Blutzuckermessung

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21.06.2012, 17:41
Hallo zusammen,

ich hätt da mal ne Frage zum Blutzucker messen.
Dürfen wir SSDler (EH+)?
Ich hab bisher noch keine wirklich zufriedenstellende Antwort darauf gefunden.

Gruß Sam

21.06.2012, 18:23
Wenn du es sicher kannst, der Patient einwilligen darf, dir keiner ans Bein pissen will und hinterher nix passiert - dann hau rein.
Endlich EH! 04.05.2008!

21.06.2012, 18:23
Hi,

ihr dürft alles, was ihr ausreichend erlernt habt, sofern euch der (aufgeklärte) Patient zustimmt.

Bei einem Bewusstlosen ist im Regelfall von einer Zustimmung auszugehen.

Gruß
Mitglied bei *dem* BRK und bei den Brandpatschen

21.06.2012, 18:51
Das Problem was ich im SSD sehe ist, dass kein Patient einwilligen kann. Bei Patienten U18 müssten die Eltern einwilligen und das halte ich für unpraktikabel.

Im Rettungsdienst besteht die Einwilligung meist aus schlüssiger Handlung, ein Patient der den Finger nicht wegzieht willigt ein.

Ganz so selbstverständlich sollte man BZ-Messen nicht nehmen, gibt auch Kreise wo nichtmal RettAss BZ messen dürfen ohne Notarzt...
Rettungsassistent in München, 23 Jahre

21.06.2012, 19:06
Natürlich kann ein Patient einwilligen, auch wenn er sein achtzehntes Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Die Einwilligungsfähigkeit hängt nicht (ausschließlich) vom Alter, sondern viel mehr davon ab ob der Patient die Konsequenzen die sich aus seiner Entscheidung ergeben überblicken kann oder nicht. Bei Schülern 16+ sehe ich da eigentlich kein Problem, bei jüngeren sollte man jeweils die Einsichtsfähigkeit einschätzen.
Das gilt so auch für den Rettungsdienst, eine Einwilligung ergibt sich nicht alleine aus der Schlüssigkeit der Maßnahme. Mit dem Finger wegziehen hast du aber recht, die Einwilligung kann auch non verbal erfolgen.

Wir reden hier doch immer noch von der BZ Messung, nicht von einer Herztransplantation!?

Den Kreis wo Rettass ohne Notarzt keine BZ messen dürfen hätte ich jetzt gerne mal gewusst.
Zuletzt geändert von Blinki am 21.06.2012, 19:07, insgesamt 1-mal geändert.

21.06.2012, 19:13
BZ messen gilt gewissermaßen schon als Körperverletzung.
Die Sache mit der Einwilligung ist meiner Meinung nach sehr schwierig Hand zu haben. Es ist bei unter 18 jährigen, die sich ja natürlich in der Schule befinden fast unmöglich das einverständnis der Eltern einzuholen.
Außerdem empfehle ich nur dann Blutzuckermessungen durchzuführen, wenn dies ausreichend geübt und von einer Fachkraft erklärt wurde.
Es ist auch wichtig abzuschätzen ob eine Blutzuckermessung nötig ist, um den Patienten unnötigen Stress und Aufregung zu ersparen.

LG

SAN A/B
Zuletzt geändert von SAN A/B am 21.06.2012, 19:15, insgesamt 1-mal geändert.

21.06.2012, 19:20
Ich habe das von einem Kollegen so gehört, der immer fürchterlich aufpassen muss, wenn er nicht in München (wo der RettAss so ziemlich alles darf bzw. tut) sondern (ich glaube) in Fürstenfeldbruck fährt.

Wenn der Notarzt selbst abrechnet wird er auch den größten Kleinscheiß selber machen wollen...

Theoretisch ist BZ-Messen Körperverletzung, aber praktikabel ist es sicherlich nicht sich dafür nen NA zu bestellen...
Die Geschichte stoß bei uns auch auf großes Entsetzen, da verkommt der RettAss zum Krankentransporteur.

