder draussen
Contra: Druckluftbehälter
Zuletzt geändert von Don Spekulatius am 06.11.2010, 21:28, insgesamt 3-mal geändert.
Es ist Dein Recht, Waffen abzulehnen. Es ist Deine Freiheit, nicht an Gott zu glauben. Aber wenn jemand in Dein Haus einbricht, sind die ersten beiden Dinge, die Du tun wirst: Jemanden mit einer Waffe rufen und beten, dass er rechtzeitig da ist.

06.11.2010, 21:27
Original von Don Spekulatius
@Don: Muss ich passen. Mir fallen nur indirekte zusammenhänge ein, wo der Schmerz als Schutz dient, wenn man diesen unterdrückt, gefährdet sich der Patient womöglich (Sonnenstich, HWS Fraktur ohne Folgen wo der Schmerz eine Bewegung einschränkt). Ist sicherlich nicht das, wonach du gesucht hast...

Wäre es dann nicht sinnvoll, die Analgesie den Profis zu überlassen ?


Hab ich was anderes behauptet? Die SOPs sind von Profis erstellt worden, die offensichtlich glauben, durch diese Algorithmen den RettAss in eine Situation zu versetzen wo die Gabe möglich ist, auch für nicht Profis. Meine Meinung dazu steht hier nirgends ;)

EDIT: Gas wird soweit ich weis auch in England genutzt, der Patient hält dabei die Maske selber, eine Überdosierung ist damit schwer zu erreichen...
Zuletzt geändert von M1k3 am 06.11.2010, 22:08, insgesamt 1-mal geändert.
" Die jungen Leute von heute sind wesentlich angenehmer als in den 60er, 70er und 80er Jahren. Sie sind toleranter und respektvoller, auch älteren Leuten gegenüber. "
- Heino

07.11.2010, 15:57
Bei mir im "Heimatbereich" ist der Zugang durch RettAss Usus, auch wenn kein Notarzt nachgefordert wird. Es hat sich die Jahre über sogar soweit eingeschlichen, das die aufnehmenden Krankenhäuser etwas pikiert schauen, wenn mangels gelegtem Zugang kein abgenommenes Blut übergeben wird. Kann jeder für sich selbst bewerten.... ;)

Ich habe dort natürlich gern gearbeitet, weil sich jeder junge, gut ausgebildete RettAss über so viel Freiheiten freut. Restriktiver ist da dann schon die Medikamentengabe u.ä. gehandhabt.
Die bekannte Liste der BÄK ist unter gegeben Umständen erlaubt, dazu ein paar Sachen bei pädiatrischen Notfällen (Rectodelt, PCM, ...), sowie Inhalativa bei Asthma/Rauchgasintox. Wobei hier natürlich ein Notarzt auf Anfahrt ist.

@Zugang legen und Arzt zuführen: Hmm.... eigentlich ja. Die Praxis hat aber zumindest bei mir dazu geführt, dass ich 2 Beispiele anbringen kann, bei denen ich anders handle...was sicherlich jedes Mal auf's Neue kritisch reflektiert werden muss.
Fall 1 ist der von Jürgen angesprochene bekannte Hypoglykämiker, unter Berücksichtigung der individuellen Umstände. Wenn also die Ursache für die Entgleisung höchst wahrscheinlich/sicher bekannt ist.
Fall 2 beschränkt sich auf Kreislaufdysregulationen insbesondere im Sommer auf SanDiensten o.ä. wo den Patienten mit Ruhe, 'ner Weile liegen, oraler Rehydrierung (ggf durch eine Infusion unterstützt --> hier also Zugang) zumeist schon adäquat geholfen werden kann. Wenn diese Patienten dann in Begleitung sind und nicht alleine wieder nach Hause müssen oder im Straßenverkehr aktiv teilnehmen, habe ich da auch keien Bauchschmerzen bei.
Natürlich mag jetzt den meisten der Gedanke kommen, das sei jeweils keine Erstversorgung sondern eine (kausale) Therapie und somit dem Arzt vorbehalten.... wenn man jemandem Böses will und es streng auslegt, wird's stimmen. Ich glaube aber, die Entscheidung muss man mit sich selbst ausmachen und ggf halt das Rückgrat haben, dazu zu stehen und mit möglichen Konsequenzen zu leben.
Gerrit (RettAss)
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