Don Spekulatius hat geschrieben:löse Dich von der Vorstellung einer Rechtssicherheit. Die gab es nicht für Rettungsassistenten, die gibt es nicht für Notfallsanitäter. Nirgendwo steht, was irgendjemand im Rettungsdienst darf. Jedenfalls nicht rechtssicher.
Das würde ich so nicht unterschreiben - oder dementsprechend verallgemeinern, dass das auch für Notärzte und auch außerhalb des medizinischen Bereichs gibt, ja dass es überhaupt keine letzte Rechtssicherheit, und auch nahezu keine Sicherheit im Leben gibt.
Es kann natürlich keinen festen schematischen Katalog geben, "was irgendjemand im Rettungsdienst darf", weil das u.a. vom Ausbildungs- und Fähigkeitsstand, dem Notfallbild und Patientenzustand und vom medizinischen Fortschritt abhängig ist. Ansonsten lässt sich aber zumeist mit hinreichender Sicherheit vorhersagen, was weitgehend problemlos ist und was sicherlich zu Problemen führt - wobei eine Grauzone verbleibt. Das ist aber kein Spezifikum der Medizin oder des Rettungsdienstes.
Im Einzelfall bedarf es dazu allerdings v.a. medizinischen und in zweiter Linie juristischen Sachverstands. Um das zu vereinfachen, gibt es Algorithmen, "standard operating procedures" und Vorgaben (medizinischer) Führungskräfte.
Don Spekulatius hat geschrieben:Wenn der Landesarzt (wer auch immer das sein soll...)
Ein Landesarzt pflegt eine organisationsinterne Stellung im Landesverband einer Hilfsorganisation zu haben, wie der Begriff nahelegt. Konkret ist er ein gewähltes Mitglied des Präsidiums des DRK RLP (§ 18 Abs. 1 lit. d) der Satzung), wobei das Präsidium verbindliche Regelungen für alle DRK-Vereine im jeweiligen Land (und damit deren Mitglieder) schaffen kann.
Don Spekulatius hat geschrieben:eine solche Aussage getätigt hat, dann um Euch vor Rechtsunsicherheit zu schützen.
Oder um den Verein vor Haftungsfolgen zu schützen.
Oder um Patienten vor Schädigungen zu schützen.
Don Spekulatius hat geschrieben:Wie immer im Rettungsdienst ist es so, dass kein Hahn danach kräht, wenn eine Maßnahme erfolgreich ist. Platzierst und einen LT und alles ist fein, dann wird man Dir auf die Schulter klopfen und Dich loben.
Das scheint mir bei einem Verstoß gegen ein Verbot innerhalb des Vereins jedenfalls nicht gesichert. Ebenso gut möglich sind Konsequenzen, eben weil gegen verbindliche Vorgaben verstoßen wurde.
Don Spekulatius hat geschrieben:Geht es schief und jemand ist der Meinung, dass der erlittene Schaden einzig und allein an der Verwendung des LT lag (würde mich interessieren, wie er das argumentieren will), dann geht er eben vor Gericht und ein hochgezahlter Gutachter hat ein halbes Jahr Zeit, die Entscheidung, die Du in Minuten treffen musstest, zu bewerten. Auf der hohen See und vor Gericht bist Du in Gottes Hand, also weiß niemand, wie das ausgeht.
Das ist mir zu einfach gedacht.
Komplikationen durch die Verwendung eines LT sind in der Studienlage dokumentiert. Wenn es - z.B. - zu Zungenschwellungen, endotracheale Fehllagen und anderen Fehlpositionierungen und dadurch ggf. zu Magenbeatmungen kommt, ist es trivial, dass dafür ausschließlich die Verwendung des LT verantwortlich war. Unabhängig davon, ob dies allgemein oder im Einzelfall gegen die Anwendung eines LT (durch wenig erfahrene Anwender) spricht, sollte man aus medizinisch-fachlicher Sicht Indikationen, Kontraindikationen und Risiken der Methoden kennen, die man anwendet, und von risikobehafteten Methoden nach Möglichkeit absehen. Aus juristischer Sicht ist es zudem risikobehaftet, Vorgaben von Vorgesetzten oder Leitlinien zu ignorieren.