In München wird es sogar SSDlern gezeigt und auch als Einsatzsanitäter hätte man mir die Ohren langezogen wenn ich z.B. einem Bewusstlosen keinen Zucker gemessen hätte.
Rettungsassistent in München, 23 Jahre

21.06.2012, 19:24
Original von SAN A/B
Es ist auch wichtig abzuschätzen ob eine Blutzuckermessung nötig ist, um den Patienten unnötigen Stress und Aufregung zu ersparen.


Und vor allem sollte man mit den entsprechenden Ergebnissen umgehen können.
meine ich ... RA-Azubi ... Ex-SSDler am WEG Büdingen; Feuerwehrler bei der örtlichen FF; Mitglied beim MHD und dort bei SanDiensten, Fahrzeugpflege, im KatS und als Gruppenleiter bei der Jugend dabei; 18 Jahre

21.06.2012, 19:31
Mal ne dumme Frage: Was nützt dir als Ersthelfer der Blutzuckergehalt? Mehr als eine Hyperglykämie oder eine Hypoglykämie wirst du eh nicht feststellen können. Bei ner Hypoglykämie könntest du höchstens noch Traubenzucker geben - trotzdem rate ich dir dabei, den Patienten seinem Hausarzt vorzustellen bzw. den Rettungsdienst zu alarmieren. Eventuelle Stoffwechselerkrankungen sollten nicht auf die leichte Schulter genommen werden.

Erster Beitrag.. *freu*
Wer anderen eine Bratwurst brät, der braucht ein Bratwurstbratgerät.. (:
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Tizian, SSD-Orgi & JRKler

21.06.2012, 19:32
Die BZ Messung ist nicht nur theoretisch sonder auch ganz praktisch eine Körperverletzung. Je nach dem ob man das Stechdingens als Waffe oder gefährliches Werkzeug einordnen würde unter Umständen auch eine gefährliche Körperverletzung. Die Rechtfertigung und damit Straffreiheit ergibt sich aus der (mutmaßlichen) Einwilligung.

Ansonsten würde ich nicht "Da wird's nicht gemacht weil sonst irgend ein Arzt meckert" mit "Das ist es verboten" gleichsetzen.
Im Zweifelsfall muss man halt überlegen ob man sich den Stress antut oder nicht.

21.06.2012, 19:34
Sicherlich stellt das Stechen mit einer Lanzette eine Körperverletzung da (Unversehrtheit des Körpers wird verletzt).

ABER: Um sich strafbar zu machen, benötigt es drei Komponente, die ALLE erfüllt sein müssen.

Eine Straftat muss vorliegen (StGB), es muss rechtswiedrig sein und man muss schuldfähig sein.

Also betrachten wir mal die BZ-Messung:

Straftat: Körperverletzung

Rechtswiedrig: Nein, solange der Patient verbal bzw. nonverbal durch sein Handeln z.B. zustimmt oder wenn der Patient nicht mehr in der Lage ist, zu antworten (mutmaßliche Einwilligung).

Schuldfähig: Ja, volle geistige Entwicklung setze ich mal vorraus, auch dass die Helfer in dem Fall mal mind. 14 sind.

Also ist eine Komponente nicht gegeben, also macht man sich nicht strafbar. Nur der Patient muss einwilligen oder eben dazu nicht mehr in der Lage sein!


Zur Sinnigkeit der BZ-Messung:

Patient, 60 Jahre alt, ist somnolent, bekannter Hypertonus, Diabetis, Raucher.

Cerebrales Geschehen oder Unterzucker? Letzteres durch Sanitätskräfte leicht durch z.B. Jubin (Zuckergel, welches von der Mundschleimhaut resorbiert wird und somit vorsichtig bei somnolenten Patienten angewendet werden kann) zu beheben.

Teilweise gängige Ausbildermeinung: Wenn der Patient noch in der Lage ist, oral Nahrung aufzunehmen, bekommt er halt eine Cola und man schaut, ob es besser wird. So nach dem Motto "Ihnen ist zwar kotzübel, wir geben ihnen mal was zu drinken und schauen ob es besser wird, wissen es aber nicht".