Dass ein Gutachter sich auch für die Bewertung einer Augenblicksentscheidung viel Zeit nimmt, ist durchaus positiv, soll er doch die Frage beantworten, ob die Maßnahme medizinisch richtig, vertretbar oder falsch war. Ob eine falsche Maßnahme dann auch juristisch vorwerfbar ist, ist eine andere Frage, bei der vom Wissensstand des Helfers vor Ort zum jeweiligen Zeitpunkt ausgegangen und der Zeitdruck berücksichtigt wird. Man muss allerdings sagen, dass Abweichungen von Vorgaben zu erhöhtem Rechtfertigungsdurck führen - mit Recht. Wer meint, er wisse besser als der Landesarzt, was für den Patienten gut und richtig ist, muss dieses bessere Wissen dann auch demonstrieren können.
Und es ist zwar richtig, dass sich der Ausgang eines gerichtlichen Verfahrens nie mit Sicherheit vorhersehen lässt, aber das ist ja nun im medizinischen Bereich nicht anders - auch und gerade dort sind wir alle in Gottes Hand, und es weiß in sehr vielen Fällen niemand, wie es am Ende ausgeht. Das hindert uns aber nicht, uns mit der Frage zu beschäftigen, in welchen Fällen welche Maßnahmen vorzugswürdig sind, Risiken abzuschätzen und vorzuplanen, um die Chancen des Patienten zu maximieren. In genau derselben Weise sollte man dementsprechend an juristische Fragen herangehen, statt sich auf Allgemeinplätze zurückzuziehen.
Der Spruch von der hohen See und dem Gericht erinnert mich an das Argument, in der Medizin würde sich ständig alles ändern, was heute richtig sei, sei morgen falsch und übermorgen wieder richtig. Das ist einerseits wahr (mal reanimiert man 15:2, dann 30:2, dann beatmet man vielleicht nur), andererseits ist aber der damit insinuierte Schluss "lass die Experten doch quatschen, ich mache das, was mir persönlich am besten gefällt, gibt doch eh kein richtig und kein falsch" natürlich nicht zutreffend.
Don Spekulatius hat geschrieben:Aber: Versuche doch mal einen Fall zu konstruieren, bei dem ganz klar ist, dass durch die Anwendung des LT ein Schaden entstanden ist, der garantiert vorher nicht vorlag. Hier fällt mir kaum etwas ein
Dann empfehle ich die Leitlinie zum präklinischen Atemwegsmanagement und die dort in Bezug genommene Literatur.
Don Spekulatius hat geschrieben:Langer Rede kurzer Sinn - Löse Dich von der Vorstellung der Rechtssicherheit. Diese gibt es nicht.
Rechtssicherheit gibt es so viel oder so wenig wie überhaupt Sicherheit im Leben. Kein Mensch weiß, ob wir nicht eine Autofahrt mit 150 km/h durch die Innenstadt unfallfrei überstehen und stattdessen nach dem Aussteigen von einem Eiszapfen erschlagen werden, den ein Flugzeug in großer Höhe verloren hat. Dennoch neigen wir dazu, nicht mit 150 km/h durch die Innenstadt zu rasen und wenn doch, dann nur mit wirklich gutem Grund, uns aber keine Gedanken über herabstürzende Eiszapfen zu machen.
Insofern ist die Frage, was ein Verbot der Anwendung von LT durch den Landesarzt der eigenen Organisation bedeutet, durchaus nicht so verfehlt, wie Du sie darstellst (und ich lasse dabei die Frage nach der medizinischen Richtigkeit einmal bewusst außen vor). Man kann - Rechtssicherheit hin oder her - durchaus die damit verbundenen Risikenauch juristischer Art abschätzen und entsprechende Konsequenzen ziehen (die im übrigen auch struktureller Art durch vermehrtes Training oder den Umstieg auf ein anderes Device sein können).
Don Spekulatius hat geschrieben:Wir leben in D in einer Zeit, in der jemand, der besoffen auf dem Acker stolpert, den Bauern verklagt, weil der Acker nicht glatt genug war.
Viel bedeutsamer als die Frage, ob er das tut, ist doch, ob er damit voraussichtlich Erfolg haben wird.