Wenn der Patient jetzt aber eine Hirnblutung hat, ist die Nahrungsaufnahme sicherlich nicht ganz so toll (OP, Anästhesie, Narkoseeinleitung) und verzögert eventuell die Alarmierung des RD's.

Mit einer BZ-Messung hingegen können SanH einen Unterzucker schnell und einfach feststellen und therapieren.

So zumindest meine Argumentation.
Zuletzt geändert von Maxi am 21.06.2012, 19:44, insgesamt 1-mal geändert.

21.06.2012, 19:44
Schön erklärt @Maxi

21.06.2012, 20:21
Original von Blinki
Schön erklärt @Maxi

Nicht schön erklärt, super erklärt! (:
Klar kann man das vor Ort therapieren, doch wir sollten uns doch eigentlich fragen, wie kann es passieren, dass jemand unterzuckert? Einfach mal das Frühstück ausgelassen ist es mit Sicherheit nicht immer. Mir ist es (vorallem im Schulsanitätsdienst) lieber, mal nen Arzt drüber schauen zu lassen.
Summa Summarum würde ich sagen, dass es auf die Situation ankommt. Blutzucker kann man meiner Meinung nach gerne messen, ob es dann zu einer Alarmierung des Rettungsdienstes oder einer Unterrichtsbefreiung kommt, liegt an der Situation. Ist zum Beispiel die Krankheit bekannt (ihr kennt das ja.. :P ), kann man auch verzichten. Die Information der Eltern bzw. die Verantwortung liegt sowieso bei den Lehrkräften.
Wer anderen eine Bratwurst brät, der braucht ein Bratwurstbratgerät.. (:
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Tizian, SSD-Orgi & JRKler

21.06.2012, 20:41
Hallo Tizian, kannst Dich ja mal im Vorstellungsbereich vorstellen.

Gute Fragestellung, ich habe im Bekanntenkreis einen Diabetiker mit Insulinpumpe.
Einmal hat er weniger zu Mittag gegessen als sonst und ist zudem außerplanmäßig Fahrrad gefahren. Letztendlich stand er mit einem BZ von 50 mg/dl vor mir. Eine Möglichkeit kann also der falsch eingestellte Diabetiker sein.

Neulich hatte ich bei einem Open Air eine Patientin in den 40gern, Kollaps, 15 sekündige Bewusstlosigkeit (vor unserem Eintreffen), RR 100 mmHg systolisch, Puls um die 100 bpm, BZ von 70 mg/dl.
Anamnese: Keine Erkrankungen, Allergien oder Medikamenteneinnahmen. Hat über den gesamten Tag (Einsatz war gegen 21 Uhr) nur 2x 0,3 Pils und Kaffee getrunken und nur normal gefrühstückt und eine Portion Pommes gegessen.
Die Patientin hatte also ein Flüssigkeits- und Glucosedefizit.
Also kann ein Unterzucker durchaus in Folge einer fehlenden Nahrungsaufnahme erfolgen.

Ein Arztbesuch ist sicherlich meist indiziert, nur mit einer BZ-Messung und einer gescheiten Anamnese kann ein (erfahrener) Helfer abwägen, ob der Arztbesuch sofort (RD) oder später (Hausarzt) erfolgen kann (nach oraler Flüssigkeits- und Zuckergabe und Ruhe).

Eine weitere Anwendungsmöglichkeit der BZ-Messung ist die Überwachung von Betrunkenen, die vielleicht mal über längere Zeit im Sanitätszelt liegen. Beim Abbau von Alkohol würd nämlich der BZ-Spiegel mit gesenkt und es kann zu einer Hypoglykämie kommen.
Zuletzt geändert von Maxi am 21.06.2012, 20:54, insgesamt 2-mal geändert.

21.06.2012, 20:52
nur 2x 0,6 Pils
wo zum Teufel kommst du her, wo man Pilsner in 0,6-Liter-Gläsern abfüllt..?? :D :D :D
Stimmt, klingt (sonst) einleuchtend! :P
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Tizian, SSD-Orgi & JRKler

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